Oktober.
A.
Oktober 1760
Der König in Dittersdorf.
7. Oktober 1760
Von Dittersdorf in das alte Lager bei Bunzelwitz.
7. Oktober 1760
Der König an d'Argens :
"Gotskowsky hat mir so eben, mein lieber Marquis, Ihren Brief überbracht. Befürchten Sie Nichts für meine gute Stadt Berlin; man hat für Alles gesorgt, und die Bürgerschaft soll in Nichts belästigt werden. Ich wünschte, daß man wichtigere Dinge, die mich beunruhigen, eben so gut beendigen könnte. Gleichwohl haben wir so eben einen Obersten, 100 Mann und 4 Kanonen den Kreistruppen abgenommen. Jetzt sind sie gänzlich aus Sachsen vertricben. Unsere Husaren haben Wunder gethan."
8. Oktober 1760
In der Vorstadt von Jauer.
<35>9. Oktober 1760
In Haynau, dann in Conradsdorf. Hauptquartier.
10. Oktober 1760
In Primkenau.
11. Oktober 1760
In Sagan.
13. Oktober 1760
In Golßen (Nieder-Lausitz).
14. Oktober 1760
In Guben (log. in der alten Münze).
15. Oktober 1760
In Groß-Muckro. Hier erfährt der König die Einnahme Berlins durch die Russen und zugleich auch ihren Rückzug.
16. Oktober 1760
In Sickadel.
17. Oktober 1760
In Lübben bis den 20.
20. Oktober 1760
In Wildau
21. Oktober 1760
In Dahme.
22. Oktober 1760
Jessen — Schweinitz Hauptq. Aus ersterm Ort schreibt der König an d'Argens :
"Da waren denn einige von den Streichen, die ich seit dem vorigen Winter besorgte. Aus dem Grunde schrieb ich Ihnen so oft Briefe über meine unglückliche Lage. Ich hatte meine ganze Philosophie nöthig, um die Widerwärtigkeiten, Erniedrigungen, Beschimpfungen und die ganze Reihe von schrecklichen Dingen zu ertragen, die vorgegangen sind. Ich bin in voller Thätigkeit, und prophezeihe Ihnen, wie unser Feldzug sich ungefähr endigen wird. Wir werden Leipzig, Wittenberg, Torgau und Meissen wieder einnehmen; der Feind aber wird in Sachsen Dresden und in Schlesien die Gebirge behalten, und diese Vortheile werden es ihm leicht machen, mir im folgenden Jahre den Gnadenstoß zu geben. Ich sage Ihnen nicht, was ich denke, noch weniger was ich im Sinne habe; aber ohne Zweifel werden Sie Sich vorstellen können, was im Innern meines Herzens vorgeht, wie zerrüttet mein Geist und alle meine Gedanken sind.
Ihr Brief hat mir Vergnügen gemacht, wenn man anders in, Sturme, in diesen unruhigen, alles zerrüttenden Zeiten, mitten unter der Verheerung, der Verwüstung und dem Tode, zu einer ähnlichen Empfindung fähig ist. Sie haben, wie ich sehe, unter den Ursomanen und Oestreichern eine ruhige<36> Seele behalten, und Ihre Gesundheit hat dadurch nicht gelitten.
Die Abschrift des Briefes, die Sie mir schicken 36-+, ist wirklich von mir; einige Fehler im Styl ausgenommen, die sich vermuthlich bei dem Kopiren eingeschlichen haben. So wird das Ende meiner Tage vergällt, lieber Marquis, so spottet das Glück der schwachen Sterblichen! Aber ich bin seiner Gunstbezeigungen und seines Eigensinnes müde, und denke darauf, mir eine Lage zu verschaffen, in der ich weder von den Menschen, noch von den Göttern etwas befürchten darf. Leben Sie wohl, lieber Marquis; beruhigen Sie Sich und lesen Sie noch einmal Virgil's zweiten Gesang, worin Sie ungefähr ein Bild von Dem sehen werden, was mein Vaterland erlitten hat.
Schreiben Sie mir, Sie haben Muße dazu, und vergessen Sie mich nicht."
23. Oktober 1760
In Tragun.
25. Oktober 1760
In Coswig.
26. Oktober 1760
In Jonitz (auch vielleicht in Dessau?).
27. Oktober 1760
In Kemberg.
28. Oktober 1760
Der König an d'Argens :
"Nennen Sie meine Gesinnungen, wie Sie wollen, lieber Marquis. Ich sehe, daß wir in unsern Begriffen nie übereinstimmen werden, und daß wir von sehr verschiedenen Grundsätzen ausgehen. Sie schätzen das Leben wie ein Sybarit, und ich? — ich betrachte den Tod wie ein Stoiker. Nie werde ich den Augenblick sehen, der mich nöthigt, einen nachtheiligen Frieden zu schließen; keine Bewegungsgründe, keine Beredsamkeit können mich dahin bringen, daß ich meine Schande unterschreibe. Entweder lasse ich mich unter den Ruinen meines Vaterlandes begraben, oder sollte dieser Trost dem Geschicke, das mich verfolgt, noch zu süß scheinen; so werde<37> ich mein Unglück zu endigen wissen, wenn es sich unmöglich länger ertragen läßt. Ich handelte stets der innern Ueberzeuguug und jenem Gefühle von Ehre gemäß, die alle meine Schritte leitet, und thue es auch noch jetzt; mein Betragen wird allezeit mit diesen Grundsätzen übereinstimmen. Die Jugend opferte ich meinem Vater, und die männlichen Jahre meinem Vaterlande auf; nun glaube ich berechtigt zu sein, über mein Alter zu gebieten. Ich habe es Ihnen gesagt, und wiederhole es noch einmal; nie wird meine Hand einen schimpflichen Frieden unterzeichnen. Ich bin fest entschlossen, in diesem Feldzuge Alles zu wagen, und die verzweifeltsten Dinge zu versuchen, um zu siegen oder ein ehrenvolles Ende zu finden.
