12984. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.
Kunzendorf, 23. Juni 1761.
Der König schreibt an Rexin, er „hätte wohl gewünschet, dass Ihr . . . Mich von dem, was Mir jetzo das principaleste ist, nämlich von den grossen Vorfallenheiten Eures Ortes, ob die Pforte armire oder nicht, ob sie Truppen aus Asien übersetzen lassen und ob was vor Mich von ihr zu hoffen sei oder nicht, informiret hättet.“ Der König bezieht sich sodann auf sein Schreiben vom 20. Mai.478-1
Ich will . . . nur mit wenigen wiederholen, dass der Tractat, den Ihr jetzt gezeichnet habet, gut ist, aber wenn es bloss dabei bleibet, Mir in Meinen jetzigen Umständen nichts hilft, da ohnerachtet des ersten Schrecks, so die Oesterreicher und Russen darüber gehabt, und des Eclats, so solcher in Europa gemachet, sie nicht einen Mann zu Deckung ihrer Grenzen zurückmarschiren lassen und sich jetzt darüber moquiren.
Ich muss also pressante und nachdrückliche Hülfe haben, wenn Mir jetzo die Freundschaft der Pforte etwas helfen soll. Ich bin befremdet, dass Ihr in Eurem Bericht vom 30. April anfraget, ob Ihr zu Schliessung des Defensivallianztractats mit der Pforte schreiten sollet, und dass Porter Euch erst darauf bringen müssen, dass dazu Corruptions<479> gehöreten. Sehet alle Meine vorige Instructions an Euch nach, so werdet Ihr finden, wie ofte Ich Euch befohlen, nichts an Gelde zu menagiren, wenn Ihr es zum Defensivtractat und zu einer wirklichen Diversion der Türken zu Meinem Faveur bringen könnet, und alle Fonds dazu habt Ihr in Händen. Arbeitet also ohnablässig und mit Eifer darauf, ohne eine Stunde zu versäumen. Machet wenigstens, dass zuerst die Tartaren gegen die russische Ukraine gleich lachiret werden.479-1 Haltet den Euch bewussten Fonds deshalb parat, der Verlust von der Zeit dazu ist ohnersetzlich.
Solltet Ihr aber wegen der bekannten Sentiments, so der Grossvezier vor sich hat, ganz ohnübersteigliche Schwierigkeiten zu einem völligen Bruch von der Pforte finden, so suchet es wenigstens dahin zu bringen, dass solche an die dortigen Minister derer feindlichen Höfe, sonderlich von Wien und Petersburg, eine solenne Declaration thue, dass vermöge des Tractats, so sie mit Mir habe, es der Pforte nicht indifferent wäre, wenn Ich das geringste von Meinen Provinzen verlöre, und also gedachte Höfe darunter mit Ménagement zu Werke gehen und nicht daran denken möchten, sonst die Pforte sich nicht entbrechen könnte, ihre Mesures darnach zu nehmen. Dergleichen Declaration aber, wenn sie von wahrem Effect sein soll, würde zugleich durch Zusammenziehung einiger türkischen Corps bei Bender, Belgrad und der Orten, wo möglich, begleitet werden müssen. Dieses wäre das Ultimatum oder das pis aller, so Ihr dorten vor Mich zu bewirken hättet.
Lasset weder Euch noch die Pforte durch Insinuations von bevorstehendem Frieden einschläfern. Seid sicher und gewiss, dass es pure Grimassen von den feindlichen Höfen seind, um die Pforte und Euch zu dupiren, und dass nichts aus dem Frieden werden, vielmehr der Feind diese Campagne mit der grössesten Animosité gegen Mich thun wird, auch die Oesterreicher den Krieg, so lange es ihnen nur möglich sein wird, in das Lange hinausspielen und ihre jetzige Alliirte dazu entrainiren werden.
Aus Engelland habe Ich Hoffnung, dass man der Pforte ein Compliment über den mit Mir geschlossenen Tractat machen wird.479-2 Man scheinet aber dorten nicht recht zufrieden zu sein, dass es nicht bereits eine wirkliche Defensivalliance gewesen, so wie der Hof zu Londen es wünschet.
Friderich.
Nach dem Concept.
<480>478-1 Nr. 12894.
479-1 Vergl. Nr. 12931. 12954. — An Benoît in Warschau schreibt der König am 23. Juni: „Je suis étonné, de ce que vous ne sonnez mot de l'affaire à négocier avec le kan des Tartares. Informez-moi au plus tôt mieux du train que cette négociation prend, et poussez-y à la roue autant que possible.“
479-2 Vergl. S. 402.