10540. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Dresden, 16. November 1758.
Eichel meldet über seine in Gemeinschaft mit Mitchell geplante Abreise nach Berlin: 377-4
Da man allhier einen zu starken Train, so uns accompagniren sollte, formiren wollte und dazu einige Tage mehr erfordert wurden, inzwischen der General Hadik sich auch mit seinem Corps auf unserm Wege zu Nossen setzete und auf Lommatzsch, wenige Meilen von Torgau, detachiret hatte, der Generalmajor Finck auch bei Annäherung der Daun'schen Armee, so bei Sonnenstein die Schiffbrücke passirete, die Resolution fassete, auf dieser Seite der Elbe mit seinem Corps zu marschiren und sich vor hiesige Neustadt zu campiren,377-5 um, wenn der Generalmajor Wedell oder auch Graf Dohna noch käme, mehr à portée zu sein, sich mit solchen zu conjungiren oder denen Umständen nach ihnen gar entgegen zu marschiren, so zerschlug sich unsere Reise dadurch gänzlich, und als gleich darauf der Feldmarschall Daun mit<378> der bei sich habenden Armee gerade gegen Dresden marschirete und sich zunächst denen Vorstädten, von dem hiesigen königlichen sogenannten Grossen Garten und so längst der Altstadt Dresden campirete, als mussten wir uns, so zu sagen, mit einsperren lassen und das Évènement von allem abwarten, weil auf der Seite der Neustadt nicht anders durchzukommen war, als durch einen Maisch des Generalmajor von Finck gegen Grossenhain, der aber, wenn er wirklich geschehen wäre, die Stadt Dresden sehr exponiret haben dörfte.
Der Feldmarschall Daun machte bald nach seiner Ankunft die Anstalten, die Vorstädte von der Altstadt Dresden zu occupiren und die von dem General Schmettau darin postirete Truppen zu delogiren, womit er auch wirklich einen, obschon fruchtlosen Versuch that, in der Absicht, dass, weil seiner Meinung nach der General Schmettau sich nicht unternehmen würde, die Vorstädte abbrennen zu lassen, die Oesterreicher sich in solchen so würden nichiren können, dass der General Schmettau sich mit der Garnison würde herausziehen müssen oder doch eine schlechte Defension machen können. Nachdem aber diese Absicht dadurch vereitelt wurde, dass dieser ohne weiteren Anstand die Vorstädte, so weit solche denen Wällen der Stadt zu nahe lagen, abbrennen liess und sich dadurch zur Defension Luft machete, so gerieth dadurch der Feldmarschall Daun [sowohl], als der junge Hof allhier (welcher, en passant zu sagen, sich in dieser Gelegenheit nicht so sage wie sonst aufgeführet hat) [dergestalt in Erregung]378-1, dass ersterer den General Schmettau durch einen hereingeschickten Expressen darüber constituiren und sogar menaciren lassen wollte.
Was deshalb passiret ist, werden Ew. Excellenz aus der Anlage,378-2 so mir nurgedachter General zugestellet hat, zu ersehen geruhen. Da kein Zweifel ist, es werden die feindlichen Höfe über die Abbrennung dieser Vorstädte ein grosses Geschrei machen, so habe ich vor mich noch einige Anmerkungen, bloss zu Ew. Excellenz Nachricht und Information hinzugefüget, da der General Schmettau sich etwas kurz exprimiret hat, zweifele auch [nicht], derselbe sowohl als des Herrn von Borcke Excellenz werden noch ein mehreres davon gemeldet haben.
