10330. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Lager bei Schönfeld, 18. September 1758.

Ihr werdet von selbst erachten, wie sehr angenehm Mir die Nachrichten von der so ohnvermuthet gefassten vigoureusen Resolution der Pforte241-3 gewesen sein müssen, welche Ich aus Eurem Schreiben vom 15. Julii dieses Jahres, so Mir gestern hier richtig eingeliefert worden, ersehen habe. Nunmehro müsset Ihr alle Eure Kräfte und Savoir-faire anwenden, dass die Pforte in solcher vor ihr selbst interessanten Ge<242>sinnung verbleibe, auch dieselbe hiernächst realisire. Kann es in diesem Jahre wegen der so spät avancirten Saison nicht geschehen, so ist es schon gut, wenn es nur in dem kommenden Frühjahre gewiss geschiehet und die Pforte sich inzwischen dazu arrangiret. Könnet Ihr es zum wirklichen Bruch, es sei mit den Russen oder mit den Oesterreichern bringen, so müsset Ihr kein Geld sparen, wenn auch alles zu solchem Behuf verwandt werden sollte.

Wie Ihr aber leicht begreifen werdet, dass die Minister der Gegenpartie Himmel und Erden zu bewegen suchen werden, um den guten Vorsatz der Pforte, es sei durch Corruptiones oder andere Intriguen, zu hintertreiben und die Pforte wiederum einzuschläfern, mithin bei ihren durch den Krieg mit Mir und Meinen Alliirten schon sehr delabrirten Umständen, da sie ihre alte und beste Truppen bereits verloren und ihre Fonds mehrentheils epuisiret haben, den ihnen so sehr gefährlich seinden Coup abzuwenden, so müsset Ihr dagegen auf das sorgfältigste durch Eure Freunde arbeiten und Euer Geld adroitement employiren. Ich bin auch aus Engelland versichert worden, dass M. Porter mit Fonds und Credit versehen sei, um die Pforte in Bewegung zu bringen, der also hoffentlich Euch bestens secondiren wird. Cajoliret ihn also sehr und lasset es an nichts fehlen, um seine Freundschaft und Vertrauen zu erhalten, auf dass er Euch in Eurem Hauptbut bestens assistire.

