1169. AN DEN GEHEIMEN RATH VOCKERODT IN BERLIN.
Von dem Etatsminister Graf Podewils.
[Berlin], 17. August 1743.
Soviel ich aus demjenigen, was Se. Königl. Majestät mir gestern über den Inhalt . . . [einer Relation des Grafen von Finckenstein, <402>d. d. Frankfurt, 10. August]. . . gesaget, behalten können, würde dem Hern Referenten zu antworten sein, dass Se. Königl. Majestät zuvörderst alles dasjenige, was er Mylord Carteret wegen der bisherigen, durch den Canal des Prinz Wilhelm zu Hessen geführten Negociation vorgestellet, allergnädigst approbirten, und könnte Referent, umb allen Verdacht einer Indiscretion gegen den Prinz Wilhelm abzuwenden, nur sagen, dass solches von dem kaiserlicheln Hofe Sr. Königl. Majestät communiciret worden, mit dem Zusatz, dass gleichwie der Punkt der Restitution der kaiserlichen Erblande allerdmgs demjenigen gemäss wäre, was der Königlich englische Hof durch den Lord Hyndford allhier schriftlich versichern lassen, Se. Königl. Majestät umb so viel mehr Ursach hätten, darauf zu insistiren, als der König von Engelland jeder Zeit selbst anerkannt, dass diese Restitution gegen eine Renonciation des Kaisers auf seine bisherige Prätensiones billig wäre und geschehen musste; wollte man aber diesen Punkt lediglich auf die Discretion des wienerschen Hofes ankommen lassen, so würde der Kaiser so bald nicht zu dem seinigen kommen, und Se. Königl. Majestät und das ganze Reich den gegründeten Argwohn schöpfen müssen, dass man von Seiten des wienerschen Hofes und dessen Alliirten nur das Tapis amüsiren und den Kaiser zu solchen Extremitäten zu bringen suchen wollte, dass er von selbst abdiciren müsste, welches, wie Referent an Carteret nur rund aus declariren könnte, Se. Königl. Majestät nimmer zugeben würden, und entstehe auch daraus, was da wolle. Höchstdieselbe hätten des Königs von Engelland durch seinen hiesigen Minister ausgestellte schriftliche Versicherung402-1 vor Sich dieselbe wäre nicht lirnitiret oder unter gewissen Conditionen, sondern pure und simpliciter ausgestellt. Daran würden Sich Se. Königl. Majestät halten. Dass ein Reichsstand zwei Churfürstenthümer zugleich besitzen sollte, wie geschehen würde, wenn die Königin in Ungarn Böhmen mit Baiern behielte, liefe wider die Constitutiones und Verfassungen des Reichs und könnte nichts anders als dessen Umsturz nach sich ziehen. Das Reich und alle redlich gesinnete Stände desselben könnten sich nicht anders als mit aller Macht dagegen setzen, wenn der Kaiser auch nur ein blosser Reichsstand und Churfürst wäre, musste sich also itzo, da er das Oberhaupt desselben ist, umb soviel mehr seiner annehmen. Die Ursachen, so man gegen die itzige Restitution des Kaisers Erblande allegiret, dass selbige zur Retraite der ôsterreichischen Truppen dienen müssten, wären blosse Defaiten; wenn der Friede zwischen dem Kaiser und der Königin in Ungarn einmal geschlossen, hätte der wienersche Hof von dieser Seite nichts zu befürchten, könnte auch allenfalls in dem Friedensschluss wegen der darin benöthigten Retraite seine Praecautiones nehmen. Es wäre nicht raisonnabel, von dem Kaiser zu begehren, sich von Frankreich zu detachiren, ehe er seines Friedens gewiss wâre. Die bisherige Erfahrung hätte gewiesen, dass der Anfang, den der Kaiser dazu gemacht, da er seine Truppen von den französischen <403>separiret und zu der Neutralität sich offeriret, zu nichts gedient, als seine Situation noch betrübter und die Conditions noch härter zu machen. Der Friede müsste unverzüglich im Reich retabliret und der innerliche Ruhestand desselben festgestellet werden, sonst würde nimmer eine solide Harmonie zwischen den vomehmsten Gliedern desselben gestiftet und ein rechtes Vertrauen zwischen Sr. Königl. Majestät und dem englischen Hofe festgestellet werden.