Ich habe einige Betrachtungen über die kriegerischen Talente Karls XII angestellt; aber nicht untersucht, ob er sich hätte tödten sollen, oder nicht. Nach der Eroberung von Stralsund hätte er, dünkt mich, klug gehandelt, wenn er aufgebrochen wäre. Mag er aber gethan oder gelassen haben, was er will; sein Beispiel ist keine Regel für mich. Es giebt Leute, die dem Geschicke folgsam sind; ich bin nicht dazu geboren. Habe ich für Andere gelebt, so will ich für mich sterben. Was man davon sagen wird, ist mir sehr gleichgültig, und ich stehe Ihnen sogar dafür, daß ich es nie erfahren werde. Heinrich IV war ein jüngerer Sohn von gutem Hause, der sein Glück machte; da hatte er nun eben nicht Ursache, sich zu erhenken. Ludwig XIV war ein großer König, er hatte große Hülfsquellen und zog sich aus der Verlegenheit. Doch ich — ich bin ihn, an Macht nicht gleich; aber die Ehre ist mir theurer, als ihm, und, wie ich Ihnen schon gesagt habe, ich richte mich nach Niemand.
Seit Erschaffung der Welt zählen wir, glaub ich, fünftausend Jahre; diese Angabe scheint mir viel geringer, als die Dauer des Weltalls. Das Brandenburgische Land hat diese ganze Zeit hindurch existirt, ehe ich auf der Welt war. Eben<38> so wird es noch da sein, wenn ich schon todt bin. Die Staaten erhalten sich durch die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts, und so lange man noch an Vermehrung desselben mit Vergnügen arbeitet, werden sich auch Minister oder Regenten finden, die das Volk beherrschen. Etwas mehr Thorheit, etwas mehr Weisheit — das läuft ziemlich auf Eins hinaus. Die Nuancen sind so klein, daß das Volk, im Ganzen genommen, sie kaum bemerkt.
Wiederholen Sie mir also, lieber Marquis, das alte Hofgeschwätz nicht länger, und bilden Sie Sich nicht ein, daß mich die Vorurtheile der Eigenliebe und der Eitelkeit blenden, oder mich auch nur zur kleinsten Veränderung meiner Gesinnungen bewegen könnten. Man endigt ein unglückliches Leben nicht aus Schwachheit, sondern aus überdachter Klugheit, die uns überzeugt, daß der Zustand, in welchem uns Niemand schaden, und Nichts unsere Ruhe stören kann, der glücklichste für uns ist. Wie viel Gründe hat man nicht in einem Alter von fünfzig Jahren, das Leben zu verachten.' Mir bleibt keine Aussicht übrig, als daß ich ein kraftloses, schmerzhaftes Alter, Kummer, Betrübniß über ehemaliges Glück, Schande und Beschimpfungen haben werde.
In der That, wenn Sie Sich in meine Lage hineindenken, so werden Sie meinen Vorsatz weniger tadeln, als jetzt. Ich habe alle meine Freunde, meine geliebtesten Verwandten verloren; mich trifft jede nur mögliche Art von Unglück; mir bleibt gar keine Hoffnung übrig; ich sehe mich von meinen Feinden verspottet, und ihr Stolz trifft Anstalten, mich unter die Füße zu treten. Ach! Marquis : Wenn Alles uns verläßt, die Hoffnung selbst uns flieht, Dann wird das Leben Schmach und eine Pflicht der Tod. Mehr weiß ich nicht hinzuzusetzen. Ihrer Neugierde erzähle ich, daß wir vorgestern über die Elbe gingen, und morgen nach Leipzig marschieren, wo ich den 31sten zu sein gedenke. Da schlagen wir uns hoffentlich, und von daher sollen Sie<39> Nachrichten von uns bekommen, so wie die Vorfälle sie geben werden. Leben Sie wohl, lieber Marquis. Vergessen Sie mich nicht, und sein Sie von meiner Hochachtung überzeugt."
29. Oktober 1760
Der König in Düben.
30. Oktober 1670
In Eilenburg.
31. Oktober 1750
Der König an Voltaire:
"Ich bin Ihnen verbunden, daß Sie Antheil an einigen flüchtigen Gunstbezeigungen nehmen, die ich der Glücksgöttin entwandt habe. Seit der Zeit sind die Russen in Brandenburg eingebrochen. Ich eilte hinzu; sie entflohen aber sogleich, und ich wandte mich nun nach Sachsen, wo die Umstände meine Gegenwart erfoderten. Wir haben noch zwei lange Monate zu diesem Feldzuge vor uns. Der jetzige ist der härteste und ermüdendste von allen gewesen. Mein Körper empfindet es, meine Gesundheit nimmt ab, und mein Geist vermindert sich in dem Verhältnis wie seine Behausung den Einsturz drohet.
Ich weiß nicht, was für einen Brief von mir an den Marquis d'Argens man aufgefangen haben mag; vielleicht ist er von mir, vielleicht auch in Wien fabricirt. etc. – etc. - etc. Ihr Eifer entbrennt gegen die Jesuiten und gegen die mancherlei Arten von Aberglauben auf der Erde. Sie thun sehr wohl daran, daß Sie gegen den Irrthum kämpfen; aber glauben Sie, daß die Welt sich ändern wird? Der menschliche Geist ist schwach; mehr als drei Viertel von uns sind zur Sklaverei des ungereimtesten Fanatismus geschaffen. Die Furcht vor dem Teufel und der Hölle wirft den Leuten eine Decke vor die Augen, und sie verabscheuen den Weisen, der ihnen Licht geben will. Der große Haufen unsers Geschlechtes ist albern und boshaft. Ich suche an ihm vergeblich das Bild Gottes, wozu er, wie die Theologen versichern, geschaffen sein soll. Jeder Mensch hat ein wildes Thier in sich; nur wenige wissen es zu fesseln, die meisten lassen ihm<40> den Zügel schießen, wenn sie nicht durch die Furcht vor den Gesetzen davon abgehalten werden.
