12036. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Freiberg, 23. April 1760.

Skrodski, welchen Ihr den 9. Februar von dorten abgefertigt, ist den 20. dieses hier angekommen und hat Mir das Duplicat Eurer<296> Dépêche, worauf Ich Euch vorhin schon sehr umständlich unter dem 30. März dieses Jahres geantwortet,296-1 mitgebracht.

Ich habe ihn selbst gesprochen und vor einen sehr vernünftigen Menschen gefunden, daher Ich ihn mit diesem Meinen Schreiben an Euch zurückschicke.

Weil derselbe Mir so viel gutes von dem Success Eurer Negociation gesaget und versichert, dass der Tractat gewiss gezeichnet und die Ruptur sogleich darauf erfolgen werde, so zweifele Ich fast nicht, dass, sobald Ihr gedachte Meine Antwort nebst denen solcher beigefügten verlangten beiden Schreiben an den Sultan und an den Grossvezier erhalten haben werdet, die Unterschrift des Tractats gewiss erfolget sein werde, so dass Ich die ganze Sache als schon richtig ansehe.

In dieser Supposition schreibe Ich Euch zu Eurer weiteren Instruction, dass gleich nach geschehener Zeichnung des Tractats Ihr den öffentlichen Charakter als Mein Ministre plénipotentiaire annehmen und vor Euch ganz alleine agiren könnet. Es wird demnächst nicht übel, sondern vielmehr nöthig sein, dass Ihr die Erlaubniss zu erhalten suchet, dem Sultan nach Adrianopel zu folgen, auch wohl gar bei dem Grossvezier in der Armee zu bleiben.

Nachstehendes dienet Euch nur alleine zu Eurer eigenen Direction, und müsset Ihr keinem Menschen dorten davon etwas sagen, noch Euch einmal merken lassen. Ich schenke Euch also, und dieses nur vor Euch, reinen Wein ein.

Die Türken haben sehr lange keinen Krieg gehabt, und halte Ich also, dass sie den Krieg bei weitem nicht so gut verstehen als wie die Oesterreicher, die durch ihre bisherige verschiedene Kriege ihr Kriegeswesen sehr verbessert und eine Routine davon erlanget haben.

Die Oesterreicher fuhren überdem anjetzo eine grosse Menge von Canons und Artillerie bei sich, davon sie einen sehr guten Gebrauch machen, sie haben auch einige Generals unter sich, welche das feine vom Kriege besser verstehen, als Ich glaube, dass die Türken jetzo gar keine haben.

Aus diesem allen schliesse Ich, dass wenn die Türken auch einmal 100000 Mann stark wären, die Oesterreicher aber 50000 Mann, und es käme zu einer Bataille, sodann die Oesterreicher solche gewinnen würden.

Alles dieses vorstehende schreibe Ich nur vor Euch, davon Dir nicht das geringste sagen müsset, ausser dass Ihr vor Euch, wenn es zur Campagne kommet, auf eine ganz adroite Art zu verhindern suchen müsset, dass die Türken nicht gleich zu Anfang des Krieges, und wenn sie eine österreichische Armee von ohngefähr 50000 Mann vor sich finden, blind drauf losfallen, sondern den Krieg mit adroiter [Manier] und mit weniger Risico führen.

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Es wäre derowegen zu wünschen, dass die Türken sogleich nach gezeichnetem Tractat und declarirtem Bruch mit denen Oesterreichern sich in Avantage gegen selbige setzeten, ehe solche noch die Zeit hätten, eine Armee nach Hungern hinzuschicken. Dieses gehet leichter an, und was nunmehr folget, solches müsset Ihr suchen, nach gezeichnetem Tractat dem Grossvezier selbst durch einen recht getreuen Interprète selbst oder auch durch ein von Euch aufgesetztes schriftliches Promemoria zu insinuiren und ihm recht begreiflich zu machen.

Ich höre, dass die Türken zu Belgrad und in den Gegenden Janitscharen haben, die wohl 30000 Mann stark sein sollen. Wenn sie mit denenselben sogleich und sonder zu trainiren die Belagerung von Temeswar anfangen, so kann diese Belagerung nicht vierzehn Tage dauren, da sie nicht Meister von diesem festen Platz sein müssten, weil jetzo nur ein Bataillon Oesterreicher darin in Garnison ist.

Wenn sie alsdenn ihre Macht zusammengezogen haben, so kann ihnen kein Mensch verhindern, mit solcher bis gegen Ofen zu marschiren; sie können alsdenn die Oesterreicher obligiren, ihre Armee zu theilen, um auf beiden Seiten der Donau etwas zu haben, wenn die Türken einen Schwarm von ihren Tartern von Belgrad aus längst der Donau nach den österreichischen Landen schicken, nur pur um Ravages zu machen.

Weil Ich durch der Türken Diversion ohnfehlbar Luft bekomme, so werde Ich alsdenn suchen, den Krieg Meines Ortes gleich nach Mähren zu spielen, um im Stande zu sein, die türkische Operationes zu secondiren; und wenn sie Mir da über die sogenannte sieben Städte, der Gegend Kaschau belegen, wollten ein Corps von ohngefähr 4 à 5000 Mann Tartern entgegenschicken, das gegen Jablunka und so nach Mähren zu, wenn Ich in Mähren stünde, ginge, so wollte Ich diese Tartern mit einem detachirten Corps von Meiner Armee von Dragoner und Husaren souteniren, und gedächte Ich sie bis Pressburg und bis Wien vorzupoussiren, um dadurch den Terreur unter die Oesterreicher stärker zu machen und zugleich zweitens dadurch alle Arrangements von Vivres, so die Oesterreicher vor ihre Armee bei Ofen, wo sie solche etwa hinter das Flüsschen Raxos setzen werden, gemachet und zusammengebracht haben werden, zu derangiren, mithin dadurch auch die österreichische Armee, so gegen die Türken agiren [wird], in Bredouille zu bringen.