Nachdem auch ehegestern ein Schreiben an den Generalmajor von Schmettau von des Königs Majestät eingelaufen ist, nach welchem er wegen des Évènements mit Neisse hier ein solennes Te Deum celebriren sollte,378-3 so ist solches gestern, als an dem Namenstage des Marschall Leopold Daun, geschehen und dessen Fête durch die nach seinem Lager scharf geladene Canons zugleich celebriret worden; da denn der österreichsche gemeine Mann wegen der ansehnlichen Artillerie in der Stadt und dem Feuer der nombreusen Garnison, von welchen beiden man ihnen ganz was anders einbilden wollen, sehr decontenanciret worden. Wann auch zugleich dem Feinde die Nachricht von Sr. Königl. Majestät<379> Annäherung gegen Görlitz und von der echouirten Entreprise auf Torgau, so Hadik mit seinem Corps von 6 bis 8000 Mann unternehmen wollen, [so aber] durch die Bravour des dortigen Commandanten379-1 und des à point nommé dazugekommenen Generalmajor von Wedell fruchtlos gemachet worden, desgleichen die Nachricht von dem Marsche des Generallieutenant Dohna und Generalmajor Wedell von Torgau auf Eilenburg hierzu gekommen ist, so hat darauf der Feldmarschall Daun sogleich die Partie genommen, da er seine grosse Concepte, Sachsen durch Wegnehmung derer Städte Dresden, Leipzig und Torgau [zu gewinnen], auf einmal vereitelt gesehen, sich mit seiner Armee heute früh von Dresden weg und gegen Pirna zu ziehen, so dass nach einstimmiger Aussage derer heute häufig kommenden Deserteurs er sich nach Böhmen ziehen und sein Hauptquartier zu Leitmeritz nehmen will, wovon jedoch noch nichts mit völliger Zuverlässigkeit zu melden, vielmehr noch zu erwarten stehet, ob er sich nicht etwa von Sonnenstein über die Schiffbrücke gegen Bautzen lenke, um dort die Passage zu difficultiren, wogegen aber auch Rath sein wird. Hiesigerseits ist man im Begriff, wo möglich ihm noch in die Arrieregarde zu fallen.
Das österreichische Corps von ungefähr 6000 Mann Kavallerie und Husaren, das in der Lausitz gestanden, habe seinen Weg nach Pirna genommen, um sich gleichfalls nach Böhmen zu ziehen.
Mit der von denen Oesterreichern selbst so benannten Armée empirique wird es keinen Anstand haben, dass solche auf Annäherung von Dohna sich nicht wieder zurückziehen solle, so dass man hoffen kann, dass ganz Sachsen bald seiner zu dessen ohnsäglichem Schaden gebetenen Gäste degagiret sein dörfte und man allhier gleichfalls wie in Schlesien wird sagen können, dass bloss Sr. Königl. Majestät Annäherung die feindliche Gewölke, wie die Sonne die aufsteigende Nebel und Wolken, dissolvire und ecartire. Mein sehnlicher Wunsch bleibet bei dem allen, dass alle diese gute Évènements und Marques, so wir von der Providence erhalten, dass solche uns noch nicht gänzlich fallen lassen wolle, zu einem baldigen guten und honorablen Frieden ausschlagen und führen mögen379-2 . . .
Eichel.
Den 8. November379-3 erhielte der bestellete Gouverneur zu Dresden Nachricht vom Anmarsch der kaiserlichen und Reichsarmee, wie auch dass der Feldmarschall Daun solche commandire; liess also durch den Herrn Oberschenke von Bose dem Hof zu Dresden ansagen, wie | Die Ankündigung von der ohnumgänglich nothwendigen Abbren | |
er genöthiget sein würde, die Vorstädte bei Anrückung der feindlichen Armee abbrennen zu lassen; worauf der Hof erwiderte, er müsse sich solches gefallen lassen. Die feindliche Avantgarde attaquirte bereits selbigen Tag die Freibataillons und Husaren vor dem Grossen Garten. Den 9. liess der Gouverneur den Magistrat vorfordern und gab ihm gleichfalls zu erkennen, dass die Vorstädte bei feindlicher Annäherung abgebrannt werden müssten, und könne solches niemand als der Dresdener Hof verhindern. Den 9. war der Herr Obrister von Itzenplitz aus der Stadt commandiret mit 700 Mann, zu deren Soutien noch in der Nacht zwei Bataillons herausgeschicket wurden. Der Feind rückte um Mittag mit seiner Armee gleich hinter den Grossen Garten, dessen Avantgarde poussirte die Freibataillons und Husaren bis in die Vorstädte, attaquirte auch hierauf die Infanterie, in 700 Mann bestehend, und geriethen bis in die Barrière, den Rampischen und Pirnaischen Schlag genannt, wurden aber wieder repoussiret. Der Feind feuerte mit Kartätschen und that etliche Schüsse mit Kanonen in die Stadt, worauf den 10. gegen Tages das Feuer angeleget, und ein guter Theil der Vorstädte durch den Generalmajor von Mayr, so