Sie finden mich vielleicht zu misanthropisch. Ich bin krank, ich leide Schmerzen und habe mit einem halben Dutzend boshafter Geschöpfe beiderlei Geschlechts zu thun, die selber einen Sokrates und Antonin aus der Fassung bringen würden. Sie sind glücklich, daß Sie Kandidens Rath befolgen und Sich darauf einschränken, Ihren Garten zu bauen. Nicht Jedem ist es vergönnt, eben das zu thun. Der Stier muß Furchen ziehen, die Nachtigall singen, der Delphin schwimmen und ich — Krieg führen.
Je länger ich dies Handwerk treibe, desto mehr überzeuge ich mich, daß das Glück den größten Antheil daran hat. Lange werde ich es, glaube ich, wohl nicht mehr thun; meine Gesundheit verfällt zusehends, und ich könnte wohl bald abreisen, um Virgil'n von der Henriade zu unterhalten, und in jenes Land hinabzugehen, wo unser Kummer, unsere Freuden und unsere Hoffnungen uns nicht nachfolgen, wo Sie mit Ihrem herrlichen Genie und der Troßtknecht einerlei Werth haben, kurz, wo man sich wieder in dem Zustande befindet, der vor der Geburt vorher ging.
Vielleicht wird Ihnen in Kurzem das Vergnügen zu Theil, mein Epitaphium zu verfertigen. Sie werden von mir sagen, daß ich die guten Verse liebte und schlechte machte; ferner, daß ich nicht stumpfsinnig war, um Ihre Talente nicht hochzuschätzen. Kurz, Sie werden von mir eben so Rechenschaft geben, wie Babuck dem Engel Ituriel in Paris 40-+.
Das ist für die Lage, in der ich bin, ein langer Brief! Ich finde ihn ein wenig schwarz; indeß soll er doch abgehen, wie er ist. Er wird unterweges nicht aufgefangen werden und in der tiefen Vergessenheit bleiben, zu der ich ihn verdamme. etc."
<41>1. Oktober 1760
Es gehen noch zwei Corps der Alliirten bei Emmerich und bei Roes über den Rhein.
2. Oktober 1760
Gefecht bei Wittenberg. General Hülsen gegen die Reichstruppen. Ersterer muß sich zurück ziehen. Er geht über Coswig ins Lager bei Mühlstadt.
?? Oktober 1760
Die Preußen verlassen Leipzig, daß nun also ganz Sachsen bis auf Wittenberg in den Händen der Feinde war.
3. Oktober 1760
Wittenberg von den Reichstruppen berennt.
3. Oktober 1760
Die Russen unter dem General von Tottleben 41-+ 4) vor Berlin. Die Stadt wird aufgefodert, und da der Commandant, General von Rochow, eine abschlägige Antwort giebt, aus drei vor dem Halleschen und Cotbusser Thore errichteten Haubitz-Batterien beschossen, doch ohne Schaden zu thun. Darauf versuchten die Russen mit 300 Grenadieren das Hallesche Thor zu erstürmen, sie wurden aber mit Verlust zurückgeschlagen.
3. Oktober 1760 bis 4. Oktober 1760
In der Nacht langten zwei Kavallerieregimenter vom Corps des Herzogs von Würtemberg in Berlin an, und rückten den 4ten früh vor dem Halleschen Thore dem Feinde entgegen.<42> Abends kam auch die Infanterie des Herzogs von Würtemberg an. Tottleben hatte sich schon mit einem Theil seiner Truppen nach Cöpnik, welcher Stadt er sich bemächtigt hatte, zurückgezogen, um sich dem anrückenden General Czernitschef zu nähern.
5. Oktober 1760
Der Herzog von Würtemberg rückt mit seinem Corps vor das Hallesche Thor, nöthigt die noch daselbst stehenden Russischen Truppen, sich ebenfalls nach Cöpnik zurückzuziehen und nimmt sein Lager auf den Höhen vor dem Halleschen Thore.
5. Oktober 1760
Der General Czernitschef kommt mit einem Corps bei Copnik an, weshalb der Herzog von Würtemberg sein Lager auf die Höhen vor dem Landsberger Thore verlegt.
7. Oktober 1760
Bricht Tottleben von Cöpnik auf und besetzt die Höhen zwischen Mariendorf und Steglitz, und mit einem andern Theil geht er wieder vor das Hallesche Thor und läßt die Stadt aufs Neue beschießen. Indeß langte auch ein Theil des Corps vom General Hülsen unter dem Oberst Kleist an, wobei es in der Gegend von Schönberg zu einem Gefecht kam, und dieses Dorf in Brand geriet. Kleist mußte sich nach Teltow zurückziehen, wo eben der General Hülsen mit den übrigen Truppen angelangt war. Während dieser Vorfälle hatte der General Czirnitschef sein Lager bei Lichtenberg, dem Herzog von Würtemberg gegenüber, genommen.
Das Hülsensche Corps, welches sich Tottleben entgegenstellte, hatte diesen General wieder zum Zurückzug veranlaßt, um sich an die anrückenden Oestreicher unter Laszy anzuschließen.
8. Oktober 1760
Erhalten dle Russen Unter Czernitschef eine Verstärkung von 9 Bat., 5 Eskadr. und einer zahlreichen Artillerie, welche sich bei Weissensee lagern. Der Herzog von Würtemderg suchte dies zwar zu verhindern, was eine lebhafte Kanonade verursachte, die aber nichts entschied.
