9892. AN DEN GENERALLIEUTENANT GRAF DOHNA.

Grussau, 4. April 1758.

Mein lieber Generallieutenant Graf zu Dohna. Da Mir von einem recht treu und wohl intentionirten Mann, der die Attention für Mich gehabt, einen sichern Expressen damit hieher zu schicken, die in Abschrift beigehende Anlage zugekommen ist, um Mich von dem dermaligen<353> Zustande in Preussen, auch von der ohngefährlichen Stärke derer russischen dort stehenden Truppen, deren Artillerie und der dortigen Magazins unter der Hand zu informiren, so lasse Ich Euch diese Nachricht dergestalt, wie sie Mir zugekommen, in Abschrift hierbei communiciren, damit Ihr Eure Information daraus nehmen und guten Gebrauch davon machen könnet.

Dabei Euch aber dennoch zur Direction dienet, wie der damit als Expresser angekommene Mann Mir auf Verlangen seines Committenten353-1 sagen müssen, dass, was die angegebene Zahl der Mannschaft von denen Regimentern anbetreffe,353-2 solche von letztern nur dergestalt angegeben worden, es aber noch sehr daran fehle, dass bis dato solche wirklich so stark sein solle: maassen er selber Gelegenheit genommen, einige im Vorbeimarschiren ohnvermerkt zu zählen und die Regimenter eins vor das andere viel schwächer, ja einige Cavallerie-Escadrons zu 30 à 36 Mann gefunden habe. Die Grenadierregimenter bestünden aus guter Mannschaft, die andern Regimenter aber aus schlechten Leuten, und was die Handgriffe mit dem Gewehr anlange, so ginge solches noch so ziemlich nach denen Tempos; sobald aber einige Schwenkungen gemachet werden sollten, so ginge es sehr schlecht und wäre alles unter einander. Die Mannschaft von der Cavallerie wäre an sich gut und robuste, ihre Pferde hergegen sehr klein und abgehungert, so dass alles, was ein Cavalleriste thun könne, dieses sei, dass er nur sein Pferd aus der Stelle und fort brächte. Die Cuirassiers hätten dorten in Preussen 1500 bis 2000 Pferde angekauft, aber nur taxiret und noch nicht bezahlen lassen, welches aber alles von dem kleinen Schlag Litthauer wäre, die kaum den Cuirassier mit seiner Rüstung tragen könnten. Von Petersburg sei zwar eine Anzahl Remonte von etlichen 100 Stück, so dorten die Garde zu Pferde abgeben müssen, angekommen, so ziemlich gross, aber dabei auch so entkräftet und abgehungert wären, dass solche wenig zu gebrauchen, allenfalls eine geraume Zeit Ruhe und gute Futterung würde haben müssen, um etwas wieder im Stande zu kommen. Was die Officiers, als Capitäns, Subalternen und dergleichen anlange, so wären solches fast durchgängig Russen, die hohen Officiers aber mehrentheils Deutschen. Auf ihre Artillerie verliessen sie sich am meisten, und besonders auf ihre Haubitzen, so von einer neuen Invention und besonders wegen Kartätschen sein sollten, wegen derer sie auch so jaloux wären, dass die Mündung vorne beständig mit einem Bleche bedecket und verschlossen gehalten würde, auch selbst ihre Officiers sich nicht selbigen auf 6 Schritte nähern dörften.

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Aus allem vorstehenden ist also zu urtheilen, dass, wenn die Russen sich vor etliche 30,000 Mann angeben, solche ohngefähr zu 28,000 stark sein können, mit welchen Ihr dann erforderlichen Falles noch wohl werdet zurechte kommen können. Ich bin Euer wohlaffectionirter König

Les contributions du Mecklembourg NB.! Faites prendre des otages, et menacez les baillifs du Duc de brûler et saccager, pour les forcer à payer promptement.354-1

Federic.

Nach der Ausfertigung ira Kriegsarchiv des Königl. Grossen Generalstabs zu Berlin. Der Zusatz eigenhändig.



353-1 Der Auftraggeber ist auch in der Anlage nicht genannt.

353-2 Das russische Heer in Ostpreussen sollte bestehen aus 32 Regimentern Infanterie zu je 800 Mann, 5 Regimentern Kürassiere zu je 500, 5 Regimentern Husaren zu je 600, 5 Regimentern Kosacken, 4 zu 800, 1 zu 400 Mann, einem Dragonerdetachement von 1000 Mann, 1500 Artilleristen für 194 Geschütze, d. h. im ganzen aus 37,200 Mann.

354-1 Vergl. S. 342