Was die secrete Proposition des Prinzen Wilhelm von Hessen wegen einer Association unter den Reichsständen und Errichtung einer Neutralitätsarmee anbetrifft, könnte Refèrent demselben antworten, dass Se. Königl. Majestät diese Idee vollenkommen goutirten, und dass Sie dergleichen oft genug, aber mit schlechtem Success, proponiret; der Prinz Wilhelm möchte nur de concert mit dem kaiserlichen Hofe daran arbeiten, und wenn solche nur zuförderst unter einigen mächtigen Ständen, als Churköln, Pfalz, Würzburg und Bamberg, und Hessen concertiret, wurden Se. Königl. Majestät derselben gewiss accediren, auch Ihr Contingent gegen künftiges Frühjahr in so guter Anzahl parat halten, dass es den gehörigen Nachdruck geben könne, welches Referent dem Prinzen Wilhelm sub fide silentii et secreti zu eröffnen hätte.
An Klinggräffen würde nach den von Sr. Königl. Majestät mir über dieses Sujet eröffneten Sentiments zu antworten sein, dass Dieselbe den Kaiser nicht verlassen, auch nimmer zugeben würden, dass er seiner Erblande beraubet oder aber zu einer Abdication oder auch gezwungenem Consens zu einer römischen Königswahl forciret werde. Se. Königl. Majestät würden schon zu Seiner Zeit, wenn Sie nur von andern Mitständen des Reichs darunter secundiret würden, solche Mesures zu nehmen wissen, dass der Kaiser den Effect derer so bündigen Versicherungen verspüren sollte, welches Referent dem Kaiser nochmals zu erkennen geben könnte. Es müsste derselbe aber noch einige Zeit in Geduld stehn, und wäre es ihm nicht zu verdenken, wenn er inzwischen die Geldhülfe, so es von Frankreich genösse, annähme und dennoch die angefangene Negociation mit dem Könige in Engelland, welche Se. Königl. Majestät bestens secundiren liessen, continuirte. Seine Situation könnte nicht übler werden, als sie itzo wäre, und die Restitution seiner Erblande müsste über spat oder lang doch geschehen.
Was aber Se. Königl Majestät am meisten embarrassirte, wäre dasjenige, so der Kaiser ausser der Restitution seiner Lande zu seinem Unterhalte forderte. Referent wäre bereits öfters angewiesen, den Kaiser über die Mittel, umb dazu zu gelangen, ohne von der Königin von Ungam Cessiones, als wozu nicht die geringste Hoffnung wäre, zu begehren, zu sondiren. Der König von Engelland und der Lord Carteret insistirten selbst darauf, dass solche angezeiget werden möchten; englische Subsidien dependirten lediglich von der Willkür und Generosität des Königs, man könnte solche nicht als eine Schuldigkeit fordern, und es wäre ohnedem nur ein Temporarium, so bald aufhörte.
<404>Soviel den Vorschlag des von Wachtendonck wegen einer Association und Errichtung einer Neutralitätsarmee anbeträfe, wäre solches wie bekannt jederzeit die Idee Sr. Königl. Majestät gewesen; der Kaiser möchte nebst Churpfalz und Churköln auch den Bischof von Würzburg und Bamberg und Hessen-Cassel unter der Hand zu entamiren suchen, und würden Se. Königl. Majestät solchen zu accediren nicht ermangeln. Das Objectum müsste sein die Herstellung der Ruhe des Reichs, die Conservation des Oberhaupts desselben und seiner Würde, und die Abwendung von fernerer Eindringung von fremden Armeen ins Reich. Mit reciproquen Garantien müsste man sich nicht aufhalten. Schwächere Stände wären ohnedem nicht im Stande, solche zu leisten und könnten sie dannenhero auch nicht von den mächtigeren verlangen, sondern man müsste auf obige Punkte seine Hauptabsicht richten.
H. G. v. P.
Nach der Originalaufzeichnung.
402-1 Preussische Staatsschriften I, 360.