8. Oktober 1760
Gegen Abend langte nun auch das Oestreichische Corps unter<43> Laszy in Mariendorf, 1 Meile von Berlin, an, welcher sogleich durch den Fürsten von Lichtenstein die Stadt auffodern ließ, aber abschlägige Antwort erhielt. Da nun die Feinde, Russen und Oestreicher zusammen, an 30000 Mann stark waren, die Preußen unter dem Herzog von Würtemberg und Hülsen aber überhaupt kaum 14000 Mann hatten, so hielten es diese Generale für rathsamer, dem Könige dies Corps zu erhalten, als es auf ein so gewagtes Spiel zn setzen, wo im Fall, daß es geschlagen würde, das Schicksal der Hauptstadt unendlich verschlimmert werden müßte. Beide zogen sich also in der Nacht auf den 9ten nach Spandau zurück. Bei Anbruch des Tages wurde die Arriere-Garde, welche das Freibataillon Wunsch, die Fußjäger und etwa 100 Husaren und Dragoner machten, von den Kosacken verfolgt und theils niedergemacht, theils gefangen genommen. Vorher schon war Tottleben vor das Cotbusser Thor gerückt und hatte die Stadt wiederholt aufgefodert, nach erhaltener abschlägiger Antwort aber von Neuem bombardiren lassen.
9. Oktober 1760
Früh um 3 Uhr schickte nun der Commandant von Rochow zwei Officiere, Major Wegener und Rittmeister Wangenheim, an den General Tottleben, und bot ihm eine Capitulation an, die dann auch abgeschlossen wurde. Sie lautete wie folgt :
1) Die Garnison und Alles, was zum Militär gehört, erhält freien Abzug samt ihren Effecten, wozu ihnen Vorspann gegeben wird.
2) Was vom Militär krank ist, genießet bis zur Genesung alle Sicherheit und hiernächst auch freien Abzug und Vorspann zur Fortbringung ihrer Sachen.
Antwort auf 1 und 2. Der Herr Commandant, alle Herren Generals, Stabs- und andere Officiere, wie auch alle Soldaten, sie gehören zur Garnison oder nicht, sie mögen dienen oder sonst in Berlin sich aufhalten,<44> Kranke und Invaliden, so noch Dienste thun können, in Summa alle die, so in Berlin und auf dieser Seite sind, müssen sich zu Kriegsgefangenen ergeben und zum Thore ausmarschiren, das Gewehr strecken und die Thore der Stadt von mir besetzen lassen. Die lahm oder Krüppel sind, bleiben hier, aber wegen ihrer soll eine Specification gegeben werden. Die Herren Officiers behalten ihre Equipage. Es muß auch eine Specification von allen gefangenen Officiers, Unterofficiers und Gemeinen, so hier sind, beigebracht werden, und sollen morgen früh um 7 Uhr bei dem Cotbusser Thore sein.
3) Die Garnison nimmt alle vorhandene Ammunition, Geschütze und Montirungsstücke mit. Antwort Die Artillerie und Kriegsammunition muß, ohne das allermindeste zu verheelen, sondern laut Specification an mich übergeben werden.
4) Das Königliche Schloß, die Prinzlichen Palais und andere öffentliche Gebäude erhalten Sauvegarde und werben wie geheiligte Schutzörter angesehen und gehalten. Antwort: Da alle übrigen Häuser unbeschädigt und von aller Plünderung frei sein sollen, um so vielmehr soll dies den Königlichen Häusern widerfahren.
5) Alle Kriegsgefangene, so von der Kaiserlich Russischen Armee allhier sein und sich hier befinden, werden von der Garnison mitgenommen.
6) Die außer der Garnison hier befindlichen Militärbediente, wie auch von denen Alliirten, werden getreulich angegeben, keine Königl. Kassen und Kriegsammunitionen, Proviantmagazine und Fourage werden verheelt.
7) Sobald die Russische Garnison einrückt, soll die Stadt vor allen Anfällen der Truppen, sowohl Kaiserl. Russischer Seite, als von deren Alliirten sichern Schutz haben. Berlin, den 9. Oktbr. 1760. von Rochow.<45> Antwort auf 5, 6 und 7. Alle Gefangene, Sachsen und Schweden, Oestreichische und Französische Truppen, wie auch die von der Reichsarmee, und in Summa alle Gefangene von denen Alliirten Armeen, so hier sind, müssen sofort an mich übergeben werden, und es muß nichts verheelet werden, worin es wolle, nemlich von der Garnison, und aller Kriegsammunition und Gefangenen.
Was die Stadt Berlin für Contribution und baare Brandschatzung zu erlegen, wird der Herr Brigadier von Bachmann, als welchen ich zur Errichtung der Capitulation hiermit bevollmächtige, a parte aufgeben.
Im Lager bei Berlin, den 9. Oktbr. 1760.
Graf Tottleben. von Rochow.
Capitulationspunkte, welche accordirt zu erhalten die Stadt Berlin von der Gnade Ihro Russisch Kaiserl. Majestät und des commandirenden Herrn Generals Hochgräflichcn Excellenz bekannten Generosität hoffet :
1) Daß den hiesigen Residenzien und sämtlichen Einwohnern alle ihre Privilegia, Freiheiten und Gerechtigkeiten verbleiben, auch Nahrung und Gewerbe, Fabriken und Künste in ihrem bisherigen Gange gelassen werden.
2) Das freie Religionserercitium und der öffentliche Gottesdienst bei der bisherigen Verfassung, ohne die mindeste Veränderung, bleibe.
3) Sämtliche Städte und Vorstädte von Einquartierung verschonet, auch den leichten Truppen nicht verstattet werde, in die Städte und Vorstädte einzudringen.
