November.

A.

November 1761

Der König in Woiselwitz bei Strehlen, wo er in dem Hause des Bauinspektors Bruckkampf wohnt.

8. November 1761

Hier schrieb der König die Epistel an d'Argens (H.W.VI. 282. Klagen über den neuen Unglücksfall, den Verlust der Festung Schweidnitz).

"Erröthen mußt Du hier, Vernunft voll Stolz!
Wie viel des nie erhörten Uebels brach
Herein auf uns! Vermocht' ein Aug' es wohl
Vorherzusehn? es hindern eine Kunst?
Ein dichter Schleier hüllt die Zukunft ein,
Wir heften neubegier'ge Blicke stets
Auf ihn; umsonst! durchdrungen wird er nie.
Die unverhoffte Stille wahrste
Nur einen Augenblick; bald brach ein Blitz
Mit Donnerhall hervor; der Austrier
Durchdenkt, von seinen Bergen tief verdeckt,
Den Plan, und kommt ins offne Feld herab.
<113>Selbst Arbeit, wie ein wahrer Sohn des Mars,
Wie Vauban einst sie schuf, der Wällen Schutz
Durch tiefe Gräben gab; mit der sich auch
Die Feste Schweidnitz furchtbar sicherte —
Bedeckte doch sie nicht vor wildem Sturm,
Sie fällt dem Arme der Verwegenheit
In einer Nacht, und fast vor unserm Blick.
Von diesem Tag an drängt Verwirrung uns
An jedem Ort; seit dieser Unglücksschlag
Uns traf, sind alle Schrecken neu erwacht. etc.
Was giebt mir Schutz? — und rächen soll ich mich?
Selbst Plane Cäsar's, Condé's und Eugen's
Sind ganz umsonst, da Rettung nun gebricht.
Der Himmel müßte, meinen Wünschen hold,
Nun seinen Wunderarm verherrlichen!
Die Mittel sind erschöpft; und Klugheit, Muth
Erliegen der Gewalt, der Uebermacht
Des Erdballs, der sich gegen uns verschwor.
Ach! wie so fest die stärkste Seele auch sei —
Ein Strom von Unglück reißt zuletzt sie fort,
Wenn keine Hoffnung bleibt, dann stirbt der Muth;
Die Fesseln trägt der Geist, ob sträubend auch.
Die Unglücksmacht des Schicksals, das mich drückt,
Vergiftet meinen Geist mit Menschenhaß,
Bei Feindschaft Graun sah ich zuerst das Licht.
Und mildert auch Vernunft die Bitterkeit,
Giebt Athem mir ein froher Zwischenraum —
Man kündigt schnell mir neues Unglück an. etc.
Ich opferte vielleicht der Ruhmbegier,
Entzückt vom Jahrbuch dieser Welt, zu viel;
Der großen Helden Nam' entflammte mich
Verführerisch zu ihrem hohen Flug;
Allein mich führte bald der Weisheit Hand
<114>Auf einen bessern Pfad, sie lehrte mich,
Wie man den Irrthum scheucht, die Wahrheit liebt.
Da sah, durch diesen Reiz entzückt, mein Geist,
Er hab', auf daß er Erdenruhm erreiche,
Umsonst nur eitlen Schatten nachgestrebt,
Und Alles schwind' und Alles sei nur Tand.
Zurückgekehrt von diesem Wahn, der mich
So lange blendete, sagt' ich mir selbst:
Ich sehe schon das Ende meines Laufs,
Bald schließt der kalte Tod mein Augenlied,
Dringt nur durch so viel Mühe, Sorg' und Gram,
Durch Tag' und Nächte voller Schmerz und Oual,
Der Mensch zu jener Ruhestätte hin,
Wo, der es gab, das Leben wieder nimmt,
Wo unsern Namen, unsern Aschenkrug
Die Hand der Zeit vernichten wird? — Ach bleib
Uns nichts im Todes-Augenblicke mehr —
Was streben, eilen wir vergebens denn?
So ende nun des Lebens schwere Last!
Bezähmt ein niedrer Sterblicher das Glück?"etc.

