11884. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Freiberg, 2. März 1760.

[Eichel bezieht sich auf das königliche Schreiben vom 29. Februar (Nr. 11879).]

Da ich gestern wegen dieser Angelegenheit149-4 mit M. Mitchell auf allergnädigsten Befehl sprechen müssen, um mit M. Keith das nöthige hierunter reguliren und ihn instruiren zu können, so ist bei solcher Gelegenheit in Consideration gekommen, wie 10 man keine gute Ursache absehe, warum der von P[echlin] seine Tour über Dänemark und Schweden nehmen wolle, welches eine Zeit von etlichen Wochen absorbiren werde, die doch in gegenwärtigen Umständen sehr pressire, indem des Königs Majestät wegen Dero anderen Negociationen und insonderheit der, davon ohnlängst Ew. Excellenz die sehr weitläuftige Dépêche ohndechiffriret zugesandt,149-5 wissen müssten, was Sie Sich wegen der Negociation des von P[echlin] zu versehen hätten oder nicht, es auch natürlich wäre, dass, wenn die erstere Negociation nach der Hoffnung, so der p. von R[exin] davon gegeben, binnen kurzem reussiren sollte,<150> des Königs Majestät alsdenn die von P[echlin] fallen lassen müssten, um Sich nicht bei einem dubiösen Ausgange von dieser zwischen zwei Stühle niederzusetzen.

M. Mitchell seind also mit mir conveniret, Ew. Excellenz anheimzustellen, ob es nicht nöthig sein dörfte, entweder in der dem von P[echlin] zu ertheilenden Instruction selbst diesem aufzugeben oder auch durch den Baron von B[ielfeld] demselben die Auflage thun zu lassen, dass er von obgedachter weiter und ohnnöthiger Détour abstrahiren, vielmehr gleich von Lübeck aus mit dem gewöhnlichen Paquetoder Transportschiffe seine Passage machen könne, welches auch mit ihm als einem grossherzoglichen Unterthanen, der ohnedem an dem quästionirten Orte davor schon bekannt sei, und der sich gleich im Holsteinschen mit den etwa nöthig habenden Pässen versehen könne, gar keine Schwierigkeit haben würde.

2° Scheinet nach des Baron B[ielfeld] Schreiben, als ob der von P[echlin] mit dem ansehnlichen Reise- oder ersteren Gelde, so er bekommet, an dem Orte quaestionis den Grandseigneur tranchiren zu wollen. M. Mitchell ist mit mir der Meinung, dass, wenn derselbe sich dorten mit grossem Éclat werde produciren und über seinen Stand und sonst habende eigene Facultäten werde figuriren wollen, er sein Secret gleich trahiren und gegen sich Verdacht geben, auch dadurch seine Sache verderben werde. Diese Insinuation hat keine sparsame Oeconomie wegen der 4000 Ducaten zu Grunde, diese sacrificiren des Königs Majestät ihm einmal und fordern keine Berechnung deshalb. Die Vernunft aber dictiret von selbst, dass ein frühzeitiger Eclat die Sache, wo nicht verderben, doch auch nicht befördern werde, und dass es allemal dem Wohlstande als der Politique gemässer sei, in solchen Commissionen keine andere Figur zu machen, als die seinem bisherigen Charakter und eigenen habenden Vermögen, so ohnedem loco quaestionis von vorigen Zeiten schon bekannt sein muss, conveniret. Es wird also auch von Ew. Excellenz dependiren, ob Dieselbe durch den Baron von B[ielfeld] gehörigen Ortes das erforderliche insinuiren oder der Instruction etwas mit einfliessen lassen wollen.

3° Findet M. Mitchell besonders nöthig, dass der von P[echlin] loco quaestionisevitire, öfters sich bei dem englischen Gesandten zu halten, eine besondere Bekanntschaft mit ihm zu affectiren und grosse Liaisons zu haben. Ausser dass in dem B[ielfeldschen] Brief selbst observiret worden, wie gedachter Minister dorten suspect sei und observiret werde, so würde ein öffentlicher Umgang mit demselben letzteren ausser Stande setzen, des ersteren secrète Negociation seines Ortes und gleichsam vor sich zu secondiren. Daher er alle öffentliche Liaisons mit gedachtem Minister, bevor die Negociation nicht decidiret ist, zu vermeiden und gegen denselben ein Dehors von Indifférence zu marquiren haben würde.