4) Sollte die Notwendigkeit erfodern, einige reguläre Truppen in die Städte und Vorstädte zu verlegen, so geschiehet solches nach denen bisherigen Städtischen Verfassungen, und bleiben diejenigen, so sonsten erimiret gewesen, ferner bei ihrer Freiheit.<46> 5) Alle Einwohner überhaupt, und wessen Standes und Würde sie sein, bleiben in dem ruhigen Besitz des Ihrigen, und wird allen Unordnungen und Plünderungen in sämtlichen Städten und Vorstädten, auch des Magistrats Dörfern und Vorwerken gesteuert.
6) Kirchen, Schulen, Hospitäler und allen piis corporibus, nicht minder deren Bedienten sowohl, als andern Civilbedienten bleiben ihre bisherigen Einkünfte und deshalb gemachte Einrichtungen.
7) Es werden denen hiesigen Königlichen Collegiis, also auch dem Landschaftlichen und Magistratscollegio, auch Stadtgerichte, ihre Archive und Registraturen, nicht minder alle bisherigen Einkünfte, da solche mit den König!. Kassen keine Connerion oder Verbindung haben, ferner gelassen.
8) Der Handel zu Wasser und zu Lande, in und außerhalb Landes, wird fernerhin sicher und ungestört getrieben.
9) Der Lauf der Posten wird nicht gehemmt, und freie Passage und Zufuhr wird überall gestattet.
10) Die Polizeiverfassung bleibet auf dem alten Fuß, und werden alle Zünfte und Gilden bei ihren Privilegiis gelassen, und ihnen weder in Ansehung ihrer Personen als Metiers, Gesellen und Lehrburschen, das geringste in Weg gelegt.
11) Wird der Stadt Berlin die Garantie geleistet, daß die Capitulation auch, in Ansehung sämtlicher mit Ihrer Russisch Kaiserlichen Majestät verbundenen Mächte und deren Truppen, ihre Vollgültigkeit habe, und derselben auf keine Weise weiter etwas zu gemuthet werden solle.
12) Da auch noch ein und andere Puncte, so zum wesentlichen Besten der Stadt gereichen, und eine Folge der gnädigst promittirten Protection Ihrer Russisch Kaiserlichen Majestät anzusehen, hier nicht völlig enthalten sein; so wollen des commandirenden Generals Hoch<47>gräfl. Exzellenz auf geziemendes Ansuchen des Magistrats sowohl, als die etwan nöthig seienden Sauvegardes, hiernächst noch separatim verwilligen.
13) Dahingegen werden von der Stadt Berlin statt des gefoderten Mehls, Rationen und Portionen, da solche keinen Ackerbau oder andere Gelegenheit dergleichen anzuschaffen hat, dem unter dem Commando Sr. Hochgrafl. Excellenz stehenden Corps ein Douceur von 100000 Reichsthaler, für das Corps des Herrn Generals Czernitschef Excellenz und für das Corps des Herrn Generals von Lascy Excellenz 100000 Rthlr. morgen früh bezahlet, und cessiren alsdann alle weitere Anfoderungen, sie haben Namen wie sie wollen.
Die Kaiserliche Contribution betreffend unterwirft sich die Stadt, wegen der pro Ultimo gefoderten 1½ Million Thaler, lediglich Ihrer Russisch Kaiserlichen Majestät weltgepriesener Gnade, im mildesten Betracht der bekannten und notorischen Armut der mehresten Einwohner, und hoffet durch die vielgültige Vorsprache der hohen Russischen Generalität, wegen dieser großen Summe, noch eine ansehnliche Milderung zu erhalten.
Inzwischen verbindet sich die hiesige Kaufmannschaft über die ganze Summe einen Wechsel, in 6 Tagen zahlbar, Sr. Hochgräfl. Excellenz auszuhändigen, mit dem Vorbehalt, daß, was in diesen 6 Tagen, auf Abschlag dieser Summe, in Silbermünze zusammengebracht werden könne, darauf angenommen werde, und wird die Kaufmannschaft wegen des Ueberrestes Wechsel in Ducaten zu 4 Thlr. jedes Stück gerechnet, und in 2 Monat zahlbar extradiren.
Uebrigens erhält die Stadt die Versicherung, daß, außer denen in dieser Capitulation stipulirten Geldsummen, von den übrigen, vor oder in der Stadt stehenden, oder noch anrückenden Oestreichischen Truppen, keine wei<48>tere Contribution oder Douceurgelder zu bezahlen, noch Naturalverpflegung zu übernehmen weiter zugemuthet werden solle. Berlin, den 9. Oktbr. 1760.
Graf Tottleben.
Hierauf kam der General-Major Graf Tottleben, die Generale Fürst Dolgorucki und von Panin und der Brigadier von Bachmann etc. in die Stadt, und es rückten zugleich einige reguläre Kavallerie und Infanterie mit ihren Feldstücken zum Cotbusser Thore ein 48-+. Die Thorwachen und auch die Schloßwache wurden von den Russen besetzt, die Garnison mußte das Gewehr strecken und ward abgeführt. Der Brigadier von Bachmann war zum Commandanten ernannt worden. Der General Graf Tottleben nahm sein Quartier in der Brüderstraße in dem Montgobertschen, ehemals St. Vincentschen Hause (jetzt Nr. 39), der General Czernitschef hatte sein Hauptquartier in Friedrichsfelde auf dem damals Markgräflichen Schlosse genommen. Der Oestreichische General von Laszy, als er von Tottleben benachrichtigt ward, daß die Stadt mit ihm capitulirt habe, war damit höchst unzufrieden und verlangte gleichen Theil daran zu haben, er ließ das Hallesche Thor mit Gewalt besetzen und wollte gegen die Capitulation protestiren. Nach vielen Streitigkeiten wurden den Oestreichern 50000 Thlr. von den Douceurgeldern zugesichert und ihnen 3 Thore zu besetzen nachgegeben. Sie drangen aber bald mit einigen Tausend Mann in die Stadt ein und nahmen die ganze Friedrichstadt zu ihren Quartieren, wo sie große Exesse verübten 48-++, wogegen die Russen die strengste und rühmlichste Mannszucht hielten.
