<40> den Zügel schießen, wenn sie nicht durch die Furcht vor den Gesetzen davon abgehalten werden.

Sie finden mich vielleicht zu misanthropisch. Ich bin krank, ich leide Schmerzen und habe mit einem halben Dutzend boshafter Geschöpfe beiderlei Geschlechts zu thun, die selber einen Sokrates und Antonin aus der Fassung bringen würden. Sie sind glücklich, daß Sie Kandidens Rath befolgen und Sich darauf einschränken, Ihren Garten zu bauen. Nicht Jedem ist es vergönnt, eben das zu thun. Der Stier muß Furchen ziehen, die Nachtigall singen, der Delphin schwimmen und ich — Krieg führen.

Je länger ich dies Handwerk treibe, desto mehr überzeuge ich mich, daß das Glück den größten Antheil daran hat. Lange werde ich es, glaube ich, wohl nicht mehr thun; meine Gesundheit verfällt zusehends, und ich könnte wohl bald abreisen, um Virgil'n von der Henriade zu unterhalten, und in jenes Land hinabzugehen, wo unser Kummer, unsere Freuden und unsere Hoffnungen uns nicht nachfolgen, wo Sie mit Ihrem herrlichen Genie und der Troßtknecht einerlei Werth haben, kurz, wo man sich wieder in dem Zustande befindet, der vor der Geburt vorher ging.

Vielleicht wird Ihnen in Kurzem das Vergnügen zu Theil, mein Epitaphium zu verfertigen. Sie werden von mir sagen, daß ich die guten Verse liebte und schlechte machte; ferner, daß ich nicht stumpfsinnig war, um Ihre Talente nicht hochzuschätzen. Kurz, Sie werden von mir eben so Rechenschaft geben, wie Babuck dem Engel Ituriel in Paris +.

Das ist für die Lage, in der ich bin, ein langer Brief! Ich finde ihn ein wenig schwarz; indeß soll er doch abgehen, wie er ist. Er wird unterweges nicht aufgefangen werden und in der tiefen Vergessenheit bleiben, zu der ich ihn verdamme. etc."


+ In der Erzähl. : Babuck oder wie es in der Welt geht, von Voltaire.