den Befehl dazu hatte, angestecket worden. Des Mittags meldete sich der Obrister von Zawoisky, welcher mit einem Trompeter von dem Feldmarschall Daun abgeschicket war, mit dem Antrag, wie den Feldmarschall sehr befremdete, dass nung derer Vorstädte auf den Fall einer feindlichen Attaque ist schon dem hiesigen Hofe sowohl als dem hiesigen Magistrat einige Monate vorher und nachher zum oftern geschehen; da denn letzterer nicht nur solches verbitten, auch sich deshalb an den hiesigen Landesconvent adressiren wollen, der auch per Deputatos dem Etatsminister von Borcke Vorstellung thun lassen, von demselben dahin aber beschieden worden, wie es lediglich von dem hiesigen Hofe dependiren werde, solches zu verhindern, wenn er mit der österreichschen Généralité conveniren werde, dass solche die hiesige Residenz menagire und nicht feindlich angriffe. Als den 8. der hiesige junge Hof den Generallieutenant Schmettau durch den Oberschenk von Bosen beschicken und wegen der Vorstädte sprechen lassen, ist diesem alle behörige Remonstration darüber geschehen und ihm gesaget worden, dass, wenn hiesiger Hof die österreichsche Généralité dahin disponiren werde, dass der Feldmarschall Daun nicht von der Seite der Vorstädte die Stadt zu attaquiren seine Parole d'honneur von sich geben würde, man sodann solcher gänzlich schonen werde, ausserdem aber raison de guerre sowohl als die Ordres, bis auf den letzten Mann den in Dresden anvertrauten Posten zu defendiren, die Abbrennung der der Defension so nachtheilig und fast dicht am Wall belegenen Vorstädte nothwendig erfordere. Worauf der von Bose geantwortet, dass der hiesige Hof sich von dergleichen nicht mehren könne, noch würde. | ||
man hiesigerseits die Vorstädte angestecket, solches wäre gegen alle christliche Gebräuche, bei einer Residenz die Vorstädte anzuzünden, der Gouverneur würde es zu verantworten haben. Worauf geantwortet, dass der Herr Feldmarschall die Kriegesregul gar zu gut wisse, dass wenn ein Feind den Vorstädten nahe und sich der Stadt bemeistern könne und wolle, man seine eigne Vorstädte verbrennet; folglich gebe sich die Ordre von selbst, da Ihro Königl. Majestät mir anbefohlen, die Stadt bis auf den letzten Mann zu defendiren. Der Obrister replicirete, dass der Feldmarschall hoffe, der Gouverneur werde die Stadt menagiren und nicht auf dergleichen Art damit verfahren. Der Herr Gouverneur erwiderte, solches dependire von des Herrn Feldmarschall Excellence, indem, wenn Breschen sollten gemachet werden und auch erstiegen, er eine Strasse nach der andern defendiren würde und zuletzt das Schloss. | Es ist in gegenwärtigem Fall hier nicht die Frage von einer offenen Residenz, sondern von einer Festung gewesen, die der Feind durch öffentliche Gewalt attaquiren und sich der vielen grossen und massiven Häuser, so bekannter Maassen in diesen Vorstädten befindlich waren, und aus welchen man alles auf dem Wall und in der Stadt aus den Fenstern und durch sonst darin angebrachte Batterien todtschiessen können, dazu bedienen wollen; wegen derer also sowohl raison de guerre als die bei Verlust von Kopf und Ehre anvertrauete Defension indispensablement erforderten, dass solche durch Abbrennung weggeschaffet würden, sowie solches bekannter Maassen bei allen zur Belagerung eingeschlossenen festen Plätzen, auch selbst von denen, welchen sie eigenbehörig seind, geschiehet und geschehen muss. Zwar will verlauten, der Herr Generalfeldmarschall von Daun habe sagen wollen, wie seine Intention nicht gewesen, die Stadt attaquiren, noch sich von denen Vorstädten empariren zu wollen. Ausser dem aber, dass ein Gouverneur, der einen Platz zu defendiren hat, nicht wohl dergleichen Intention deviniren kann, wenn er alle Demonstrationes dagegen siehet, so beweisen wohl die in der Note angeführete Umstände von der wirklich geschehenen Attaque und denen auf verschiedene Häuser in der Stadt selbst geschehenen Kanonschüssen, dass solches, wenn des Herrn Grafen Daun Excellenz sich dergleichen entfallen lassen, eine protestatio factis contraria gewesen wäre. |
Nach der Ausfertigung.
<382>377-4 Vergl. S. 360.
377-5 Vergl. S. 348. Anm. 5.
378-1 In der Vorlage fehlend.
378-2 Siehe unten.
378-3 Vergl. auch Nr. 10499.
379-1 Oberst von Grollmann.
379-2 Vergl. S. 344. Anm. 3.
379-3 Die linke Spalte enthält die von Schmettau ausgegangene Darstellung, die rechte die Zusätze von Eichel.