11. November 1761

Gedicht:

Die Bosheit der Menschen 114-+. (H. W. VlI. 116).
"Einst dacht' ich, jung, ein Fremdling in der Welt,
Ein Neuling, mit dem Laster unbekannt :
Was wäre wohl noch besser als der Mensch?
"Er ist so gut, hat wenig Fehler nur,
Ist nicht voll Haß, nicht grausam, undankbar,
Verrätherisch," und kurz, ich wähnt' ihn so,
Wie er sein soll; fest war ich überzeugt :
Von Ehr' und Tugend sei die Welt erfüllt.
<115>Der schöne Wahn der Unerfahrenheit
Entschwand zu schnell; im schrecklichen Gewühl,
In das ich dann geschleudert ward, gebot
Nun die Erfahrung bald. Da glänzte hell
Die leidenvolle Wahrheit meinem Blick.
Ich suchte Tugend, Laster fand' ich nur.
Wie oft sah' ich die Thaten hassenswerth,
Die Denkart schaudervoll! Betrüger, Gauner etc.
Getroffen von der Uebel Schaar gestand —
Ich denn zuletzt : Hat auch der Mensch Vernunft —
So wild, so grausam ist kein Thier, als er.
Nein! Nein! des Thieres Seel' ist nicht so schwarz,
Der Hunger giebt ihm Gier — Verstellung nicht;
Entbrennt sein Zorn, so ist er bald verraucht,
Der Mensch haßt, wenn er sich gerächt hat, noch.
Zwar dies Geschlecht, das gegen sich so wild,
So frevelnd, so voll Hang zu Bosheit ist,
Bringt mitten unter Lasterthat und Gräueln
Bisweilen Götterseelen auch hervor,
Die ganz gewiß der Himmel werden sah,
Die uns im Unglück trösten, das uns trifft,
Und Engel mitten unter Teufeln sind;
Doch immer gab nur kargend die Natur
Dies schöne, theure, seltene Geschenk. etc.
Wie? schuf der große, der erhabene,
Vollkommne Gott mit seiner Allmachtshand
Den Engel, der zu Ehrfurcht mich erweckt,
Und dieses Monstrum voll Unmenschlichkeit?
Ich weile starr an dieses Abgrunds Rand,
Wo forschend sich der größte Geist verliert,
Und wende schnell den unbescheidnen Blick
Von dem Mysterium mit Ehrfurcht ab.
<116>Ich selbst erfuhr so viel hier in der Welt
(Stets blieb mein Herz in diesen Lagen leer)
Und fand : hier sei in aller Uebel Schaar
Ein wahres Gut allein, dem Größe selbst,
Dem Ruhm, dem jegliches Vergnügen weicht,
Ein Gut allein, das fest die Tugend sich
Verknüpft : Der Freundschaft friedlicher Genuß
Ich hatt' es, ach! an einer Schwester Brust,
Die mir der Tod entriß! — O Freundschaft, Du,
Die uns der Himmel gab, das einzige,
Das größte Gut! ein leerer Name bist
Du nun; Du sankst mit ihr zur Gruft hinab."

15. November 1761

Das Gedicht : "der Stoiker" (h. W. VII. 127).

