12884. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Hauptquartier Hausdorf. 14. Mai 1761.

Bis hieher ist der Marsch des Königs, gottlob! ganz glücklich gegangen. Es hat solcher nicht ohne besondere Fatigues geschehen können, da das Corps d'armée von der Elbe an bis hieher, mithin vom 4. dieses bis gestern, nur einen Ruhetag zu Görlitz haben können, und die Passages durch die schlesische Gebirge und deren Défilés allezeit ihre penible Schwierigkeiten haben. Indess ist alles recht gut gegangen und die Kavallerie in sehr gutem Stande geblieben, wie dann überhaupt das ganze Corps währender ganzen Zeit des Marsches nicht mehr Abgang als ohngefähr zwischen 30 und 40 Mann an Desertion gehabt.

Wie in meinem vorigen389-2 gemeldet, so hat sich auf dem ganzen Marsch nichts weiter vom Feinde, und zwar nur dann und wann in einer grossen Entfernung ein Trupp Husaren sehen lassen, die aber doch bei Görlitz einige Prise auf sich gegeben, als sie nach dem Abmarsch des Königs von dar geglaubet, es sei daselbst nichts stehen geblieben, und dannenhero dem Herrn Generalmajor von Ramin, der daselbst mit ein paar Bataillons und einigen wenigen Husaren zur Deckung der Convois eine kleine Arrièregarde gemachet, in etwas in die Hände gefallen seind. Der Kürze halber lege aus dessen Rapport389-3 davon einen Extract hierbei.

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Denen neueren Nachrichten aus Sachsen zufolge.hat der Feldmarschall Daun des Königs Passage über die Elbe die ersteren Tage über ignoriret und deshalb seine Truppen bis zum 10. cantonniren lassen, an welchem Tage er allererst in das Plauensche Lager bei Dresden eingerücket ist. Das Corps unter dem General Lacy hat auch noch ganz geruhig bei Boxberg390-1 gestanden, soll aber den 7. oder 8. von dar aufgebrochen und über Zittau gegen Böhmen marschiret sein und demselben 7 Regimenter von der Daunschen Armee dahin folgen. Hier hat mit Annäherung des Königs anher der General Laudon alle Posten, so er bisher in dem schlesischen Gebirge occupiret, und selbst Landeshut verlassen, nachdem er vorher starke Contributions von denen Gebirgsstädten gefordert, auch deshalb verschiedene derer ansehnlichsten Kaufleute aus solchen zu Geiseln mitgenommen hat. Er ist den 10. mit dem Gros seiner Armee, wie man sagt mit Sack und Pack, von seinem Posten zu Waldenburg aufgebrochen und nach Gottesberg und Schwarzwalde, den 11. aber etwas précipitamment weiter auf Friedland an der böhmischen Grenze marschiret, von dar nach Aussage seiner Deserteurs er Tages drauf nach Braunau in Böhmen gehen und sich allda setzen wollen, hat sich aber, neueren Nachrichten zufolge, nach dem Glatzischen geschlagen, um solches zu decken. Der König campiret hier und cantonniret zum Theil, um seinen fatiguirten Truppen wieder etwas Ruhe zu gönnen. Der Generallieutenant von Goltz, von dessen bisherigen Conduite der König sehr zufrieden ist und ihn deshalb heute mit dem Orden vom Schwarzen Adler decoriret haben, campiret mit seinem Corps anderthalb Meilen von hier zu Kammerau bei Schweidnitz. Ich erwähne nichts von denen Nachrichten, so wir von denen Russen haben, da vermuthlich Ew. Excellenz davon schon durch des Herzog von Bevern Durchlaucht informiret sein werden.