Ich hoffe, dass Euch Meine Minister bereits die Relation242-1 von unserer letztern Bataille und Victoire über die grosse russische Armee zugesandt haben werden.242-2 Sie werden Euch auch nächstens eine Relation von Meiner jetzigen Campagne242-3 nebst einigen Reflexionen über die jetzige Situation der Sachen von Europa und denen vasten Absichten derer Oesterreicher und derer Russen zusenden.242-4 Die Oesterreicher sowohl als die Russen und der Hof zu Warschau haben sich dieses Jahr ein rechtes Fait daraus gemachet, auch die allergrobeste Lügen von vielen erhaltenen Avantages über Mich und Meine Truppen auszustreuen, um das Publicum damit zu betrügen. Ich habe solche schändliche Lügen meprisiret und bin Meinen geraden Weg fortgegangen. Seid gewiss versichert, dass nachstehendes Précis von Meiner Campagne die reine Wahrheit sei. Es ist an dem, dass ein Convoi, welchen Ich zur Belagerung von Olmütz aus Neisse kommen liess, um solche zu endigen, in den mährischen Gebirgen von den Oesterreichern theils aufgehoben, theils obligiret worden, wieder nach Neisse zurückzugehen. Dieses aber würde Mich nicht behindert haben, Olmütz zu nehmen, der Daun'schen Armee alsdenn auf dem Halse zu gehen, sie zur Bataille zu<243> zwingen, so sehr Daun auch solche zu evitiren suchte, und alsdenn bis nach Wien und in Ungern vorzudringen, wenn nicht zu eben der Zeit die russische Armee nach Meinen Grenzen der Neumark marschiret und in diese sowie auch in Pommern eingefallen wäre. Welches und da Ich keine genügsame Truppen dort hatte, um sich denen Russen und denen Schweden zugleich zu opponiren, Mich lediglich und allein obligirete, ohne dass die Oesterreicher das geringste dazu gethan hätten, die Belagerung von Olmütz aufzuheben und durch Böhmen zurückzumarschiren. Ich war im vorigen Jahre, nachdem Apraxin mit der russischen Armee aus Preussen zurückgelaufen war, genöthiget, Meine daselbst habende Armee heraus nach der Mark zu ziehen, um der überall auf Mich dringenden superieuren Macht derer Franzosen, Oesterreicher und Schweden um so mehr zu resistiren. Erstere beide wurden bei Rossbach und bei Breslau oder Lissa tüchtig geschlagen, die Schweden aber bis in Stralsund zurückgejaget. Die Russen, von denen Franzosen und Oesterreichern animiret, profitireten von der Gelegenheit, dass Ich gar keine Truppen in Preussen hatte, und occupireten solches, ohne dass ihnen die geringste Résistance geschehen konnte. Sie drungen darauf in das Polnische Preussen, ohne das geringste Ménagement vor die Republik Polen zu haben, jugen die polnischen Garnisons aus denen haltbaren Plätzen und wollten auch durchaus in Danzig Garnison legen, so ihnen aber wegen der Résistance des Magistrats bisher noch fehlgeschlagen. Ich fand also die ganze russische Armee 70,000 Mann stark schon bei Küstrin in der vortheilhaftesten Position wegen der Moräste und Wälder, auch übrigen Terrains; dem ohnerachtet Ich solcher mit einem Corps von ohngefähr 40,000 Mann gerade auf den Hals ging und solche, gottlob! complet schlug. Ihr könnet sicher glauben, dass da Meine Leute ihnen anfänglich gar kein Qnartier gegeben, über 30,000 Mann von ihnen todt auf dem Platz liegen geblieben und von Meinen Bauren begraben worden, diejenigen nicht zu rechnen, so auf der Flucht in denen Morästen ersticket sein, und dass sie über 1100 todte und blessirte Officiers haben, ohne die Gefangene, so wir von ihnen gemacht, die sich auch an 3000 belaufen, und 106 von ihnen eroberte Canons seind in Küstrin von jedermann zu sehen. Es ist gewiss, dass gedachte 70,000 Russen die Elite von ihrer Armee gewesen, die dadurch fast ganz ruiniret ist. Ich würde auch das übrige von ihrer Armee völlig detruiret und vielleicht gefangen bekommen haben, daferne nicht Daun mit der österreichischen Armee unterdessen in der Lausnitz und in Sachsen eingerücket wäre und Miene gemachet, mit der ganzen Force nach der Churmark und nach Berlin zu marschiren; daher Ich denn sogleich wieder zu Meiner hiesigen Armee zurückgegangen bin und gegen den übrigen Theil der russischen Armee den Generallieutenant Dohna mit einem Corps stehen lassen, um die Russen völlig aus der Neumark weg und vorerst zurück nach Polen zu treiben, wohin diese sich auch schon zurückziehen. Hier aber habe Ich<244> Daunen mit seiner Armee zurück gegen die böhmische Grenzen gedränget, der sich sehr hütet, dass es nicht zu einer decisiven Affaire komme, und indess ein Avantcorps unter dem General Laudon vor sich stehen lassen, welches Ich aber vor drei Tagen attaquiren und es bis in das Lager von Daun culbutiren lassen;244-1 und da Ich dem Daun alle Subsistance von vorne, coupire, so wird er sich binnen kurzer Zeit entweder zu einer Bataille, oder aber, wie es scheinet, nach Böhmen zurückzugehen resolviren müssen.

Und dieses ist bis dato die hiesige Situation. Machet allen guten Gebrauch davon und lasset Euch von keine österreichsche Fanfaronnaden irre machen; seid vielmehr gewiss, dass die Sache dererselben und ihre Armee von Tag zu Tag schlechter werden. Eure Treue und gute Dienste werde Ich gewiss als Euer gnädiger König erkennen, wenn zumalen Ihr den Bruch der Pforte zu Stande bringet.244-2

Meine Minister haben Ordre, Euch von Zeit zu Zeit über Amsterdam alles, was weiter passiren wird, zu schreiben. Die Franzosen seind sehr herunter, nachdem sie von dem Prinz Ferdinand von Braunschweig und der hannoverschen Armee bei Crefeld tüchtig geschlagen worden,244-3 und die Engelländer ihnen in Amerika Cap Breton genommen haben.

Nach dem Concept.



241-3 Vergl. Nr. 10329.

242-1 Nr. 10243.

242-2 In einem Schreiben an Eichel, Konstantinopel 15. Juli, hatte Rexin gebeten, ihm „um des Himmels willen die wichtigsten Neuigkeiten“ baldigst anzuzeigen, da die Gesandten der Gegenpartei „nichts als Unwahrheiten und uns nachtheilige Sachen“ der Ottomanischen Pforte berichteten.

242-3 Nr. 10133. 10232.

242-4 Vergl. S. 255. Anm. 3.

244-1 Vergl. Nr. 10323.

244-2 Das Scbreiben ging an Rexin in Chiffern ab, ohne dass der König seinen Namen unterzeichnete.

244-3 Vergl. S. 118.