Mai.
A.
Mai 1761
Der König in Meissen.
3. Mai 1761
Von Meissen nach Strehlen.
4. Mai 1761
In Wildenhayn.
5. Mai 1761
In Quolsdorf (Ober-Lausitz).
6. Mai 1761
In Marienstern.
7. Mai 1761
In Rodewitz.
8. Mai 1761
In Görlitz.
10. Mai 1761
In Thiemendorf (Schlesisch).
11. Mai 1761
In Harpersdorf.
12. Mai 1761
In Poischwitz.
13. Mai 1761
In Hausdorf, schreibt an d'Argens :
"Ich habe Ihnen viel Neues zu melden, und um Ihre Neugierde zu befriedigen, fange ich mit der Politik an. Die Franzosen und ihre Alliirten sind endlich mit einer Declaration in London herausgerückt, welche von der, die uns über<87> Schweden zugekommen, darin abweicht, daß die Franzosen den Engländern einen Waffenstillstand anbieten, und daß die Barbaren und Geizhälse sich begnügen, einen Congreß in Augsburg vorzuschlagen. Sie werden hieraus leicht abnehmen, daß der Friede zwischen den Engländern und Franzosen so gut wie gewiß ist, und daß wir die Letzten auf dem Mordtheater bleiben werden, uns mit jener Wolke von Feinden zu raufen und zu balgen. Ich werde den Congreß beschicken, weil unsere Feinde ihn vorschlagen; allein ich glaube so wenig daran, als an die Transsubstantiation.
Machen Sie Sich also gefaßt, alle Scenen des vorigen Jahres diesen Sommer und Herbst noch einmal wiederkommen zu sehen, und urtheilen Sie hieraus, was für ein Stück Arbeit ich noch zu verrichten habe. Wir haben einen kleinen Vortheil gegen die Kreistruppen gehabt, allein, es lohnt nicht, davon zu reden, so lange wir nicht einige dreißig tausend niedermachen, sind alle unsere Vortheile nur Lumperei. Nun zu den Litteraturneuigkeiten. Ich urtheile über Voltaire's neue Tragödie 87-+ völlig, wie Sie; sie gehört zuverlässig nicht zu seinen guten Stücken. Die Dedication 87-++ ist von einem, Schurken, der warm und kalt bläßt, und der für Geld lobt und schimpft. Man sieht leicht, daß er dies Weib lobt, damit sie das neue Trauerspiel in Schutz nehme. Vergleichen Sie einmal gewisse Verse in der Jungfrau von Orleans (La pucelle) mit dieser Dedication, und Sie werden gestehen, daß man ein Schurke sein musi, um sich durch solche Widersprüche zu entehren.
Eben habe ich de Thou's 87-+++ Wert geendigt, womit ich sehr<88> zufrieden bin, sowohl was den Inhalt, als was den Styl betrifft. Es ist ein Buch, das weder zu weitschweifig, noch zu gedrängt ist, und ebenso unterrichtend, als angenehm zu lesen. Mehr kann man von einem Werke nicht fodern. Doch, mein lieber Marquis, Sie wissen das besser als ich, und bedürfen nicht meines Urtheils zum Leitfaden; auch bin ich kein so gewichtiger Autor, wie die, auf welche die Kasuisten sich stützen. Mit allem meinem Lesen kann ich gleichwohl nicht die Unruhe meines Geistes stillen; die Krisis, in der ich bin, dauert zu lange, und alle Gefahren bleiben dieselben. Allein ich will durch die traurigen und unglücklichen Vorstellungen, die mir durch den Kopf gehen, keine schwarzen Vorstellungen in dem Ihrigen erregen. Jeder muß sein Loos erfüllen, und sich dem Schicksal unterwerfen, das die Begebenheiten an der Kette führt und die Menschen zwingt, sie unvermeidlich über sich ergehen zu lassen. Das schmeckt stark nach Kalvinismus. Giebt es eine Vörherbestimmung oder giebt es keine? Ich weiß es nicht. Ich glaube gar nicht, daß die Vorsehung sich mit unsern Armseligkeiten abgiebt, weiß aber ganz zuverlässig aus Erfahrung, daß die Menschen durch die Umstände zum Ergreifen ihrer Partei gezwungen werden, daß sie auf die Zukunft keinen Einfluß haben, daß ihre Entwürfe ein Spiel des Windes sind, und daß oft das Gegentheil von dem zutrifft, was sie sich gedacht und vorgesetzt hatten. Ich bekomme eben meine Hämorrhoiden wieder; es ist entsetzlich, was das verwünschte Uebel mich angreift und abmattet; bald werde ich dem von tausend Uebeln geplagten Hiob ähnlich sein. Allein ich unterhalte Sie zu lange von mir selbst. Ueber diesen Punct würde ich mich kürzer gefaßt haben, wenn ich nicht wüßte, welchen Antheil Sie an mir nehmen. Gott befohlen, mein lieber Marquis, lieben Sie mich ferner; denn ich bin eine gute Haut, und vergessen Sie mich nicht."
