<107> Sie sehen und gestehen es selbst, daß Ihre Politik schlecht eintrifft. Das wundert mich nicht, denn es ist Etwas dort oben, das aller Weisheit des Menschen spottet. Was wahrscheinlich aussieht, ist oft am wenigsten wahr. Hoffnung, Ehrsucht, Haß, Eigennutz sind Leidenschaften, die so verschiedene Wesen aus dem Menschen machen, daß, was dem Einen gut dünkt, dem Andern sehr schlimm vorkommt. Daher, Marquis, die Unmöglichkeit für Menschen, in die Zukunft zu dringen; davon sprechen, heißt rathen. Eben so gut würde ich die Räthsel lösen, welche die Sphinx den Thebanern aufgab. Freilich kann man in manchen Fällen die Folgen in ihren Gründen lesen, allein richtig denken und annehmen, daß Jeder, mit dem, wir zu thun haben, auch so denke, das trügt sehr.
Herr von Türenne sagte, daß er lieber einen General gegen sich habe, der die Sache verstände, als einen unwissenden, und zwar darum, weil er, ohne sich zu irren, voraus sehen könnte, was ein geschickter Feldherr thun würde; allein bei einen, andern, der ohne Grundsätze verführe, betrüge er sich immer.
Bei dem allen lassen Sie uns Geduld haben, wir werden Beide die Vernunft nicht an den Freveln der Dummheit rächen; geh' es wie es wolle, wir wollen lachen, wenn dumme Streiche begangen werden, statt in Aerger zu gerathen, und nicht vergessen, daß die Narren auf dieser Kugel zu unserm Zeitvertreibe da sind. Bedenken Sie, daß ich diesen Brief mitten durch feindliche Läger gehen lasse, und schließen Sie hieraus, wie schwer es ist, die Gemeinschaft unter uns zu erhalten. Die Russen haben sich in den Abscheulichkeiten, die ihre Kosacken verübt haben, selbst übertroffen; da sind Dinge vorgefallen, über die Busiris und Phalaris bei aller ihrer Unmenschlichkeit sich erbarmen müßten. Alle diese Schandthaten und Grausamkeiten muß ich gleichsam vor meinen Augen leiden; allein ich habe leiden gelernt, ohne ungeduldig zu