9189. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT IM LAGER BEI INSTERBURG.

Leitmeritz, 11. Juli 1757.

Dasjenige Schreiben vom 4. dieses Monates, so Ihr Mir mit dem Lieutenant von Humboldt eingesandt habet, ist Mir von demselben richtig überbracht worden. Der Einhalt dessen hat Mir wohl nicht anders als sehr betrübt und ohnangenehm sein können, da Ich daraus Eure jetzige embarrassante Umstände ersehen habe.235-1 Dass bisher noch keine englische Flotte auf denen preussischen Küsten gekommen ist, und man die Mir darunter so fest gegebene Versicherung nicht erfüllet, noch Wort gehalten hat, ist Meine Schuld nicht, da es an öfterm und beständigem Erinnern deshalb nicht gefehlet hat.235-2 Die Ursache aber davon ist die grosse Division derer verschiedenen Factionen in Engelland gewesen, da in einigen Monaten kein ordentliches Ministerium daselbst gewesen ist, und alle Affairen stille gelegen haben.235-3

Anlangend die dortige Hauptsachen, so ist es Mir nicht möglich, Euch von hier aus darunter etwas vorzuschreiben, denn Ich nicht wissen kann, was dorten währender Zeit, da Ihr an Mich geschrieben habt, vorgefallen ist; daher Ich Euch schlechterdings zu thun überlassen muss, was Ihr vor gut und denen Umständen convenabel zu sein finden werdet, aber ein Corps von denen Russen müsset Ihr schlagen, es sei auch, welches es wolle.235-4

Was das vorhin in Pommern gestandene Corps anbetrifft,235-5 da habe Ich solches hier ganz unumgänglich nöthig gehabt, so dass, anstatt einen Mann zu entbehren, Ich wohl 30,000 Mann mehr nöthig hätte; denn Ihr wissen müsset, dass Ich es nicht mit denen Oesterreichern allein, sondern auch mit denen Franzosen und mit der Reichsarmee, auch vielleicht gar mit denen Schweden werde zu thun haben.

Wenn Ich gleich anfänglich in Preussen gewesen wäre, so wäre Ich in Polen gegangen und hätte den Apraxin seine Magazine genommen oder derangiret,235-6 es möchte gut oder übel genommen worden seind, denn sie einmal von einem declarirten Feind bestellet waren, der Mir dadurch Schaden zuzufügen intendirete, und Mir kein ander Mittel übrig ist, dagegen wenn Mein Feind erst seine Arrangements im Stande gebracht hat, es gar zu schwer ist, solche zu derangiren.

Was Ihr aber jetzo zu thun habt, da kann Ich Euch absolute nichts drin vorschreiben. So viel kann Ich nur sagen, dass die Rückmärsche im Anfang der Campagne einen übelen Effect auf Officiers und auf den Soldaten machen. Ich kann also nichts anders, als Euch<236> bestens recommandiren, vor die Conservation der Armee und vor das Wohl des Landes zu sorgen; welches, so weit das zusammen stimmen kann, Ihr bestens zu besorgen habt, vorschreiben aber kann Ich Euch ohnmöglich, und deshalb habe Ich Euch vorhin schon Pleinpouvoir und alle Autorité gegeben,236-1 auch wisset Ihr Selber wohl, dass wer eine Armee zu commandiren hat, derselbe alle Hände voll zu thun habe, ohne sich noch von mehreren mehren zu können.

Nur bitte Ich Euch auf das höchste, die Contenance nicht zu verlieren, sondern frisch, obgleich nach gutem Ueberlegen, Eure Resolution zu nehmen und, wann Ihr die genommen habet, alsdann nicht davon abzugehen, überhaupt aber keinen Kriegesrath zu halten, denn da siehet man nur alle Schwierigkeit ein, und wann man die gesehen hat, so kommt weder Schluss noch sonst etwas heraus.

Uebrigens bitte Ich Euch, künftig Mir keinen Officier mehr zu schicken, als wenn Ihr eine Bataille gewonnen haben werdet, weil es sonsten einen übelen Effect thut, wenn Ihr ohne dergleichen Évènement einen Officier sendet und die Impression gebet und glauben machet, dass er übele Zeitung bringen müsste. Sonsten werdet Dir Euch nicht wundern, wenn Ich Euch nicht régulièrement schreibe, weil Ich solche Menge feindlicher leichter Truppen entgegen habe, dass es nicht möglich ist, allemal Briefe durchzuschicken.

Friderich.

Nach dem Concept.



235-1 Der Inhalt des Lehwaldt'schen Berichts ist in der Hauptsache wiedergegeben in der Unterredung mit Mitchell vom II. Juli Nr. 9190 und in dem Schreiben an den Prinzen von Preussen vom 13. Juli Nr. 9197.

235-2 Vergl. S. 162. 163. 228. 234. 237.

235-3 Vergl. S. 173.

235-4 Vergl. S. 61. 116. 165. 168.

235-5 Vergl. Bd. XIII, 613; XIV, 555.

235-6 Vergl. S. 116. 165. 168.

236-1 Vergl. Bd. XII, 448—457.