9000. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Im Lager bei Prag, 26. Mai 1757.
Ew. Excellenz gnädiges Schreiben vom 21. dieses hat mir alle Zufriedenheit verursachet, da ich daraus ersehen, wie Dieselbe mein voriges langes und confuses Schreiben91-4 dennoch wohl aufgenommen haben. Ich muss überhaupt um Vergebung bitten, wenn Dieselbe alle meine jetzige Schreiben etwas unordentlich und übel eingerichtet finden, da es wegen derer beständigen Distractionen und Unterbrechungen, auch bei fast beständigem Strepitu armorum in denen jetzigen Umständen fast nicht möglich ist, die Gedanken recht zu sammlen und in einer gewissen Ordnung zu halten.
Ich habe ohnlängst die Ehre gehabt, Ew. Excellenz etwas von der Expedition auf Pilsen, um das dortige und andere noch in der Gegend belegene Magazins zu ruiniren, auch von dem Terreur, welchen dieses auf die der Orten an Böhmen grenzende Lande verursachet, zu melden.91-5 Diese Expedition und der darauf erfolgete Einmarsch zweier Freibataillons in die Oberpfalz, die sich durch ein Corps österreichischer Husaren gefolget und deshalb genöthiget sahen, ihren Marsch durch die Oberpfalz und so weiter herum nach Böhmen zurück zu nehmen, hat in der Oberpfalz und in Baiern solchen Schrecken verursachet,<92> dass der Churfürst von Baiern sich sogleich resolviret, einen seiner Generale92-1 an den Commandeur derer Freibataillons zu schicken und sich neutral zu declariren, sondern92-2 es hat auch gedachter Churfürst zugleich, wie des Königs Majestät in Dero gestrigem Schreiben an Ew. und des Herrn Grafen von Podewils Excellenz erwähnet,92-3 Dero Obristen und Kammerherrn Baron von Montgelas exprès mit einem Schreiben abgeschicket, der sogleich dabei mündlich declariret hat, wie er von dem Churfürsten, seinem Herrn, befehliget sei, des Königs Majestät zu versichern, dass er eine vollenkommene Neutralité währendem diesem ganzen Kriege halten, allen seinen vorigen Alliancen, insoweit solche dieser Neutralité entgegenlaufen, renuntiiren, auch das von ihm anverlangete Reichscontingent nicht gestellen, sondern vollenkommen neutral bleiben wolle. Des Königs Majestät haben auch die Erklärung von ihm angenommen, wie aber das von dem Churfürsten ihm mitgegebene Schreiben darüber gar nichts expliciret,92-4 sondern eigentlich nur ein Detail wegen eines in der Oberpfalz wegen Excessen arretirten Officiers von einem derer Freibataillons und dass solcher sogleich wieder los gelassen worden und sonsten lauter vage Versicherungen enthält, so haben des Königs Majestät den Baron Montgelas darüber ernstlich gesprochen und von dem Churfürsten verlanget, über seine Declaration eine authentique schriftliche Versicherung zu haben, welche dieser dann auch nächstens beizubringen versichert und gestern früh damit wieder zurückgereiset ist.
Des Königs Majestät haben gedachten Baron zweimal gesprochen, und zwar das erstere Mal in einem ton imposant, das letztere Mal aber mit vieler Moderation und auf das gratieuseste, so dass derselbe sehr satisfait zurückgereiset ist, von seines Herrn guten und beständigen Sentiments alle Versicherungen gegeben und versprochen hat, in Zeit von ohngefähr 8 Tagen zurückzukommen und die schriftliche authentique Versicherung über obgedachte Offerten mitbringen zu wollen.
Ich lege zu Ew. Excellenz Einsicht die ganze Originalcorrespondance hierbei, mit gehorsamster Bitte, nach davon gemachtem Gebrauch solche ohnvorgreiflich zu meinen andern bei Deroselben befindlichen königlichen Papieren legen zu wollen. Des Königs Majestät flattiren Sich, dass wenn die Sache zu ihrer völligen Consistance kommet, solche mehreren Reichsständen der Orten und sonsten zum Exempel dienen und solche eben die Partie ergreifen werden.
Inzwischen finden Sie vor gut, dass Dero auswärtigen Herrn Ministern und insonderheit dem Herrn von Plotho zu Regensburg von diesem Vorfall Nachricht gegeben werde,92-5 wiewohl ich vor mein particulier der Meinung bin, dass dabei die Umstände wegen des Frei<93>bataillons so wenig wie möglich zu berühren, wie ich dann auch den Bericht des Commandeurs, Herrn Obristlieutenant von Mayr,93-1 nur bloss zu Ew. Excellenz Einsicht und um ganz von der Sache au fait zu sein, beigeleget habe, auch sehr bitte, solchen an niemanden weiter zu communiciren, weil, wann etwas davon public würde, solches dem detachirten Corps bei seinem Rückmarsch und da es noch verschiedene auswärtige Territoria zu passiren hat, ehe es wieder in Böhmen kommet, sehr schädlich und präjudicirlich sein könnte.
Vor das übrige muss ich mein Urtheil von der ganzen Sache suspendiren, da ich den Herrn von Montgelas nicht selbst gesehen, noch gesprochen habe, der Herr Oberst von Lentulus, der ihn auch präsentiret, selbigen aber von 20 Jahren zu kennen versichert und ihm das Zeugniss von einem ehrlichen Mann giebet.
Ich bin genöthiget zu schliessen, da es etwas späte und es wieder eine unruhige Nacht geben wird, indem sich wieder ein starker Theil der Garnison zu Prag gegen Abend ausserhalb der Stadt an denen Wällen, Mauren und Werken vis-à-vis des Königs Quartier gezogen hat und sehen lässet, auch Miene machet, diese Nacht etwas unternehmen zu wollen, wozu man sich denn bereit hält, wiewohl gestern Nacht ein gleiches Manceuvre von der Garnison auf der Seite von dem Feldmarschall von Keith gemachet worden, und dennoch nichts vorgefallen ist. In der vorigen Nacht hat ein Corps Panduren eine auf des Königs Seite neu angelegte und noch nicht fertige Batterie attaquiren sollen, hat aber solche im Finstern verfehlet und sich verirret, da sie statt derselben auf eine schon lange fertige und wohl garnirte Redoute gekommen ist und von solcher ein recht nachdrückliches Feuer von Canons und kleinem Gewehr empfangen hat, so dass es mit blutigen Köpfen zurück müssen.93-2 Inzwischen giebt dieses lauter unruhige Nächte, der Himmel aber wird auch diesem ein Ende geben.
Das von Ew. Excellenz mir zugesandte Schreiben von der Königin Frau Mutter Majestät ist sogleich von mir schuldigst besorget worden. Ew. Excellenz Wohlwollen empfehle mich.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
91-4 Nr. 8956.
91-5 Vergl. S. 52.
92-1 General von Pechmann, Bericht Mayr's, d. d. Viseck 21. Mai
92-2 sic.
92-3 Vergl. Nr. 8994.
92-4 Vergl. Nr. 8986.
92-5 Demgemäss Circularrescripte an die preussischen Gesandten, d. d. Berlin 31. Mai.
93-1 Vergl. S. 92. Anm. 1.
93-2 Vergl. S. 88.