"Ihr unzufriednen Sterblichen, die Ihr,
Und sei es strafbar, stets vernünfteln wollt! —
Nie mit Euch selbst, nie mit der Götter Zorn
Versöhnt, schon bei dem kleinsten Mißgeschick
Bestürzt, gebeugt, stets ungewiß, in Angst,
Voll Meuterei — im goldenen Palast,
Und von dem Halmendach bedeckt, umarmt
Ihr das Phantom des flücht'gen Glückes stets;
Umsonst beschäftigt immer Euch sein Bild;
Vergebens zehrt Ihr Euch in Arbeit auf.
Verscheucht den Dunst und höret Unterricht.
Auf dieser Erde machte die Natur
Euch Träumen, Irrthum, Täuschung unterthan,
Auf Eurem Wahn beruhet Euer Glück. etc.
Sei ruhig, Freund, und höre die Vernunft,
Gehorch mit Demuth dem, was sie befiehlt.
Was ist das Widrige, das Dich empört?
Der leere Klang von Tadel oder Lob?
Sonst nichts, als leeres Zittern eines Schalls,
Und Worte, die in Luft verflogen sind.
<117>Was für Unsterblichkeit verleiht der Ruhm?
Verblenden willst Du selbst die Enkel noch?
Sie sollen staunend Deine Thaten seh'n,
Nur Deinem Namen ihre Denkkraft weih'n?
Tritt her — und bald entflieht Dein Irrthum dann.
Warst Du in jener Zeit, die vor Dir war,
Um das bekümmert, was man von Dir sprach?
Erschreckten Dich Menipp und Aretin?
Wenn Du Dir ihr Gespräch nicht denken kannst —
Nun, welche Wuth befiel denn Deinen Geist,
Und weshalb quälst Du ihn, ob, wenn Du starbst,
Die Welt Dich falsch, Dich billig richten wird?
Wenn uns des kalten Todes Flügel deckt,
Erlöscht er ganz die Gluth, die uns belebt;
Im Grabe schlafen wir auf ewig dann;
Das Weltall ist sogleich für uns nicht mehr.
In dieser Nacht, die nur den Pöbel schreckt,
Fühlt Niemand mehr den Wurm, der ihn zernagt.
O Ehre, Reichthum, Würde, Sucht nach Ruhm!
Des Glückes Schatten! — Nichtig ist die Welt;
Mit Wildheit reißt ein Strom sie fort; sie ist
Ein schneller Blitz, der keine Dauer hat.
So löset die Natur die Wesen auf,
Die sie aus Staub geformt und denen sie
Zu mannigfachem Zweck Organe gab;
Sie nutzet alte dann und schafft durch sie
Den ew'gen Reichthum ihrer Schöpfung neu;
Sie ruft dem Grab' und der Verwesung zu,
Und andre Körper werden dann erzeugt.
Nur flüchtig, kurz ist unser Lebenslauf;
Wir reisen eilig durch ein Land, wo nichts
Uns zugehört und Alles bleiben muß.
<118>Genuß darin ist uns erlaubt; allein
Alsdann ruft uns die Pflicht aus ihm zurück,
Die Erben heischen unsre Stelle schon;
Von unsern Vätern war sie einst besetzt,
Auch uns vertreibt davon die Hand der Zeit,
Ach, können wir bescheiden, mäßig, nicht
In dem Besitz der Güter sein, die uns
Der Augenblick des Lebens zugetheilt,
Und dann sie ohne Schmerz verloren seh'n?
Oft ist ein Traum nur Eure Sorg' und Qual,
Nur Vorurtheile, die des Volkes Wahn
Nicht sinken läßt, doch deren Wurzel selbst
Der Weis' aus seinem Herzen reißen muß.
Durch welch ein Zauberwerk könnt Ihr so fest
An diese Welt gekettet sein? Sie ist
In meinen Augen nur ein Haufen Staub,
Mit dem der Wechsel übermüthig spielt.
Die Erd' ist kaum ein Punkt im weiten All,
Das Leben, wenn Ihr es der Ewigkeit
Vergleicht, ein schnell entschwundner Augenblick,
Der gegenwärtige Moment entflieht;
So eben schwand er hin; Vergangenheit
Ist Nichts, die Zukunft soll erst lebend sein etc.
O Mensch voll Meuterei, der Du mit Stolz
Die Seen' erblickst! Wenn Du auf Klippen weilst,
Auf Trümmern hier, wohin Dein Blick nur fällt,
Die großen Spuren der Zerstörung siehst,
So beuge Dich und ehre Dein Geschick,
Dein Leben lehrte ja das Sterben Dich.
Wenn jenen Hauch, der in Dir lebt und
Veränd'rung trifft und er sich fallen sieht,
Wenn in dem Tod er selber auch erlischt —
<119>Was fürchtest Du nach diesem Schlage noch?
Dich sichert vor dem Schmerz der Tod. — Ward erst
Dein Leib zerstört, dann fühlt er länger nicht.
Doch wenn der Götter Huld nun diesen Geist
Den Tod besiegen läßt, und wenn er Dich
Im Himmel überlebt, so zage nicht
Und sei befreit von Furcht! Ja, bringe Dank
Der Gottheit dar! Erröthe, daß du klagst!
Das einzige, vollkommne Wesen, Gott,
Ist mild; Und seine nie ermess'ne Huld
Läßt, schonend, niemals seinen Zorn erglühn.
Der schwache Wurm, der nur im Staube kriecht,
Der Sterbliche weckt seine Blitze nicht.
Den bangen Menschen, den Gefahr erschreckt,
Sicht hier die Gottheit voller Mitleid an,
Und wird ihn nach dem Tod' erbarmend seh'n.
Vertraue diesem wohlthatreichen Gott!
Er hilft im Tode Dir gewiß; so wirf
Dich, süßer Hoffnung voll, in seinen' Arm."

