11952. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.
Freiberg, 29. März 1760, Mittags um 11 Uhr.
Ich komme den Moment von des Königs Majestät, die mich sehr pressiret haben, an Ew. Excellenz sonder Versäumung einer Minute von Höchstderoselben wegen durch einen expressen Courier zu schreiben, wie Ew. Excellenz alsofort ein in gewöhnlich[er] Form ausgefertigtes Schreiben an den Grosssultan und eins dergleichen an den Grossvezier nach Konstantinopel mit denen gewöhnlichen Curialien ausfertigen lassen möchten, des ohngefährlichen Einhaltes, dass nach denen gewöhnlichen Complimenten jedem von ihnen von Sr. Königl. Majestät die Versicherung gegeben werde, dass der von Deroselben durch Dero Feinde ausgesprengte Bruit von einem schon bestimmeten Friedenscongress und einem wirklichen Friedensschluss falsch und ohne Grund wäre, Sie auch zu solchen noch nicht schreiten, auch den mit der Pforte zu schliessenden Tractat auf das heiligste observiren wollten. Es pressiren Se. Königl. Majestät aber beide Schreiben dergestalt, dass Sie solche in drei Tagen höchstens ganz fertig und gesiegelt von Ew. Excellenz, und also noch vor Ende dieses Monates, hier haben wollen, welches Sie mir nicht genug recommandiren und einbinden können.
Die Gelegenheit dazu hat eine unter dem 1. Februarii210-1 von dem Rexin durch drei Wegen hieher abgefertigte Dépêche gegeben, davon aber nur eine allererst über Warschau hieher angekommen und noch kaum zur Hälfte dechiffriret ist. Nach solcher ist die Pforte nach gehaltenem grossen Divan entschlossen, mit des Königs Majestät den Allianztractat zu schliessen und mit denen Feinden des Königs sogleich zu brechen. Mir schreibet der Rexin nur so viel in kurzen und ipsissimis verdis: „Ich bin gottlob so weit gekommen, dass nur unterschreiben darf; dem Sultan gefällt der Tractat, und er hat in allen Stücken approbiret. Es kommt nur lediglich auf die baldige Retour des Couriers an, um der Pforte die verlangete Briefe einzureichen. Bitte also, damit keinen Augenblick Zeit zu verlieren. Gott gebe, dass der König noch keinen Friedensschluss gezeichnet, sonsten die Türken sehr degoutiret werden dörften. Sie brennen recht vor Verlangen und werden die Tage zählen, bis der Courier zurückkommt. Portern habe auf expressen Befehl des Grossveziers nichts davon anzeigen dörfen, denn dieser wegen vieler hierin von dem Porter begangenen Duplicité ausserordentlich über ihn erzürnet ist.“
In seiner Relation an den König meldet er, dass, als es auf den Point gestanden, dass der Tractat réciproquement gezeichnet werden sollen, so sei der gewöhnliche Courier mit den ordinären Postbriefen bei Schwachheim210-2 und mit denselben die Zeitung [angekommen], wie der<211> König im Friedensschluss begriffen und zu dem Ende ein Congress im Haag bestimmet worden; die Franzosen hätten sonderlich einen erstaunenden Lärm darüber gemachet. Der Grossvezier habe darüber an Porter und Rexin geschicket und schriftlich von ihnen, jedem besonders, zu wissen verlanget, wie weit dieses Gerüchte gegründet und ob jeder von ihnen schriftlich versichern könne, dass der Bruit falsch und der Krieg noch continuiren werde. Porter habe solches auf eine unanständige und den Grossvezier revoltirende Art decliniret und endlich nur mündlich durch seinen Dolmetscher thun wollen. Rexin habe schriftlich kraft habender Pleinpouvoir versichert, dass der Bruit von einem Friedensschlüsse ungegründet und man ihm Glauben beimessen könne, dass der zu errichtende Tractat mit der Pforte auf das heiligste gehalten werden solle. Er könne sich ohnmöglich einbilden, dass der König eher zu einem Accommodement schreiten würde, bis die dortige Couriers zurück und der König die eigentliche Gesinnung der Pforte wissen würde. Wenn solches geschehen, würde es der König ihm gewiss durch einen Courier anzeigen lassen. Der Grossvezier habe ihm darauf befohlen, gleich seine Couriers abzuschicken und obgedachte beide Schreiben von dem König an den Sultan und an den Grossvezier zu verlangen, alsdenn nach deren Ankunft die Pforte sich sogleich determiniren und mit Oesterreich und Russland anbinden würde: wie denn der Sultan, so wie er den Brief erhalten, nach Adrianopel gehen und seine Arrangements machen würde, sobald er aus dem Briefe versichert wäre, [dass] der ausgesprengete Bruit vorn Friedenscongress falsch sei und der Krieg noch continuiren würde; wie er, der Grossvezier, denn sehr wünschete, den Brief zu seiner Legitimation auf das baldigste habhaft zu werden, und rechnete, dass solches ohngefähr nach sechzig Tagen geschehen könne. Rexin hat damals die an ihn von hier unter dem 24. Februarii abgegangene Dépêche211-1 noch nicht haben können, so aber nun da sein muss. Ew. Excellenz haben solche in extenso211-2 und werden daraus ersehen haben, wie Rexin instruiret worden, der Pforte auf alle vorkommende Fälle zu versichern, dass des Königs Majestät dieselbe wegen des Tractats mit der Pforte dem Ressentiment Dero Feinde nicht exponiren, sondern sie deshalb allemal Dero Frieden mit includiren würden.
Ich überlasse Deroselben also, ob Dieselbe in beiden verlangten Schreiben ausser obgedachtem geforderten Einhalt [davon] mit Gebrauch machen und allem die behörige Tournure geben wollen, jedoch, so viel sein kann, positive und mit gehöriger Droiture. Ich habe des Königs Majestät darüber sondiret, die alles dieses approbiret haben. Ich werde binnen der Zeit, da Ew. Excellenz erwähnte Schreiben hieher senden werden, die Antwort vor den Rexin fertig halten, dass alsdenn alles sogleich abgehen kann, und alsdenn die Ehre haben, von allem Copie<212> zu senden. Nach Engelland wird auch die behörige Communication noch morgen geschehen. Der König glaubet nöthig zu haben, die212-1 französische Antwort, wovon heute noch ein mehreres melden werde, ist équivoque; Russland und Oesterreich wollen aber den Krieg mit Vigueur gegen den König poussiren, und dieser muss also Hülfe haben, wenn auch Frankreich ecartiret würde.
Die Zeit vergönnet jetzo nicht ein mehreres, da des Königs Majestät denen beiden von Ew. Excellenz verlangeten Originalschreiben schon übermorgen entgegensehen und höchstens in drei Tage haben wollen.
Der Ernst von der Pforte ist, wie ich sehe, gewiss da, sobald die Schreiben erfolgen.
Eichel.
Nach der Ausfertigung.
210-1 Das Hauptschreiben Rexins ist vom 12. Februar, das Postscriptum vom 1. datirt. Vergl. Nr. 11953. 1954.
210-2 Der österreichische Gesandte in Konstantinopel.
211-1 Nr. 11859.
211-2 Vergl. dagegen Nr. 11867.
212-1 So.