<89>16. Mai 1761
Der König in Kunzendorf, wo er bis im Juli blieb 89-+.
?? Mai 1761
(Vielleicht den 18ten). An Ebendenselben :
"Es ist mir angenehm, lieber Marquis, daß Sie auf dem Lande sind. Wenn Sie Sich da einige Bewegung machen, so wird das Ihre Gesundheit befördern, und Sie werden ruhiger sein, als in Berlin. Daß Sie das Uebersetzen des Plutarch, um das ich Sie bat, nicht vergessen haben, dafür danke ich Ihnen; Sie leisten damit der gelehrten Welt und allen Verehrern des Alterthums einen wichtigen Dienst. Der Himmel gebe, daß der Frieden eher zu Stande kommt, als Sie mit Ihrer Arbeit fertig werden. Ich fürchte sehr, daß es anders gehen wird. So ungläubig Sie bei dem heiligen Oelfläschchen sind, eben so sehr bin ich es in Absicht der friedfertigen Gesinnungen gewisser Mächte. Ich sehe voraus, daß noch Ströme von Blut stießen werden, und daß Fortuna, der alle Mächte ihr Schicksal überlassen, unbeschränkt darüber gebieten wird. Singen Sie ihr ein Lied, lieber Marquis, lesen Sie ihr zu Ehren ein Stückchen aus Ihrem Brevier, und suchen Sie wo möglich es dahin zu bringen, daß sie uns günstig wird. Ich gelobe ihr ein goldenes Bild nach Art der kleinen Bildsäule, welche die Römischen Kaiser als einen Schatz in der Kapelle ihrer Hausgötter aufbewahrten. Leben Sie wohl. etc."
20. Mai 1761
An Ebendenselben :
"Hier bin ich nun in Schlesien, lieber Marquis, ohne damit viel ausgerichtet zu haben. Die Bärseelen rüsten sich zu einem neuen Feldzuge; die Franzosen thun ein Gleiches, und die Oestreicher stehen uns gegenüber. Sie sehen, daß unsere Lage dieselbe ist, wie voriges Jahr; und daß es nur<90> zu whar ist, was ich Ihnen in Leipzig sagte. Diese Lage, die dem lucido intervallo der Aertze gleicht, kann ungefähr bis zum Juli währen. Dann aber wird der Teufel in diesen Gegenden los sein, und Glück und Verhängnis oder Zufall, oder was Sie sonst wollen, wird entscheiden. Ich lese den Lucian, manchmal den Racine, zuweilen den Voltaire, um mich zu zerstreuen. Uebrigens bringe ich meine Zeit mutterseelen allein mit mir selbst zu, ohne weiter an die Zukunft zu denken, als es unumgänglich nöthig ist, und ohne den Dingen etwas voraussehen zu wollen über welche die Natur einen unseren Augen undurchdringlichen Schleier geworfen hat. Wollen Sie wissen, ob ich froh bin, so muß ich Ihnen rein herausagen : Nein! Wollen Sie wissen wie es um meine Gesundheit steht, so vernehmen Sie, daß selbige trotze einiger Unpäßlichkeiten, immer noch gut genug ist, um mich hoffen zu lassen, daß sie wieder die Beschwerde des nächsten Feldzugs vorhalten werde. Auf dem Marsch ist mir ganz was Eignes begegnet. Sie werden einen Pagen bei mir gesehen haben, dessen ich mich zu allerlei Aufträgen bedienen konnte, und der sie gut ausrichtete. Wie wir uns in den Marsch setzen, schicke ich ihn fort, um mir in Strehlen den Mittag zu bestellen, wohin meine Leute schon voraus waren. Unterwegs wird der arme Junge verrückt, kommt nach Torgau und giebt tausend Tollheiten an. Die Folge war, daß wir nichts zu essen fanden, und ich genöthigt wurde, den armen Teufel nach Hause zu schikken, ohne daß ich Hoffnung zeige, er werde jemals wieder zu Verstande kommen. Was wir arme Menchen für elende Geschöpfe sind! Da bilden wie uns etwas auf einen Instinkt ein, der freilich ein wenig besser als der Instinkt der Thiere ist, den aber ein Augenblick uns nehmen kann, und der, einmal verloren, unsern Zustand schlimmer als den Zustand der Thiere macht. Welche unerschöpfliche Quelle von Betrachtungen, die ebenso demütigend, als traurig sind!<91> Ich unterdrücke sie, weil Sie sie von selbst machen werden, und begnüge mich, Sie zu versichern, daß, so lange ich diesen Vernunftinstinkt unversehrt behalte, ich nicht aufhören werde, Sie zu lieben und hochzuachten. Leben Sie wohl. Meine Empfehlung an die Marquise."
?? Mai 1761
An Ebendenselben :
"Ich habe den Bayle nicht unter meinen Büchern gefunden; er muß in Berlin vergessen sein; haben Sie also die Güte, mein lieber Marquis, mir die Abhandlung von den Kometen zu borgen, oder meine Seele stirbt an der Auszehrung. Ihnen, als einem Philosophen, kommt es zu, mir diese Geistesnahrung zu reichen, die uns von Vorurteilen heilt, und eine zum Heil unserer Vernunft und des gesunden Verstandes unentbehrliche Speise wird."
