12969. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON TRESKOW, COMMANDANTEN VON NEISSE.

Kunzendorf, 19. Juni 1761.

Ich werde von denen Projecten, so der Feind von seinen Operations in dieser Campagne machet, immer mehr und mehr eclaircirt. Von einer sehr guten Hand466-2 ist Mir die Nachricht gekommen, wie der Hauptplan sei, dass Laudon mit seinem Corps in Schlesien agiren, der Daun mit der österreichschen Armee von Dresden aufbrechen und daselbst die Reichsarmee nebst etwas Oesterreicher unter dem Serbelloni, um die Stadt zu decken, zurücklassen, sich aber mit seiner Armee bei Lauban setzen solle, um allenthalben à portée zu sein. Von denen 55000 Russen, so ohngefähr ihre Armee ausmachet, sollten 14000 unter Rumänzow gegen Colberg gehen, ohngefähr 15 bis 16000 unter Galizin den General Goltz observiren, und die übrigen 26000 gegen<467> Frankfurt an der Oder vorrücken. Ich habe Meine Mesures so genommen, dass Ich auf alle Fälle parat bin und die Projecte des Feindes gewiss zu [ver]eiteln hoffe; was Ich indessen heute noch vor nähere Nachrichten [von] einer andern guten Hand bekomme, solches wird Euch anliegender Extract467-1 zeigen.

[Wie] aber, wann der Feind nach solchen seine Operations anfinge, es leicht geschehen könnte, dass Ich einen Marsch gegen Sagan oder gegen die Niederlausnitz thun müsste, und Ich meistens aus allen Umständen urtheile, dass die Absicht des Feindes Laudon gewiss auf Neisse gehet,467-2 um solches zu belagern, so werde Ich Mich zwar von gedachtem Marsch so geschwinde expediren, als es Mir nur möglich sein wird, Ich verlasse Mich aber dabei auch völlig auf Euch als einen rechtschaffenen, getreuen und ehrlichen Mann, dass, wann inzwischen Neisse attaquirt und belagert werden sollte, Ihr eine rechtschaffene und Euch bei der ganzen Welt Reputation machende und honett machende467-3 Defension thun werdet, und dass das Fort Preussen sich allerwenigstens vier Wochen und ohnfehlbar so lange gegen den Feind halten muss, bis dass Ich die Zeit habe, wieder zurück- und heranzukommen, um den Feind von Neisse wegzutreiben; worauf Ich Eure Antwort gewärtigen will.

Was Ich Euch übrigens von denen Operationsplans des Feindes und deshalb sonsten geschrieben, darüber sollet Ihr Mir auf Eure Pflicht und Ehre das grösste Secret halten und dorten nichts eclatiren lassen, da es lediglich zu Eurer Direction ist.

Friderich.

Nach der Ausfertigung im Kriegsarchiv des Königl. Grossen Generalstabs zu Berlin.



466-2 Vergl. Nr. 12967. 12968.

467-1 Liegt nicht bei; jedenfalls eine der an den Prinzen Heinrich (vergl. Nr. 12971) übersandten Nachrichten.

467-2 Auf dem Berichte Wuthenows, d. d. Hartmannsdorf 18. Juni, finden sich die Weisungen für die Antwort: „Wenn Laudon in Schlesien debouchiren wollte, so würde es nothwendig von der Seite von Warthe und Silberberg geschehen, und nicht hier durch Friedland; und sähe Ich die Posten von Friedland an als wenn sie gesetzet, um uns zu verhindern, nach Braunau und Trautenau zu debouchiren.“

467-3 Im Concept: „Reputation und Honneur machende“ .