4° Würde [man] nach M. Mitchell seiner Meinung dem Delegando mit zu erinnern haben, dass er der Klugheit halber sich nicht in öffentlichen Gesellschaften als einen eifrigen Preussen überall bezeige, sondern, nachdem es die Umstände erforderten, ihm vielmehr frei bliebe, sich auf eine gewisse Façon zu expliciren, die sein gutes preussisches Herz masquire, kurz, in Öffentlichen Gesellschaften, wo ohnedem die Jasements nichts decidireten, unter den Wölfen, wenn es nöthig wäre, einmal mit zu heulen.

5° Weil M. Mitchell gleich jetzo an einer Instruction vor den von Keith arbeiten, so wünschen Dieselbe nur allererst, wann der seine Instruction seines, Ew. Excellenz aber die Ihrige Dero Ortes abgeschicket haben werden, einen Extract bei mir von letzterer lesen zu können, weil er wünschet, in allen en égard seiner Instruction mit jener égal zu sein, und wenn also seiner Instruction noch etwas beizufügen oder anderweitig zu declariren wäre, solches alsdenn noch nachschreiben zu können. Ew. Excellenz muss alles dieses zur weiteren Einsicht und beliebigen Disposition überlassen und nur noch dieses vor mich noch beifügen, dass, weil des Königs Majestät sehr pressiret seind, diese Negociation en train gesetzet zu sehen, um von deren Succès zu urtheilen, also Dieselbe nicht gedachte Instruction zu Dero Unterschrift, noch weniger Anfragen deshalb erwarten, sondern Dero mir bekannte Intention ist, dass Ew. Excellenz das subjectum quaestionis nur vor Sich instruiren und<151> alsdenn die Instruction unter Dero Unterschrift dem Delegando zustellen lassen sollen. Ausser dass die ganze Correspondance mit ihm doch zum Theil mit par entremise von M. Keith wird unterhalten werden müssen, so off[erirt] M. Mitchell seinen Chiffre mit letzterem, um ihm allemal ein Double von den an den Delegando151-1 zu erlassenden Depechen zuzuschicken.

Ich habe sonsten M. Mitchell noch von des Königs wegen über zwei Articles ersuchen müssen, nämlich M. von Keith zu ersuchen, zu invigiliren, wie der Delegatus sich nehmen wird, und davon von Zeit zu Zeit anher zu schreiben, und dann, da der von Keith den cordon de la bourse in der Hand behält, nicht zuzugeben, dass der Delegatus sich amusire und dupiren lassen, an mediocre oder schlechte Leute, als kleine Secretärs, Commis, Kammermädchen oder Kammerdiener pp., grosse Largesses thun zu wollen, sondern, dass die grossen Summen den rechten Fleck treffen, jedoch aber auch da nicht anders als ric à ric, nämlich zwar versprochen und versichert, aber nicht eher baar lachiret werden, bis die dagegen versprochene Condition erfüllet worden sei, ut omnia bona fide, juste ac decenter fiant.151-2

Ich weiss nichts mehr hier zu[zu]fügen, als nur allein Ew. Excellenz Wohlwollen mich mit meinem gewöhnlichen Respect zu empfehlen.

Eichel.151-3

Nach der Ausfertigung.



149-4 Der Entsendung des Obersten von Pechlin nach Petersburg (vergl. S. 146).

149-5 Gemeint ist der Bericht Rexins vom 24. December 1759. Vergl. Nr. 11859 und Nr. 11863.

151-1 So.

151-2 Die Instruction für Pechlin, welche von Finckenstein mit Berücksichtigung der von Eichel in obigem Schreiben geltend gemachten Punkte aufgesetzt wurde, ist datirt Berlin 6. März. (Rep. 98. 77. H.)

151-3 Am 6. März schreibt Mitchell an Keith (most secret): „As the King of Prussia's intention is not to throw away this very large sum in bribing of low and insignificant people, you will refuse your concurrence, if Pechlin should adopt a plan of this sort, but if you think that the court of Russia can be really gained and effectually reconciled, His Prussian Majesty at present seems Willing to bestow the whole sum. In return for this mark of confidence on the part of His Prussian Majesty it is expected that you will be particularly attentive to all the motions and operations of M. Pechlin and that you will Write freely and frequently your opinion as to his conduct and capacity.“ [London. British Musem.]