24. Mai 1761
An Ebendenselben :
"Ich wünsche von Grund der Seele, mei lieber Marquis, daß Sie diesen Sommer auf dem Gute, wo sie hingezogen sind, ruhig zubringen wögen. Gleichwohl ahnt es mir, daß es noch manche unruhige und stürmische Augenblicke geben wird. Zwar fangen die Engländer und Franzosen an, im Ernst zu unterhandeln; allein Sie wissen wohl, daß dies ein langsames Mittel ist, das nicht so geschwinde, wie wir es wünschen, wirken wird. Unsere Ruhe in diesen Gegenden wird wahrscheinlich noch bis zu Ende des nächsten Monats währen, und es wird dann wohl so der letzte Feldzug sein. Ich bereite Sie darauf vor, damit Sie ungefähr auf dieselben Ereignisse sich gefaßt halten.
Von Voltaire habe ich nichts erfahren, ich weiß nicht, ob er zu Paris oder auf seiner Herrschaft ist. Hat er Erlaubniß bekommen, nach Frankreich zurückzukehren, so ist dies ohne Zweifel eine Folge der Dedication des Tancred an die Pompadour. Alles, was ihn angeht, kümmert mich nicht mehr, und ich glaube fest, auch wenn er mit dem Hofe wieder ausgesöhnt ist, wird er bei der nächsten Unbesonnenheit<92> genöthigt sein, von Neuem Reißaus zu nehmen. Dieser Mensch hat nichts Ueberlegtes in seiner Aufführung, und ich weiß bei ihm keinen fest bleibenden Plan, als den, Geld zusammen zu raffen, von dem allein läßt er nicht ab, weg über alle Bedenklichkeit und Scham, und geplagt von unersättlichem Durst nach Reichthum. Mag dieser Elende sich doch selbst schänden durch seine feile Schriftstellerei, durch seine treulosen Ränke, durch sein verkehrtes Herz, indeß Sie ruhig an ihrem Amiot arbeiten, und allen Liebhabern der Litteratur einen wesentlichen Dienst leisten, und während ich hier fortfahre, der Verschwörung des ganzen Europa zu widerstehen, und wahrend die Franzosen mit den Engländern ihren Frieden abmachen. Ich danke Ihnen für die Gunst der Glücksgöttin, die Sie mir versprechen; ich bedarf ihrer sehr, auch habe ich ihr eine schöne goldene Statue gelobt, wenn sie mich in diesem Kriege nicht verläßt. Alle Römischen Kaiser hatten in ihren Hauskapellen solche Statuen. Ich verdanke ihr viel, warum sollte ich ihr also nicht dieselbe Ehre erweisen? Leben Sie wohl, mein lieber Marquis; schreiben Sie mir, so lange der Postlauf nicht gehemmt ist, und halten Sie Sich von meiner Freundschaft versichert."
?? Mai 1761
An Ebendenselben :
"Die Zwietracht nahete Amaten sich und goß ihr Gift ins Herz; sie wachte auf, und wüthend haßte sie Anchises Sohn 92-+."
"Sie sehen wohl, daß es nicht hinreichend ist, sich zu schlagen, und daß es schwerer hält, böse Weiber zu bändigen, als tapfere Männer. Ich wünsche den Frieden eben so sehr, als meine Feinde Abneigung dagegen haben; und wenn ich das Aeußerste thue, so muß man es der Nothwendigkeit zuschreiben. Sie können Sich auch noch dieses Jahr mit Zei<93> tungsnachrichten beschäftigen; nicht mit dem, was auf den Apallachischen Gebirgen vorgeht, oder mit dem Streit der Morlachen; sondern mit dem, was die Freiheit und die Sklaverei von Europa entscheidet, das ein neues Triumvirat unterjochen will. Hätte ich die Wahl, so wäre ich lieber im Parterre, als Schauspieler auf dem Theater; aber da das Loos einmal geworfen ist, so muß ich mein Glück versuchen.
Beglückt wer einsam in dem Heiligthum des Weisen etc. Ich bin etc."
B.
27. Mai 1761
Die Russen in Pommern kündigen den Waffenstillstand auf.
87-+ Tancred.
87-++ An die Pompadour.
87-+++ Jac. Aug. Thuani historiarum sui temporis libri 138. 1604—1654 erschienen 12 Ausgaben. Die ersten lateinisch. Das Werk wurde nachher ins Deutsche und Französische übersetzt. Der Verfasser war Präsident des Parlamemtes zu Paris. Er lebte von 1553 bis 1617.
89-+ Es soll eine Kabinetsordre des Königs an Tauenzien existiren, welche aus Schlettau den 23. Mai 1761 datirt ist. Es läßt sich aber nicht gut erklären, wie der König um diese Zeit aus Kunzendorf bei Schweidnitz nach Schlettau bei Meissen gegangen sein sollte.
92-+ Vergl. Virgil Aeneis VII. 340 seq.