10462. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Dresden, 22. [October] 1758.
Eichel schreibt, dass vom Könige keine neuen Nachrichten eingetroffen seien.
Ich glaube, dass vielleicht die Conjonction derer Bataillons, mit welchen des Prinz Heinrich Hoheit zur Armee gestossen seind, die Ursache der Behinderung davon ist, wiewohl wir uns hier nunmehro auch alle Tage ganz importante Nachrichten vermuthen müssen, da, wie ich glaube, Ew. Excellenz letzthin schon gemeldet zu haben, die feindliche Armee von denen Bergen, worauf sie sonsten gestanden, nach der Affaire vom 14. dieses herunter in die Plaine und mit einem Flügel näher an Bautzen gerücket ist, so dass beide Armeen gar nahe an einander stehen und fast gar nicht zu zweifeln ist, dass nach geschehener Conjonction mit des Prinz Heinrich Hoheit es nicht bald zu einer decisiven Affaire kommen sollte; wozu uns dann der Allerhöchste Glück und Segen geben und insonderheit nur des Königs Person nebst der von Dero Herrn Bruders Hoheit bewahren und conserviren wolle.
Wegen der Kreiserarmee hat mir der Herr Generalmajor von Finck noch gestern geschrieben, wie der General Hadik bei Chemnitz, der General Ujházy in Zwickau, der Prinz von Zweibrück in Giesshübel und der grösseste Theil seiner unterhabenden Armee hinter Cotta stehe, es auch nicht scheine, als wenn solche Lust habe, das zu Gamig von dem Prinz Heinrich zurückgelassene Corps d'armée zu attaquiren, wowider inzwischen dieses auf seiner Hut und auf alle Fälle parat sei.
Es ist nur sehr zu wünschen, dass sich die Nachricht weiter confirmiren möge, welche mir gestern ein von dem Generallieutenant Graf Dohna angekommener und weiter an des Königs Majestät gegangener Feldjäger von der Retraite der russischen Armee aus Pommern über Callies nach Polen, von der aufgehobenen Belagerung von Colberg und von der Aussage eines Burgemeister aus Pyritz,1 so von denen Russen zurückgeschicket worden, mitgebracht hat, als welches alles Ew. Excellenz schon bekannt sein wird, und welches die Freude derer Feinde von Sr. Königl. Majestät über die Sache vom 14. dieses und über die Affaire in Hessen mit dem General Oberg2 sehr temperiren, auch denen Sachen, zumalen bei von Gott zu hoffenden neuen Successen Sr. Königl. Majestät wiederum eine ganz neue Face geben dörfte. Das letzte an Rexin ergangene chiffrirte Schreiben, das durch den Berliner Kaufmann Schickler an einen Correspondenten in Amsterdam zur Weiterbeförderung übersandt war,3 ist auf dem Comtoir in Amsterdam aus Versehen geöffnet worden. Eichel befindet sich darüber in Unruhe und räth, dass Schickler künftig einem anderen Correspondenten die Briefe zugehen lasse.
Eichel übersendet an Finckenstein eine chiffrirte Abschrift von Knyphausen's Bericht „au Roi seul“ vom 29. September4 und bittet, über den Inhalt vorläufig strengstes Geheimniss zu bewahren.
1 Georg Daniel Schmidt.
2 Vergl. S. 326.
3 Vergl. S. 241. 254. 255.
4 Vergl. S. 314.