<49>Der Graf Tottleben hatte von dem General en Chef Reichsgrafen von Fermor die gemessensten Befehle, mit Berlin ohne Schonung zu verfahren, 4 Millionen in altem Gelde zu erheben, alle Königl. Fabriken, Münzen, das Gießhaus und alle dergl. Anstalten zu ruiniren 49-+ etc. Dennoch wurde die Stadt weit weniger hart behandelt, als man allen Umständen nach fürchten mußte. Sie verdankte dies sowohl Tottleben selbst, der auch später beschuldigt ward, zu viel Nachsicht gehabt und nicht, wie er gesollt und ihm von Fermor befohlen worden, gehandelt zu haben, und in Untersuchung kam, als auch dem Commandanten Wachmann. Diesem wollte die Stadt ein Geschenk von 10000 Thlr. machen, allein er schlug es mit den Worten aus: "Glaubt die Stadt, daß ihr Schicksal durch unsere Mannszucht erträglicher ist, als es hätte sein können, so hat sie es dem ausdrücklichen Befehl unserer Kaiserin zu danken; ich für mein Theil bin durch die Ehre, drei Tage Commandant in Berlin gewesen zu sein, hinlänglich belohnt."
Bei aller Schonung, welche der Stadt zu Theil ward, war das Unglück sowohl für sie, als auch für den König, immer noch sehr groß. Das Zeughaus, darin außer 86 Stück Geschützen, nach Andren 143, eine Menge Gewehre, Säbel, Pistolen und andere Armatursiücke, die eroberten Fahnen etc. (Schwedische und Sächsische, die Oestreichischen waren schon vorher nach Magdedurg geschafft worden), desgl. Kugeln, große Vorräthe von Schwefel und Salpeter etc. befindlich<50> waren, und die Montirungskammern wurden gänzlich ausgeräumt, so auch die Proviant, und Fourage-Magazine, und alles, was wegen Kürze der Zeit nicht fortgeschafft werden konnte, wurde vernichtet, ins Wasser geworfen oder verbrannt; Anderes um ein Spottgeld verkauft, z. B. Salz, die Tonne für 1 Thlr., wofür überhaupt 1500 Thlr. gelöst wurden. Aus Königl. Kassen wurden 62000 Thlr. 50-+, und aus dem Königl. Marstalle alle Pferde, Kutschen und Geschirre weggenommen. Das Gießhaus sollte in die Luft gesprengt werden, doch begnügte man sich endlich damit, die Maschinen und Oefen zu ruiniren. Gleiches geschah in der vor dem Thore befindlichen Pulverfabrik; ein Pulvermagazin flog dabei in die Luft. Auch in der Münze wurden die Maschinen unbrauchbar gemacht. Nicht ohne viele Mühe erlangte man, daß das Lagerhaus und die Gold- und Silbermanufactur, als eigentlich nicht Königliche Manufakturen, obschon Fermor sie auf die Liste der zu zerstörenden Gegenstände gesetzt hatte, verschont wurden. (S. Gotskowsky) 50-++.
Die Bürgerschaft hatte ebenfalls ihre Gewehre abliefern müssen, die theils zerschlagen, theils mitgenommen wurden. Einen sehr schmerzlichen Eindruck machte es, als man auch die Kadetten, fast alle noch Kinder, da man die erwachsenern zur Armee geschickt hatte, als Gefangene abführen sah. Die Zahl aller Gefangenen, inclus. der Kadetten, betrug 4499 Mann.
Eine andere traurige Scene war die beschlossene Execution<51> der beiden Berliner Zeitungsschreiber Krause und Kretschmer. Man gab ihnen Schuld, in die Zeitungen allerlei Dinge aufgenommen zu haben, wodurch die mit Preußen in Krieg befindlichen Mächte beleidigt worden 51-+; auch hielt man sie für die Verfasser der sogenannten Bauerngespräche (s. 2. Abtheil. S. 335), und anderer gegen sie gerichteten Flugschriften, deswegen sollten sie nun mit Gassenlaufen bestraft werden. Zu diesem Behuf hatte sich auf dem Neuen Markt ein Russisches Commando von ungefähr 100 Mann aufgestellt, denen von einem Profos die Ruthen ausgetheilt wurden, darauf holte man (den 12ten früh um 8 Uhr) die beiden Unglücklichen aus der Neuen Marktwache, wo sie gefangen saßen, und führte sie vor die Gasse, wo sie entkleidet wurden und der zu Pferde commandirende Officier ihnen die zuerkannte Strafe bekannt machte. Der Redacteur der Spenerschen Zeitung, Joh. Victor Krause, ein 68jähriger Greis, umfaßte den Fuß des Officiers, nahm seine Perücke vom Haupt und zeigte sein eisgraues Haar, indem er weinend um Gnade bat, die ihm der Officier auch sogleich gewährte, und ihn freiließ. Der Vossische Redacteur, Kretschmer, erhielt salva fama einige Hiebe, und ward dann ebenfalls entlassen.
Alsdann wurden alle jene anstößigen Schriften, die man in den Buchhandlungen, und wo man sie sonst hatte auffinden können, weggenommen hatte, auf dem Neuen Markt an dem daselbst zum Galgen oder Pranger dienenden Pfahl auf einen Haufen geschüttet und verbrannt.
