12201. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Hauptquartier Radeburg in Sachsen, 22. Juni 1760.

Ihr könnet leicht erachten, was es Mir vor eine besondere Freude gewesen, als Ich den 20. dieses Euren Bericht vom 8. Mai442-1 nebst dem Duplicat des vom 26. April, davon Meines Wissens das Original noch nicht gekommen, erhalten und daraus alle gute Hoffnung, dass Ihr in Eurer Commission noch völlig reussiren werdet, [geschöpfet], welche Hoffnung, da Ich in so langer Zeit keine weitere Nachricht von dem Success Eurer Negociation gehabt, fast erloschen war. Ich sehe nunmehro alle Tage dem Courier mit Eurer Hauptrelation und der Copie des gezeichneten Tractats entgegen, mit der Nachricht, dass der Sultan und der Grossvezier nebst denen Truppen sich wirklich gegen Ungarn im Marsch gesetzet haben.

Skrodski und Hintze sowohl als Gregorovius nebst Schimmelmeyer müssen alle nach einander nach Meinen ihrentwegen gehabten Nachrichten bei Euch schon längst angekommen sein. Von der Instruction, die Euch Skrodski mitgebracht.442-2 wie die Türken zu ihrer grossen Avantage ihre Operations anzustellen, werdet Ihr hoffentlich bei dem Grossvezier Gebrauch gemachet und ihm auf der Landkarte alles gezeiget haben. Jemand, der auch wenig oder nichts von dem Kriege verstehet, kann die grosse und nicht zu fehlende Vortheile begreifen; aber es muss alles geschwinde geschehen und denen Oesterreichern nicht die Zeit gelassen werden, sich dagegen in starker Verfassung zu setzen. Mit der Reise nach Adrianopel ist es nicht alleine ausgerichtet, sondern Ihr müsset Himmel und Erde bewegen, dass es gleich darauf zur Operation komme. Zu Belgrad und in Rumelien seind die Türken stark genug, um Temeswar gleich belagern und in kurzer Zeit nehmen zu können. Ich habe Euch, wie Ihr wisset, auf denen bewussten Handelsplätzen auf eine Million Reichsthaler Credit gemachet, und wenn noch mehr erfordert wird, werde Ich es nicht ansehen; lesiniret also nicht an Orten, wo es nöthig und nützlich ist. [Nur] muss davor der Tractat richtig und der Rossschweif ausgestecket, auch die Fahne des Mahomet im Felde sein. An einen Frieden oder Congress ist so wenig [zu denken], dass vielmehr das Projet ist, dass der Laudon mit 40000 Oesterreicher diesseits der Oder und die Russen mit der Armee jenseits des Flusses<443> auf Breslau dringen wollen. Sie haben das Concert, dass die Russen ganz Preussen und die Oesterreicher Schlesien, der König von Polen, als Churfürst von Sachsen, ein grosses Stück Meiner übrigen Lande bekommen soll. Hier muss Ich den Daun und den La[cy] mit der grossen österreichschen Armee observiren, denen Ich letzt Bataille geben wollen, die aber in ihre retranchirte Löcher fast bis unter die Canons von Dresden zurückgelaufen seind. Ihr sehet also, dass Mir die baldige Assistenz der Türken sehr nöthig ist.

In Polen unterdrücken die Russen alle Freiheit der Republik; sie tractiren die Polen als ihre Slaven:443-1 sie müssen ihnen alle Subsistance liefern, ohne einige Bezahlung zu bekommen. Die Polen schreien, der König höret sie nicht, und die Russen plündern sie davor. Ich habe Benoît geschrieben,443-2 die wohlintentionirte Polen zu animiren, sich an die Pforte mit ihren Klagen zu melden. Sie wollen nächstens einen Reichstag zu Warschau halten, der aber unter der Bedeckung von russischen Truppen geschehen soll, unter welchem Namen von Reichstag die Russen, der König und sein Minister Brühl ihre lang gehabte Absichten ausführen und die polnische Reichsverfassung und Freiheit ganz unterdrücken wollen. Wie kann die Pforte solches zugeben, da nach, ihrem Tractat mit den Russen die Truppen von solchen nicht einen Fuss in Polen setzen, geschweige auf Discretion leben, alles plündern und sie härter als wie Sclaven tractiren sollen. Die Polen seind zu einer Confédération bereit, wenn sie nur assistiret werden. Ich habe vor Mich alle Hände voll zu thun, und die Franzosen und Schweden schlafen, so dass die Russen und Oesterreicher mit der Republik als mit ihren eigenen Provinzen thun, was sie nur wollen.

Da der Feind gegen Mich zu stark ist, dass Ich Schlesien nicht gnug decken kann, so leidet das Gebirge, Euer Vaterland, sehr darunter. Hirschberg hat den Oesterreichern schon über 200000 Gulden seit kurzem contribuiren müssen, dabei letztere so schändlich verfahren, dass sie das Geld, so die Hirschberger bezahlen, nur vor den halben Werth nehmen und [diese] es also doppelt geben müssen, woran der grosse Geldmangel bei dem Hot zu Wien wohl mit Schuld ist. Thut also alles auf der Welt, um Hilfe von den Türken, und zwar sehr bald, zu schaffen und dadurch auch Euer Vaterland zu retten. Seid Meiner eclatanten Dankbarkeit alsdenn gewiss versichert.

Rexin wird ermächtigt aus seinem Fonds jährliche Pensionen an zwei türkische Beamte zu zahlen.

Friderich.

Meine Armee [ist], gottlob! in gutem Stande; Ich menagire solche, um denen Türken in ihren Operationen Luft zu machen, sobald sie solche angefangen [haben] werden. Meinen Tractat mit ihnen werde in allen Stücken heilig halten.

Nach dem Concept.

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442-1 Ueber den Inhalt des Berichtes vergl. Nr. 12204 und Nr. 12205.

442-2 Nr. 12036.

443-1 So; statt Sclaven.

443-2 Vergl. Nr. 12197.