9844. AN DEN OBERST UND FLÜGELADJUTANTEN VON STUTTERHEIM.309-3
Breslau, 13. März 1758.
Den Einhalt Eures Mir von denen dortigen Sachen erstatteten Berichtes vom 8. dieses habe Ich zwar mit mehreren ersehen, kann Euch aber darauf in Antwort nicht verhalten, wie das, was Ihr darin von allen guten Absichten meldet, Mir keine Satisfaction giebet, da bisher alles nur in guten Worten und gegebener Hoffnung bestanden, aber davon noch wenig oder nichts realisiret ist und zu denen Sachen selbst nicht gethan, die schöne convenable Zeit dazu aber verloren worden und, wie es Mir scheinet, noch durch alles Trainiren verloren wird.309-4
Gleich im Monat Januarii und da der starke Frost, auch die kurze Distanz zwischen Stralsund und Rügen mit Eis beleget war, hättet Ihr von solchem guten Moment profitiren und erinnern, auch darauf pressiren sollen, dass man, sogleich und ohne einmal anzufragen, bei der schönen Gelegenheit über das Eis gegangen wäre und den Feind auf Rügen, ohne ihm einmal Zeit zu lassen sich zu recognosciren, attaquiret und brusquement weggejaget hätte. Das angeführete von ihm geschehene Aufeisen hätte dieses nicht behindert: man eiset nicht leicht eine Länge von etlichen Meilen auf, und durch gehörige Anstalten mit Brettern und Balken passiret man auch aufgeeisete Oerter, welches die Oesterreicher im vorigen Winter in der Lausnitz bei der aufgeeiseten Neisse gnugsam gewiesen haben.309-5
<310>Wann dieses geschehen wäre, so wäre jetzo dorten alles vorbei und die Schweden vielleicht dadurch schon gezwungen worden, den Frieden anzubieten. So aber gehet alles dorten so sehr langsam, dass nichts rechts zu Stande gebracht wird.
Ich muss Mich gleichergestalt über solches wegen der einzutreibenden mecklenburgischen Contributionen310-1 und anderen Lieferungen, die Mir doch höchst nöthig seind, beschweren; denn was seind 350,000 Reichsthaler in Abschlag à proportion von zwei Millionen, die entkommen sollen,310-2 da schon längstens über die Hälfte und weit mehr von letzterer Summe baar vorhanden und eingesandt sein müsste, wenn die Sache mit Activité und rechtem Emst durch nachdrückliche und scharfe Executiones betrieben worden wäre, und Ihr deshalb gehörig erinnert und getrieben hättet.
Von Rekruten kommen bis dato wenig hier,310-3 davon es doch die allerhöchste Zeit ist, und die hiehergeschickte 1761 Artillerie- und Proviantpferde seind so schlecht und ausgemergelt, dass man solche gar nicht gebrauchen kann, weil man Schindmähren von denen Bauerpferden dazu genommen, anstatt dass man zu solchen Pferden ramassirte und tüchtige Gespanne von denen dortigen Edelleuten nehmen und zusammenbringen lassen sollen.
Alles dieses giebt Mir wenig Satisfaction, und erinnere Ich Euch dannenhero, dass, da Ich Euch aus recht besonders gnädigem Vertrauen, um alles wohl zu betreiben und wegen Execution Meiner Ordres fleissig zu vigiliren, dahin gesandt, Ihr also auch activer sein und grosses Empressement desfalls haben und, wenn auch hier und da einige Misshelligkeiten seind, dennoch darauf treiben und bestehen sollet, dass Mein Dienst zuvorderst geschehen und Meine Ordres prompte und in allen Stücken executiret werden müssen. Ich erwarte dieses noch gewiss von Euch, ehe sonsten die dazu convenable Zeit vorbeistreichet.
Friderich.
Nach dem Concept.
309-3 Vergl. Nr. 9816.
309-4 In ähnlicher Weise beklagt sich der König in einem Cabinetserlass an Lehwaldt vom 13. März über die Verzögerung der Operationen gegen die Schweden. Er fügt an Lehwaldt hinzu: „Warum Ihr zu der vorhabenden Expedition gegen Rügen 18 schwere Geschütz gebrauchen wollet, solches begreife Ich nicht, da Meines Wissens nicht mehr als ohngefähr 3000 Mann an schwedischer Cavallerie auf Rügen seind, mit welchen Ich glaube, dass man auch ohne erwähnten grossen Appareil fertig werden wird.“
309-5 Vergl. Bd XIV, 304.
310-1 Vergl. S. 283. 298.
310-2 In einem folgenden Cabinetserlass an Lehwaldt, d. d. Kloster Gnissau 22. März, behehlt der König „wegen des dortigen generalen Contributionsquanti“ , „dass, wenn Ihr es damit anf eine Million Thaler bringen könnet, Ihr sehen sollet, zu aecordiren, dabei aber alle Domänen des Herzogs recht stark angezogen und von solchen genommen werden muss, was nur immer zu erhalten stehet.“
310-3 Vergl. S. 283. 298.