12213. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Radeburg, 24. Juni 1760.

. . . Es hat mich ohnendlich consoliret, dass meine bisherige öfters etwas confuse Schreiben wegen der hiesigen Umstände Ew. Excellenz zuweilen soulagiret haben, da ich öfters en peine gewesen bin, ob ich Dieselbe nicht damit zu viel incommodiren dörfte. Wenn sich solche in einigen Umständen zu Zeiten widersprechen, so werden Ew. Excellenz es dem attribuiren, dass sich die hiesigen Umstände öfters von Tag in Tag ändern. — Seit gestern hat der Feind die hiesigen Lagers durch seine leichte Truppen en corps verschiedentlich zu allarmiren gesuchet, wozu ihm ein langer Wald, so hinter Hoyerswerda an- und fast bis an Dresden gehet, die Gelegenheit giebet, an welchem Walde dies- und jenseits die Flügels [der] beiderseitigen Armeen stossen. Der gestrige Allarm allhier hätte sérieux werden können, da sich der Feind mit seinen Huhlanen und Husaren, auch einem Corps regulärer Kavallerie und 2000 Kroaten des Nachts durch gedachten Walde gezogen hatte, in der Intention, des Morgens gegen 3 Uhr auf die Kavallerie des linken Flügels, so quer vor dem Walde campiret, zu fallen, und, wenn es ihm reussiret wäre, sodann das Hauptquartier, so hinter der Armee lieget, zu allarmiren. Da er aber alles alerte fand, auch gedachte unsere Kavallerie gleich zu Pferde war, so blieb es bei legeren Escarmouches, und wurde der Feind durch den Wald zurück und fast bis jenseits in sein Lager mit Hinterlassung verschiedener Todten und Blessirten, auch Gefangenen zurückgetrieben. Welches uns unsererseits 3 todte und blessirte Dragoner gekostet hat. Gestern Nachmittag versuchte der Feind ein gleiches durch den Wald auf das unter Commando des Generalmajor von Krockow bei Gross-Dobritz stehende kleine Corps, ward aber gleichfalls bald wieder zurückgewiesen. Heute früh um 4 Uhr haben wir hier eine kleine Kanonade bei Meissen gehöret, so sich aber bald endigte und also ein gleiches daselbst geschehen und wie hier abgelaufen sein muss. Bei allen dergleichen kleinen Vorfällen seind die Avantages vor uns gewesen, sie seind aber keiner besonderen Attention werth, da sie nichts decidiren, auch fast nicht zu vermeiden sein, weil beiderseitige Armées nur, wie gedacht, durch den Wald separiret werden. Jede von solchen stehet in solchen Posten, dass man vermuthen muss, wie jede Bedenken tragen werde, die andere in seinem455-2 Post[en] zu attaquiren oder es zu einem Hauptengagement zu bringen.

Die Nachrichten aus Schlesien seind noch wie vorhin einerlei. Der General Laudon stehet noch, nach Briefen vom 18. Junii, mit seinem Corps um Glatz herum;<456> bis dahin hat er noch keine schwere Artillerie gehabt, wohl aber viel Schanzzeug und Sturmleitern aus Böhmen zusammenbringen, Schanzkörbe fertigen, die Wege verhauen oder Batteries anlegen lassen. Die verschiedene Détachements, so er inzwischen von Zeit zu Zeit nach dem schlesischen Gebirge machet, geben Ursach' zu präsumiren, dass seine Hauptabsicht nicht sowohl auf Glatz, sondern auf ein anderes Objet, und, wie man wissen will, vielleicht auf Breslau und sich mit denen Russen der Orten zu conjungiren, gehe. Ich wünsche, dass, ehe alles dieses zu seiner Reife kommen kann, der Ew. Excellenz bekannte Deus ex machina456-1 sich prasentire und dadurch dem ganzen Theatro ein anderes Ansehen gebe. Das Regiment von Laudon und ein Corps Kroaten, so Laudon zeither zwischen Silberberg und Frankenstein zur Deckung solches Posten stehen lassen, hat der General Fouqué den 15. dieses durch ein kleines Détachement bis Silberberg zurückjagen lassen, dabei der Feind 60 Gefangene und 120 Pferde im Stich gelassen, der dadurch die Zeit gewonnen, sich retiriren zu können, weil er gedachtes Détachement auf seinen Höhen zu früh gewahr geworden. Allen Nachrichten nach ist die Furcht so gross unter dem Feinde dorten, dass man es einen terreur panique nennen könne; die Desertion sei sehr stark und würde noch viel beträchtlicher sein, wenn die Regimenter mehr Luft dazu bekämen. Alles dieses aber giebt denen Sachen keinen Ausschlag, obwohl unsern guten Soldaten noch mehr guten Willen. Von des Prinzen Heinrich Hoheit haben wir seit 2 Tagen gar keine Nachrichten. Dans456-2 la situation présente critique et épineuse ici, je n'aime pas de garder chez moi des papiers de quelque conséquence . . .

[Eichel übersendet dem Minister eine Anzahl wichtiger Schriftstücke. Er macht ihm Mittheilung von den an Benoît ergangenen Befehlen.456-3] Gott weiss, wie sich der gute Mensch456-4 darunter befangen wird, der sich vielleicht niemals in dergleichen Situation kommen zu können geglaubet hat! Ich bin fast curieux, seine Antwort zu sehen . . .

Des Königs Majestät befinden Sich bei allen Dero Fatiguen gottlob! recht gesund und munter . . .

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.



455-2 So.

456-1 Vergl. S. 439.

456-2 Das folgende französisch, da Eichel es chiffrirte und nur französische Chiffern besass.

456-3 Vergl. Nr. 12212.

456-4 Benoît.