Wann die Türken diesen Operationsplan goutiren und executiren, so werden sie die Früchte davon sehen, und wann sie auf vorerwähnte Art die österreichische Armee obligiren, sich auf beiden Seiten der Donau zu theilen, so können sie auf die Art in einer Campagne Meister von Temeswar, vom Banat und vielleicht gar von Ofen sein, welches Ich schon vor was rechtes halte und worauf ein vorthelhafter Friede nicht lange ausbleiben kann. Ihr müsset dem Grossvezier diesen Plan<298> recht deutlich machen und eine Landkarte von Hungarn zugleich bei Euch haben, um ihm alles gleichsam mit dem Finger zu zeigen.

Ihr müsstet Mir aber alsdenn baldigst antworten, ob der Plan gefolget werden wird; denn es nothwendig ist, dass wir wissen, wie jeder seines Ortes agiren will, damit ein Concert unter uns sei und einer des andern Operations secondiren könne; sonsten, wenn jeder vor sich in das Blinde agiren will, alsdenn nichts herauskommen wird. Alles wird hierbei darauf ankommen, dass die Türken gleich mit der Belagerung von Temeswar auf vorgedachte Art eilen, ehe die Oesterreicher die jetzige Garnison verstärken und den Ort mit dem zur Defension erforderlichen versehen, auch eine etwas beträchtliche Armee nach Hungarn schicken können.

Skrodski hat Mir gesaget, dass der Grossvezier declariret habe, wie den Tag darauf, da er durch Euch die beiden verlangeten Briefe von Mir empfangen haben würde, [er] gleich den Tractat zeichnen, den folgenden Tag nachher aber solchen in ganz Konstantinopel bekannt machen lassen wollte, und wenn er denn sähe, dass die Feinde nicht zu Kreuze kröchen, zum Bruch schreiten würde. Letzteres wäre deshalb nicht gut, wenn er es aufschieben und nicht gleich zum wirklichen Bruch schreiten wollte, denn nicht zu zweifeln, dass, sobald die feindlichen Gesandten die Zeichnung des Tractats erfahren haben, solche tausend gute Worte geben und alles, was man nur verlanget, versprechen, auch Geldsummen offeriren und keine Intriguen sparen werden, um nur die Türken zu amusiren und so lange von dem Bruch abzuhalten, bis sie erst Temeswar und andere Grenzplätze in haltbaren Stande gesetzet und ihre Arrangements gemachet haben werden, um denen Türken zu resistiren; alsdenn letztere das favorable Moment versäumet und, wenn binnen solcher Zeit Ich auch noch dazu durch die grosse Uebermenge der Feinde hier oder da ein Unglück gehabt haben sollte, sie sich über die Türken moquiren und ihnen mit gesammter Macht auf den Hals fallen werden. Daher Ihr deshalb nach gezeichnetem Tractat am allermeisten auf Eurer Hut und sehr attent sein müsset, um durch Remonstrationes, so viel wie Ihr mit Klugheit nach denen dortigen Umständen thun könnet, es wegen Meiner Feinde dahin zu richten, dass, so zu sagen, Knall und Fall eins sei. Ich beziehe Mich übrigens auf Meine beide letztere vorige wichtige Schreiben an Euch vom 24. Februar und vom 30. März298-1 und beharre fest bei Meiner Resolution, dass, wenn die Türken einmal zu Meiner Faveur gebrochen haben werden, Ich Meinen Frieden nie anders machen werde als mit expresser Einschliessung der Pforte und mit ihrem Vorbewusst und Genehmhaltung.

Friderich.

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Die Franzosen haben sich letzt gegen die Engelländer declariret, mit ihnen den Frieden machen zu wollen, aber mit Meiner Exclusion.299-1 Da die Engelländer solches nicht annehmen und Mich durchaus nicht abandonniren wollen, so wird der Krieg ohnfehlbar fortgehen, und zwar um so mehr, als die Oesterreicher und Russland declariret haben, dass sie einen Friedenscongress annehmen, aber demohnerachtet den Krieg gegen Mich mit aller Macht continuiren und die Waffen nicht eher legen wollten, bis dass zuvor sie Mich ganz heruntergebracht hätten. Dieses kann Ich Euch vor wahr und sicher schreiben.299-2

Nach dem Concept.



296-1 Nr. 11954.

298-1 Nr. 11859 und Nr. 11954.

299-1 Vergl. Nr. 12032.

299-2 Gleichzeitig geht ein Schreiben Eichels an Rexin ab, in welchem die zuletzt eingegangenen Berichte und die darauf erfolgten Antworten aufgezählt werden und über die auf dem Wege nach der Türkei befindlichen Couriere gehandelt wird. „Skrodski wird Ihnen sagen können, wie der detestable sächsische Minister Brühl in Polen alle Wege und Ueberfahrten über die Flüsse besetzen lassen, dass nichts [von] uns [in die] Türkei, noch daher an uns was kommen soll.“ „Wann der Tractat gezeichnet sein wird, so schicken Sie uns ja eine vollständige Copie davon und schreiben, ob er besonders ratificiret werden muss, oder ob es nach dortiger Gewohnheit mit der Unterschrift des Tractats genug sei. Schlagen Sie auch dem König vor, was vor Präsente eigentlich dem Sultan und dem Grossvezier am angenehmsten sein dörften.“