<328> einen neuen Balsam in unser Blut und besänftigt jene stürmischen Bewegungen, welche unser schwaches Maschinenwerk zerstören. etc.
Ein Engländer hat der Hierarchie die Nativität gestellt, und bei der Berechnung ihrer Dauer ihr letztes Ziel auf das Ende dieses Jahrhunderts bestimmt. Nicht ungern möcht' ich dies Schauspiel mit ansehn, aber ich glaube immer, es wird nicht so geschwind gehen; die Hierarchie wird wohl noch ein Paar Jahrhunderte ihre Ungereimtheiten emporhalten, besonders, da der Pöbel sie unterstützt.
Was ich eben da sage, veranlaßt die Frage : ob in einem Religionssystem das Volk der Fabel entbehren könne? Ich glaube es nicht; und das darum, weil die Thiere, welchen die Schule die Ehre erweist, sie vernünftige zu nennen, eigentlich wenig Vernunft besitzen. Was wollen denn ein Paar aufgeklärte Professoren, einige weise Akademisten sagen, im Vergleich mit der unabsehbaren Menge, welche einen Staat bildet? Die Stimme dieser Lehrer des Menschengeschlechts wird wenig gehört, und verbreitet sich nicht über die Schranken einer engen Sphäre. Wie soll man so viele Vorurtheile besiegen, die schon mit der Ammenmilch eingesogen sind? Wie gegen das Herkommen kämpfen, welches bei Dummköpfen für Vernunft gilt? Wie aus dem Herzen der Menschen einen Keim des Aberglaubens mit der Wurzel ausreißen, den die Natur selbst hineingepflanzt hat, und das Gefühl der den Menschen eigenthümlichen Schwachheit darin nährt? Das alles bestärkt mich in der Meinung, daß nicht viel mit dieser saubern Gattung von zweifüßigen ungefiederten Thieren anzufangen ist, und daß sie wahrscheinlich immer der Ball von Betrügern sein werden, welche Lust haben, sie zu berücken."
25. November 1769
Der König an Voltaire + :
+ Nach langem Stillschweigen hatte endlich Voltaire in diesem Monat den Briefwechsel mit dem König wieder angefangen.