10557. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.
Dresden, 21. November 1758.
Eichel bestätigt den Empfang von Unterschriftssachen und von Druck-Exemplaren des Journals der Belagerung von Colberg,392-1 die er an den König abgeliefert hat.
Höchstdieselbe seind gestern Vormittag allhier gottlob! gesund und wohl eingetroffen und über die bisherige Évènements ganz vergnügt zu sein geschienen, insonderheit seind Dieselbe über die Nachrichten von dem völligen Ausmarsch derer Russen aus Dero pommerschen Landen besonders erfreuet gewesen und wünschen sehr wegen Driesen bald ein gleiches zu vernehmen.
Auf Höchstderoselben Befehl soll ich auch an Ew. Excellenz den Schluss des Journals von der heurigen Campagne392-2 zusenden, damit Dieselbe solche[n] denen auswärtigen Herren Ministern communiciren,392-3 als auch sonsten durch den Druck weiter bekannt machen lassen möchten;392-4 welches ich dann vermittelst anhegenden Exemplars gehorsamst bewerkstelligen und Ew. Excellenz überlassen wollen, ob Dieselbe etwa vor gut finden, dem bewussten cyprianischen Kaufmann392-5 ein oder zwei Exemplaria davon mit sicherer Gelegenheit zukommen zu lassen.
Die österreichischen Truppen haben sich weiter durch das Gebirge nach Böhmen gezogen.
Die sogenannte Armée empirique ziehet sich auch mehr und mehr auf Chemnitz und nach dem Gebirge zurück, allwo aber selbige ihre Ruhe nicht finden dörfte, da sie sowohl von hier aus als auch durch den auf sie immer vorrückenden General Dohna pressiret wird. Die guten Sachsen empfinden übrigens sehr traurige Effecte von ihren sogenannten Helfern und Errettern,392-6 da die Daun'sche Armee alles, was sie auf ihrem Rückmarsch zwischen Dresden und Cotta an Dörfern gefunden, reine ausgeplündert und das wenige, so die armen Leute noch<393> an Getreide und Heu p. übrig gehabt, auf russischen Fuss gänzlich ruiniret und verderbet hat.
Weilen aber auch währender Zeit, da die Daun'sche Armee noch vor Dresden gestanden, verschiedene von denen Herrn Ministern allhier und von dem hiesigen Hofe unbedachtsamer Weise ihren übelen Willen weit mehr als vorhin eclatiren lassen, so haben dieselbe sich dadurch zugezogen, dass der Generallieutenant Graf Schmettau ihnen heute von Sr. Königl. Majestät wegen aufgeben müssen, sich binnen drei Tage von hier nach Warschau zu begeben, wobei es auch sein ohnveränderliches Verbleiben haben wird. Ich hoffe Ew. Excellenz nächstens die Liste 393-1 von solchen zusenden zu können, unter welchen sich auch der churbairische Gesandte mit befindet, welcher aber zugleich allhier die Stelle als Hofmarschall mit bekleidet hat, und dem exprès dabei mit declariret worden, wie ihm das Consilium abeundi ganz nicht als churbairischem Gesandten, sondern als hiesigem Hofmarschall gegeben werde, ihm auch daher die Freiheit bliebe, nach Warschau oder nach München zu gehen.
Ich habe Ew. Excellenz von diesem Vorfall nur einiges Avertissement geben wollen, im Fall etwa Dero Orten davon gesprochen würde.
Eichel übersendet die vom Könige vollzogenen Pleinpouvoirs für Knyphausen und Michell.393-2
Das sonsten noch beikommende königliche Schreiben393-3 betrifft eine Sache, die ich schon längsten sehnlich gewünschet, obschon lieber gesehen hätte, wenn es in Berlin geschehen können. Wenn Ew. Excellenz mich sonsten auch dieserwegen mit einigen Befehlen allhier beehren werden wollen, so werde mich auch davon, wie allemal, mit den grössesten Freuden acquittiren. Zu Deroselben gnädigem Wohlwollen ich mich übrigens unterthänigst empfehle.
Eichel.
P. S.
Dass des Königs Majestät vor dieses Mal393-4 Dero Quartier allhier auf dem königlichen Schlosse in denen Kammern des Königs von Polen genommen haben, wird bereits dorten bekannt sein.
Nach der Ausfertigung.
<394>392-1 Vergl. S. 36g.
392-2 Nr. 10558.
392-3 Die Relation wurde am 25. an Viereck gesandt, schon am 24. an Knyphausen und Michell.
392-4 Die Relation ist u. a. gedruckt in den Berlinischen „Nachrichten“ von Sonnabend 25. November (Nr. 141). (In den Danziger „Beyträgen“ ausnahmsweise nicht abgedruckt.)
392-5 Wohl ein Agent, der den Verkehr mit Rexin in Konstantinopel unterhielt; wenn nicht Rexin selbst gemeint ist.
392-6 Vergl. S. 263. 279. 335.
393-1 Liegt nicht vor. Benoît berichtet, Warschau 16. December: „Les ministres de Saxe sont attendus aujourd'hui à Varsovie. Le roi de Pologne a ri à se tenir les côtés, lorsqu'il s'est représenté l'arrivée, de ces grandes perruques, ainsi qu'il les appelle, et lorsqu'il s'est figuré l'air embarrassé qu'ils devaient avoir dans ces circonstances. Il y a plusieurs pareils traits de l'indifférence de ce Prince pour tout ce qui peut arriver.“
393-2 Da der König im vorangehenden Schreiben diese Vollmachten zur Unterschrift einfordert und sie hier bereits zurückgesandt werden, so werden sie am 21. in der Zwischenzeit in Dresden eingetroffen und in Berlin bereits auf einen am 18. November gegebenen Rath Eicbel's aufgesetzt sein.
393-3 Nr. 10556. S. 392.
393-4 Im Winter 1756 auf 1757 hatte der König in dem Hause des Grafen Brühl gewohnt. Vergl. Bd. XIV, 408; XVI, 32.