<332> mich daher geneigt, zu glauben, daß Leichtgläubigkeit, Aberglauben und die ängstliche Furchtsamkeit schwacher Seelen in der Wage des Publikums allezeit das Uebergewicht haben werden, daß in allen Zeitaltern die Anzahl der Philosophen geringe sein, und daß irgend eine Art des Aberglaubens die Welt beherrschen wird. Die christliche Religion war in ihrem Anfange eine Art von Theismus, bald aber nahm sie den Götzendienst des Heidenthums und dessen Gebräuche in sich auf, gab diesen das Indigenat, und so überdeckte die Menge der immer neuen Stickereien, den bei ihrer Stiftung erhaltenen einfachen Stoff so sehr, daß er ganz unkenntlich ward. Unvollkommenheit, sowohl im Sittlichen, als im Physischen, ist, der Charakter der Kugel, die wir bewohnen. Eben so ist das Bestreben, diese Welt aufzuklären; oft bringt sogar diese Beschäftigung denen Gefahr, die sich damit befassen. Können wir weise für uns sein, gut; das mag uns genügen, aber den Pöbel müssen wir dem Irrthum überlassen, und bloß uns bemühen, ihn von solchen Verbrechen abzulenken, welche die Gesellschaft zerrütten. Sehr richtig sagt Fontenelle: wenn er die Hand voll Wahrheiten hätte, so würde er sie nicht öffnen, um sie dem Publikum mitzutheilen, weil es der Mühe nicht werth sei +.
+ Dieser Brief steht zwar in den 0euvr. posth. unter dem 8. Januar 1770; er gehört aber zuverlässig hierher, denn schon unter dem 18. Dezember 1769 dankt d'Alembert dem König für den überschickten Prolog und beantwortet darin zugleich des Königs Brief vom 15. November 1769, ohne des vom 4. Januar zu erwähnen., welchen er erst den 29. Januar 1770 beantwortet. Daraus ergiebt sich, daß das Datum von d'Alembert's Brief, der 18. Dezember 1769, richtig ist, und zugleich auch, daß der Prolog — wie oben angeführt — am 26. Oktober 1769 zum ersten Mal, und zwar bei dem Lustspiel: la surprise de l'amour, und nicht, wie in Preuß "Friedrich als Schriftsteller" S. 142 gesagt wird, den 27. September 1770 aufgeführt worden ist. Hiermit stimmt auch des Königs Brief an Voltaire vom 25. November 1769, worin der König sagt, daß er den Prolog in der Eile verfertigt habe. Nach S. 143 des angeführten Buches heißt es zwar :