26. November 1761

Befiehlt der König dem Lieutenant von der Golz, mit Mustapha Aga 119-+ zum Chan nach Baktschiferay zurückzureisen, und demselben die Freundschaft des Königs zu versichern etc. Beide gingen zuerst nach Breslau.

?? November 1761

Der König an Voltaire:

"Wird der Einsiedler von Delicr nicht über mich und über die großen Sendungen lachen, die ich ihm schicke? Hiermit bekommen Sie einen Aussatz 119-++, den ich für Ca tt gemacht<120> habe, und der nicht in dem Geschmack meiner Elegien ist, die Sie die Güte haben zu liebkosen.

Da der gute Mensch mich immer bei meinen Stoikern sah, behauptete er vor einigen Tagen gegen mich : diese lieben Herren hülfen im Unglück nichts; Gresset's, Boileau's, Pult's, Chaulieu's und Ihre Werke würden sich für meine traurige Lage besser schicken, als diese philosophischen Schwätzer, deren man recht gilt entbehren könne, besonders wenn man in sich selbst die Seelenstärke habe, die sie nicht geben und nicht geben können. Ich machte ihm meine gehorsamsten Gegenvorstellungen. Er gab aber nicht nach, und einige Tage nach dieser schönen Unterredung warf ich ihm denn diese Epistel hin. etc.

Werden Sie nicht sagen, mein lieber Einsiedler: ich sei ein alter Thor, daß ich mich in meinen Umständen mit solchen Kindereien beschäftige? Aber ich wiege auf diese Art meine Sorgen und meinen Kummer ein, und gewinne einige Augenblicke. Doch ach! diese vergehen so geschwind, und dann tritt der Teufel wieder in alle seine Rechte.'

Ich treffe Anstalten zu meiner Reise nach Breslau, und werde da Anordnungen zu den heroischen Metzeleien des folgenden Jahres machen. Beten Sie für einen Don Ouixotte, der unaufhörlich Krieg führen muß, und der, so lange seine erbitterten Feinde ihn verfolgen, keine Ruhe zu hoffen hat. Ich wünsche dem Verfasser der Alzire und der Merope die Ruhe, deren mich mein Unstern beraubt. Vale."

?? November 1761

Epistel an Catt 120-+:

"O Catt, die Jahre rinnen hin;
Und ach, wer hemmet ihren Lauf?
<121>Die Zeit, das Schicksal reißen uns
In ihrem Strom beständig fort.
Der Zeiten hat das Leben zwei :
In der beherrscht der Irrthum uns,
Und wir besitzen Glück in ihr;
Der Weisheit Eigenthum ist die;
Und trübe, düster, sorgenvoll!
Man hat so oftmals schon gesagt :
Ein jeder Mensch ist nur ein Thor;
Der mehr, der Andre weniger.
Dies mag, dünkt mich, wohl richtig sein;
Und ist es das; so treffe dann
Die schöne Thorheit unsre Wahl.
Sie ist für unsre Freud' und Lust
Ein Ouell, der nie versiegen wird.
Durchforsche, daß Du lange Zeit
Dies Gut genießest, ja Nichts tief!
Das Leben ist nur Gaukelei;
Ein treuer Schüler Epikur's,
Berühre Du die Fläche nur
Von Deiner Thorheit Gegenstand.
Der Blume gleich ist Deine Lust;
So brich mit leichter Hand sie ab.
Nur Phantasie bestimmt den Werth
Für ihrer Farben Wechselspiel,
Und ihren süßen Wohlgeruch.
Der fährdet unsrer Sinne Lust,
Der stets den Grund zu sehen strebt;
Wenn, ungeweiht, die Hand durchaus
Der Rose Bau zergliedern will,
So welket ihre Schönheit hin.
Die Erd' und Alles was sie hat
Zerrinnt, wenn wir ihr ganz uns nah’n.
<122>Wer sie erforscht und dann sie kennt,
Der blickt mit Ekel nur auf sie.
So gieb den Irrthum nicht zurück,
Da er die Lust des Lebens ist.
O Catt! nur ein Moment der Lust
Wiegt hundert Jahre Weisheit auf.

