9833. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT.297-6

Berlin, 9. März 1758.

Ich habe zwar aus Eurem Schreiben vom 4. dieses [ersehen], was Ihr an Mich wegen eines gewissen Projectes, um dem Feinde einen sensiblen<298> Coup anzubringen, melden wollen;298-1 worauf Ich Euch aber sagen muss, wie einestheils Ich den Success dieses Projets sehr misslich und ungewiss zu sein erachte, anderntheils aber, dass durch die zu Entreprenirung dessen zu machende Veranstaltungen alle Meine andere, auch die höchst nothwendigsten Arrangements über'n Haufen gehen, dabei aber die wenige noch übrige Zeit, etwas gutes und nützliches anzufangen, gänzlich verloren gehen würde. Ehe Ich darüber in ein weiteres Detail gehe, kann Ich Euch zuvorderst nicht verhalten, wie dass es Mir sehr nahe gehet und besonders unangenehm ist, mithin Ich nicht anders als ganz ohnzufrieden davon sein kann, dass alle Sachen und Operationes, so dorten geschehen können und sollen, bisher so sehr langsam gegangen298-2 und noch gehen und so wenig davon zur Execution gebracht worden, so dass die dazu unwiederbringliche Zeit und Gelegenheiten theils schon verloren gegangen ist, theils durch die Eurerseits noch immer fortdauernde Inaction mehr und mehr verloren gehet. Welches alles aber, nämlich diese Inaction, und dass alles so langsam tractiret wird, in denen gegenwärtigen besonders critiquen Umständen, worin wir uns jetzo befinden, gar unsere Sache nicht ist, da wir jetzo an denen Orten, wo wir etwas entrepreniren, mit grosser Activité und Vigueur agiren und nicht allemal so methodiquement als wohl sonsten verfahren müssen.

Diesemnächst gebe Ich Euch, auf obiges Projet wieder zu kommen, in Antwort, dass, was die Peenemünder Schanze angehet, wir solche ganz unumgänglich und absolument haben müssen und schon längst hätten Meister davon sein sollen, um dadurch die Peene frei zu haben und selbst in gewisser Maassen denen Schweden die weitere Passage nach Hinterpommern nicht offen zu lassen.

Aus dem Mecklenburgischen die dort stehende Truppen zurückziehen, gehet schlechterdinges auch nicht an, denn Ich absolument aus dem Mecklenburgischen Geld, Rekruten und Pferde haben muss,298-3 sonsten Ihr Mir hier Meine Sachen gänzlich verderbet. Daher Ich Euch dann auch bei dieser Gelegenheit nochmals auf das höchste recommandire<299> und selbst darum bitte, mit diesen Articuls nicht länger zu trainiren, sondern auch damit ein Ende zu machen.

Dass die Schweden durch mehrgedachtes Projet dahin gebracht werden könnten, dass sie Truppen aus Stralsund schicken, das will Ich wohl glauben, auch dass solche alsdenn geschlagen und zurückgejaget werden können; dieses aber werden vielleicht einige wenige tausend Mann seind, mit solchen aber alsdenn zugleich mit in Stralsund zu dringen, um davon Meister zu werden, solches sehe Ich als eine ohnmögliche Sache an.

Dahergegen halte Ich es vor ganz möglich, dass durch prompt zusammengebrachte Schiffe und darauf embarquirte Truppen Ihr eine Descente auf Rügen, den Feind daselbst verjagen und viel nützliches machen könnet. Der Feind hat nichts wie Cavallerie auf der Insel; wenn Ihr damit fertig seid und solche bei die Ohren gekriegt oder verjaget habet, alsdenn kann man sogleich einige wenige Schiffe nehmen und die Fahrten zu dem Hafen von Stralsund damit versenken und unschiffbar machen, da denn die Schweden weder Succurs noch Vivres mehr dahin einbringen können. Diese Operation recommandire Ich Euch also sehr, weil es jetzo noch die Zeit dazu ist; wenn Ihr es aber nicht thut und die Zeit verstreichen lasset, so werdet Ihr den Euch daraus entstehenden Embarras Selbst einsehen, wenn auf einer Seite die Schweden in Pommern den aus Schweden dahin destinirten Succurs von ohngefähr 8000 Mann in Zeit nach ohngefähr 2 Monaten bekommen, die Russen aber alsdenn zugleich von der andern Seite auf Euch andringen sollten, ehe Ihr dort aufgeräumet habt.

Was die Russen anbetrifft, da werden solche gewiss nicht vor kommendem Juni operiren, und wie es das Ansehen bis dato hat, eher nach Schlesien wie sonst wohin marschiren, daferne sie sonsten noch gar etwas mehreres entrepreniren, maassen Meinen Nachrichten nach das sogenannte Schuwalow'sche Corps299-1 sich noch nicht recht in Marsch gesetzet hat.

Friderich.

Nach dem Concept.



297-6 In einem Erlass an Lehwaldt, Breslau 8. März, bewilligt der König, dass 3000 Centner Pulver aus der Berliner Pulvermithle für die Festung Stettin geliefert werden. Der König fügt hinzu, er wolle nicht hoffen, dass Jemand dortiger Orten denken werde, „dass, so lange Ihr mit Eurem unterhabenden Corps d'armée in Pomment stehet, es eine Möglichkeit sein könne, dass Stettin vom Feinde belagert werde“ . — In einem Erlass vom 9. März gibt der König Bestimmungen über die Ablieferung der mecklenburgischen Contributionsgelder und sendet an Lehwaldt eine, nicht mehr vorliegende, Nachricht, aus welcher dieser ersehen werde, „wie gar leichte es practicable sei, die Fahrten nach Stralsund zu ruiniren, wenn es recht damit angefangen und prompt zu Werke gegangen wird“ .

298-1 Lehwaldt legte, in dem Bericht Greifswald 4. März, folgenden Plan zur Einnahme von Stralsund vor: Er wolle mit sämmtlichen Truppen bis Demmin sich zurückziehen und aussprengen, dass er gegen die Russen marschiren müsse. Wenn die Schweden alsdann aus Stralsund herauskämen, um Lebensmittel zu suchen, soll ein Theil der Preussen aus einem Hinterhalt hervorbrechen und versuchen, zugleich mit den Flüchtenden in Stralsund einzudringen. Allerdings müsse, um diesen Plan auszuführen, die Beschiessung von Peenemünde und die Einziehung der mecklenburgischen Contribution eingestellt werden.

298-2 Vergl. S. 281. 282.

298-3 Vergl. Nr. 9816.

299-1 Vergl. S. 304.