Außer den Bauerngesprächen waren auch folgende dabei : Beweis, daß der Kaiser zur Absetzung reif ist; Anfrage, ob und warum gewisse Völker in Europa wirklich Anlage haben, und Lust bezeigen, Menschenfresser zu werden; die Lebensbeschreibung des Grafen Brühl etc. Der Verfasser dieser Schriften war der ehemals auch in Oestreichischen Diensten gestan<52>dene Bergrath von Justi. Er ward in Berlin, wo er sich damals wirtlich aufhielt, von den Russen sehr eifrig aufgesucht, aber sein Versteck nicht gefunden.
Bei der vor den Thoren lagernden Armee konnten die Mannszucht und Ordnung, besonders in Betreff der irregulären Truppen, nicht so streng gehandhabt und nicht alle Excesse verhindert werden. Das Lustschloß der Königin, Schönhausen, wurde fast gänzlich ruinirt, und auch in Charlottenburg verübten die Sächsischen Dragoner vom Brühlschen Regiment große Ausschweifungen, das Schloß wurde geplündert, die kostbaren Möbel, Spiegel und viel Porzellan zerschlagen, viele Antiken aus der Polignacschen Sammlung verstümmelt, und mehrere Gemälde geraubt. Dagegen der in Potsdam stehende Oestreichische General Graf Esterhasy die größte Achtung für den Aufenthalt des Königs, sowohl in der Stadt, als in Sanssouci, äußerte und in seinen Schutz nahm, so daß nichts geraubt und nichts beschädigt wurde. Der Graf bat sich bloß zum Andenken ein Gemälde aus, das ihm auch sehr willig verabfolgt wurde.
Der Marquis d'Argens schrieb darüber an den König :
- etc. "Unstreitig wissen Sie schon, Sire, daß man weder zu Potsdam noch zu Sanssouci die geringste Verwüstung angerichtet hat. In Charlottendurg aber hat man die Tapeten und die Gemälde geplündert; allein durch einen sonderbaren Zufall hat man die drei schönsten zurückgelassen : die zwei Schildereiläden von Watteau, und das Bildniß der Frau, die Pesne zu Venedig malte.
Die Antiken hat man bloß umgeworfen, wodurch von einigen die Köpfe und Arme zerbrochen worden etc. — Der Kastellan war genöthigt, sich in bloßem Hemde und halb todt nach Berlin zu flüchten. etc."
Ueber das edle und rühmenswerthe Verhalten des Grafen Esterhasy in Potsdam hat der Königl. Intendant folgendes Zeugniß ausgestellt :
<53>Que son Excellence Mrs. le Comte d'Esterhasy, Général des Armées de sa Maj. Imp. et Roy pendant le sejour qu'il a fait avec le corps de Trouppes sous ses Ordres dans le Chateau Royal de Sa Maj. Prussienne, et à son départ, a fait observer le meilleur ordre et une disciplin exacte; qu'il en a usé avec tous les Egards convenables envers la maison d'un Souverain, et qu'on a laissé tout sans le moindre dommage ou dégat. C'est ce que le soussigné de même que toutes les personnes de la Cour de sa Majesté Prussienne qui se trouvent ici, ne sauroient se disponser d'avouer et de reconnoitre, à l'honneur particulier de son Excellence par le present temoignage.
A Potsdam, ce 11. Octbr. 1760.
F. Neuffer,
Intendant des Batimens et des Jardins du Roi.
Laszy und Czernitschef, die darüber aufgebracht waren, daß Tottleben ihnen mit Abschließung einer Capitulation zuvor, und sie mit ihrer Aufforderung zu spät gekommen waren, waren nicht übel Willens, ihren Unmut durch Berennung eines Theiles der Stadt auszulassen, das nur durch die sehr eindringlichen Vorstellungen des in Berlin sich aufhaltenden Holländischen Gesandten von Verelst 5) verhindert ward, daher ihre Wuth und Wildheit nun auf die Köngl. Schlösser zu Charlottenburg und Schönhausen fiel (Hinterl. Werke IV. 135). An den Hern von Verelst erließ der König folgendes Danksagungsschreiben :
"Herr von Verelst! Ob ich gleich bis jetzo nur aus den unbestimmten öffentlichen Gerüchten die Sorgfalt und Dienstfertigkeiten vernommen habe, die Sie während des jüngst meiner guten Stadt Berlin überkommenen Unsterns angewendet haben, um den<54> Leuten in der Stadt wider die Härte und Grausamkeiten, welche der Feind an ihnen zu verüben gedachte, beizustehen und selbige zu mildern, so habe ich doch nicht umhin gekonnt, Ihnen so fort deswegen zu danken, und Ihnen zu bezeigen, wie gerührt ich über die Regungen der Menschenliebe bin, die Sie bei dieser Gelegenheit so großmüthig bewiesen haben. Seyn Sie versichert, daß ich das Andenken daran niemals aus dem Gedächtniß verlieren, und bei allen sich ergebenden Vorfällen mir eine Schuldigkeit daraus machen werde, Ihnen eine vollkommene und ausnehmende Hochachtung und Erkenntlichkeit zu bezeigen; der ich übrigens Gott bitte, daß er Sie Herr von Verelst, in seine heilige Obhut nehme.
Aus meinem Hauptquartier zu Jessen,
den 22. Oktbr. 1760.
Friedrich."
Auch an den Grafen Esterhasy hatte der König ein sehr verbindliches Dankschreiben erlassen.
12. Oktober 1760
Der General Fermor, welcher in Frankfurt a. O. stand, hatte indessen nicht sobald erfahren, daß der König aus Schlesien im Anmarsch sei, als er dem Grafen Tottleben den Befehl zuschickte, sogleich bei Ansicht desselben aufzubrechen und sich zurückzuziehen. Tottleben setzte sich auch ungesäumt in Marsch und ging den 12ten Abend von Berlin über Cöpnik und Fürstenwalde nach Frankfurt a. O. Nach seinem Bericht scheint es, daß er "die schöne, alte Sächsische Artillerie, welche im Gießhause ohne Laffetten lag, und zu deren Fortbringung allein einige hundert Pferde erfoderlich waren," in deren Ermangelung nicht hat mitnehmen können.
