<116>Ich selbst erfuhr so viel hier in der Welt
(Stets blieb mein Herz in diesen Lagen leer)
Und fand : hier sei in aller Uebel Schaar
Ein wahres Gut allein, dem Größe selbst,
Dem Ruhm, dem jegliches Vergnügen weicht,
Ein Gut allein, das fest die Tugend sich
Verknüpft : Der Freundschaft friedlicher Genuß
Ich hatt' es, ach! an einer Schwester Brust,
Die mir der Tod entriß! — O Freundschaft, Du,
Die uns der Himmel gab, das einzige,
Das größte Gut! ein leerer Name bist
Du nun; Du sankst mit ihr zur Gruft hinab."
15. November 1761
Das Gedicht : "der Stoiker" (h. W. VII. 127).
"Ihr unzufriednen Sterblichen, die Ihr,
Und sei es strafbar, stets vernünfteln wollt! —
Nie mit Euch selbst, nie mit der Götter Zorn
Versöhnt, schon bei dem kleinsten Mißgeschick
Bestürzt, gebeugt, stets ungewiß, in Angst,
Voll Meuterei — im goldenen Palast,
Und von dem Halmendach bedeckt, umarmt
Ihr das Phantom des flücht'gen Glückes stets;
Umsonst beschäftigt immer Euch sein Bild;
Vergebens zehrt Ihr Euch in Arbeit auf.
Verscheucht den Dunst und höret Unterricht.
Auf dieser Erde machte die Natur
Euch Träumen, Irrthum, Täuschung unterthan,
Auf Eurem Wahn beruhet Euer Glück. etc.
Sei ruhig, Freund, und höre die Vernunft,
Gehorch mit Demuth dem, was sie befiehlt.
Was ist das Widrige, das Dich empört?
Der leere Klang von Tadel oder Lob?
Sonst nichts, als leeres Zittern eines Schalls,
Und Worte, die in Luft verflogen sind.