[Eichel bemerkt zu dem Erlass an Knyphausen vom 10. Mai390-2:] Ich zweifle, ob der König in solcher Antwort dem Verlangen des englischen Ministerii wird ein völliges Genüge gethan haben. Mir däucht, dass gedachtes Ministère des Königs Idées über die deutschen Sachen deshalb hat schriftlich haben wollen, um sich darnach bei Ausfertigung ihrer Instruction für ihre Minister zum Congress sowohl wegen des Königs Conveniences als wegen des von denen Reichsständen sich mit zu dirigiren. Die Antwort des Königs dürfte also denen Engelländern nicht suffisant sein. Ich glaube, dass der König Selbsten darüber embarrassiret gewesen und den Herrn von Knyphausen deshalb lediglich an Ew. Excellenz verwiesen haben. Ich hätte gewünscht, dass bei Ew. Excellenz Anwesenheit in Meissen390-3 die Zeit und Umstände es vergönnen wollen, dass Dieselben Sich mit dem König über einige generale Principes über den Generalfrieden hätten concertiren können, als exempli gratia: ob bei dem Congress nebst einer völligen Amnestie nicht der Westphälische Friede, auch ein Status quo, von ohngefähr dem Augustus 1756, zur Basi gesetzet werden können, nach welchem jeder Reichsstand wieder in seine Possessiones, Jura, Prärogativen etc. eintrete; ob mithin nicht alle währendem diesen Krieg ergangene Reichshofrathserkenntnisse und Decreta völlig zu annulliren und die dadurch Lädirte wieder in integrum zu restituiren; wie die übertriebene Licenz des Reichshofraths in Conformität des Westphälischen Friedens und derer Wahlcapitulationen zu restringiren, auch dem churmainzischen Directorio zu Regensburg gewisse Schranken zu setzen und dergleichen mehr. Nunmehro aber wird wegen derer Kriegsoperationen mit dem König vor der Hand nichts deshalb immédiate zu thun sein und also, wenn der von Knyphausen deshalb pressiret werden sollte. Ew. Excellenz oder dieser selbst etwas darunter übernehmen müssen. Ich glaube noch, dass der Grosskanzler von Jariges viel gutes dazu suppeditiren könne; doch ich breche von diesen über meinen Horizont weit gehenden Sachen billig ab.

Secret und im Vertrauen: Weil die Russen sehr serieuse Anstalten zu baldiger Eröffnung ihrer Campagne machen, und wir wissen, dass sie in diesem Jahr wieder<391> sowie im vorigen operiren werden,391-1 so wird nächstens der Prinz von Württemberg zu dem Generallieutenant Werner stossen, um Colberg gegen eine Belagerung zu decken, der General Goltz aber nächster Tage mit einem Corps nach denen Gegenden von Glogau detachiret werden, um à portée zu sein, allen andern Entreprisen derer Russen vorzukommen, allenfalls sich mit dem Prinz von Württemberg zu conjungiren. Sollte Daun, wie vermuthlich, sich nach Schlesien tourniren, alsdann wird der Prinz Heinrich sich auch hierher wenden, der General Hülsen aber in Sachsen stehen bleiben. Gott wolle nur die Stadt Magdeburg bewahren! General Hülsen hat auch denselbigen Chiffre, welchen der Commandant zu Magdeburg vom Prinzen bekommen. Guten Nachrichten zufolge wollen die Russen ein Corps an Laudon detachiren, mit einem andern gegen Colberg gehen und mit dem Gros ihrer Armee gegen Schlesien oder gegen Frankfurt agiren. Doch à bon rat bon chat! Der Himmel stehe nur des Königs gerechten Waffen bei, so wird sich aller böser Wille bald brechen. Die Monate Junius, Julius und vielleicht August werden kritisch und schwer sein . . .

Eichel.

Auszug aus der Ausfertigung.



389-2 Nr. 12873.

389-3 D. d. Görlitz 10. Mai.

390-1 Boxdorf. Vergl. S. 374. Anm. 3.

390-2 Nr. 12872.

390-3 Vergl. S. 342. 343.

391-1 Vergl. S. 388.