Czernitschef war schon am 12ten früh vor Tage ebenfalls nach Frankfurt, und das Laszysche Corps am Morgen desselben Tages über Trebbin nach der Elbe zu abgezogen.
Anmerk. Wir haben es der deutlichern Uebersicht wegen für nöthig erachtet, die Berlin betroffenen Schicksale ohne Unterbrechung anzuführen, und kehren nun zu den übrigen gleichzeitigen Ereignissen zurück.
<55>3. Oktober 1760
Der Oberst Ditfurth unter dem Erbprinzen von Braunschweig besetzt Kleve, das Schloß capitulirt, und der Commandant von Baral mit 17 Officieren und 463 Mann ergeben sich zu Kriegsgefangenen.
4. Oktober 760
Der Erbprinz von Braunschweig läßt Wesel einschließen.
10. Oktober 1760 bis 11. Oktober 1760
Die Alliirten eröffnen die Laufgräben vor Wesel.
14. Oktober 1760
General von Salemnon übergiebt Wittenberg an die Reichsarmee.
16. Oktober 1760
Gefecht bei Kloster Kampen. Der Erbprinz schlägt die Franzosen unter de Castries. Ihr Verlust war 2545 Mann. Die Alliirten verloren 1612 Mann. Hier fand die Heldenmüthige That des Ritters d'Assas, Capitain im Regiment Auvergne, Statt. Englische Grenadiere umringten ihn in der Nacht und drohten ihm den Tod, wenn er einen Laut von sich geben würde. Er rief dennoch seinen Leuten zu: "A moi, Auvergne, voici l'ennemi!" und ward augenblicklich niedergestoßen.
17. Oktober 1760 bis 18. Oktober 1760
Der Erbprinz von Braunschweig hebt die Belagerung von Wesel auf.
19. Oktober 1760
Die Schweden ziehen sich vor den anrückenden Preußen nach Stralsund zurück.
20. Oktober 1760 bis 22. Oktober 1760
Laudon läßt Cosel einschließen.
23. Oktober 1760
Die Reichstruppen räumen Wittenberg, das von Preußen besetzt wird.
25. Oktober 1760
George II, König von England, stirbt.
26. Oktober 1760
Cosel wird bombardirt.
27. Oktober 1760
Die Schweden gehen über die Peene zurück.
28. Oktober 1760
Laudon zieht vor Cosel ab.
31. Oktober 1760
Leipzig wird von den Preußen unter General Linden wieder genommen.
In diesem Monat übergiebt der Generalfeldmarschal Soltikof das Obercommando der Russischen Armee an den Generalfeldmarschall Butturlin.
36-+ S. Siehe 31 die Note.
40-+ In der Erzähl. : Babuck oder wie es in der Welt geht, von Voltaire.
41-+ Das Tottlebensche Corps, aus 3 Regimentern Cosacken, 3 Regt. Husaren bestehend, war bereits Ende September aus der Gegend von Glogau aufgebrochen, unterweges waren, noch 2 Regimenter Dragoner, 2000 Grenadiere und ein Train von 20 Kanonen zu ihm gestoßen. Ihr Marsch ging über Sagan, Sorau, Pfürten, Guben, Beeskow und Königswusterhausen, von wo sie den 3. Oktober (ein Freitag), Vormittags 11 Uhr, vor Berlin erschienen. Hier befanden sich als Besatzung nur 2 Bataillone vom Garnisonregiment Itzenplitz und 1 Bataillon vom Garnisonregiment Lüderitz. Es befanden sich damals in Berlin: der General-Feldmarschall von Lehwald, der General-Lieutenant von Seidlitz und General von Knobloch, welche von ihren Wunden noch nicht wiederhergestellt waren. Diese hatten schon auf die erste Nachricht von der Annäherung des Feindes alle möglichen Volkehrungen zu einer tapfern Vertheidigung der Stadt getroffen; vor den Thoren wurden Fleschen angelegt, und an den Mauern Gerüste errichtet etc.
48-+ Alle Truppen mußten jedoch in der Stadt auf dem Schloßplatz und wo sonst Raum war bivouakiren, und wurden nicht bei den Bürgern einquartiert.
48-++ Um diesen Einhalt zu thun und die Stadt, der Capitulation gemäß, vor aller Plünderung und Ausschweifung der Truppen zu schützen, war Tottleben genöthigt, noch mehr reguläres Militär in die Stadt zu ziehen, und die Sauvegarden bis auf 800 zu vermehren, ja sogar, als die Oestreicher die Russischen Wachen forciren wollten, auf sie feuern zu lassen. (Bericht des Grafen Tottleben).
49-+ Sogar die Messingwerke und der Canal bei Neustadt-Eberswalde sollten nach Fermor's Befehl bis auf den Grund ruinirt werden. (Gotskowsky S. 53. 57 etc.).
50-+ Mit Inbegriff der 500000 Thlr., die Berlin auf Abschlag der Contribution baar bezahlt hatte, und der 200000 Thlr. Douceurgelder, nahmen die Feinde 763500 Thlr. baares Geld aus Berlin mit.
50-++ Nach des Grafen Tottleben's Bericht wurde auch der Königl. Schatz visitirt, und die darin befndlichen Kasten und Körbe, mit Gold, Silber, Edelsteinen und Antiquitäten, mußte der Brigadier Benkendorf versiegeln und mit zur Armee nach Frankfurt nehmen.
51-+ z. B. in der Spenerschen Zeitung 1759 Nr. 118.