?? November 1761

Der König an Catt:

"Ich habe meinen Mark-Aurel und meinen Zeno für mich verfertigt; dies paßt für mein Alter, meine Situation und alle die Gegenstände, die mich umgeben. Ihnen, der Sie munter sind, und mit Recht die Ihnen behaglichen Täuschungen nicht fahren lassen wollen, Ihnen schicke ich einen Aufsatz à la Epicure. Er war mein Lehrer, als ich mich in Ihrem Alter befand, allein ich befürchte sehr, daß Sie, wenn Sie das meinige haben, zum Zeno und unsern Stoikern zurückkehren werden. Wenigstens geben uns diese ein Schilfrohr, um uns darauf zu stützen, wenn Widerwärtigkeit uns zu Boden schlägt, statt daß Epikur nur im Schooße des Glücks Aufnahme finden kann. So hat denn Alles seine Zeit. Sie sind jetzt in der, die Blumen und Früchte hervorbringt, und ich in der, worin die Blätter abfallen und die Bäume verdorren. Leben Sie wohl."

30. November 1761

An diesem Tage Vormittags erfuhr der König den verrätherischen Anschlag des Barons von Warkotsch, ihn in die Hände der Oestreicher zu liefern. Die Geschichte dieser Verrätherei und ihrer vor der Ausführung geschehenen Entdeckung ist in mehreren Schriften sehr abweichend und unrichtig erzählt worden, namentlich in Küsters Buch : die Lebensrettungen Friedrichs II etc., Berlin 1792. Eine Berichtigung der darin enthaltenen Irrthümer und Widersprüche und eine richtige Darstellung dieses Vorfalls findet man in der Schrift : Beleuchtung der bisherigen und besonders der Küster'schen Darstellung der Geschichte der Warkotsch'schen<123> Verrätherei gegen den König Friedrich II. Grotkau 1792.

Der Baron Heinrich Gottlob von Warkotsch, lutherischer Religion, hatte früher in Oestreichischem Militärdienste gestanden, und zwar als Hauptmann im Ungarischen Infanterie-Regiment von Botta zu Olmütz. Im Jahre 1756, kurz vor Ausbruch des Krieges, fielen ihm durch den Tod seines einzigen Bruders, des Preußischen Kammerherrn v. W., dessen Güter : Schönbrunn, Ober- und Niederrosen und Käscherei in Schlesien zu. Er nahm nun seinen Abschied, ging nach Schlesien und wohnte hier auf dem Schlosse zu Schonbrunn bei Strehlen.

Von stolzem herrischem Charakter und unzufrieden mit der Preußischen Regierung und dem Könige, weil er hier nicht so willkürlich mit seinen Unterthanen verfahren konnte, und in dieser Hinsicht die Rechte der Gutsbesitzer weit beschränkter waren, als er sie vielleicht im Oestreichischen gefunden haben mochte, faßte er den Entschluß, den König den Oestreichern zu überliefern, wo er dann nicht zweifelte, daß Schlesien wieder an Oestreich kommen, und die Verhältnisse der Gutsbesitzer sich nach seinem Wunsche ändern würden. Er war dem König, der erst Anfangs dieses Monats bei ihm auf seinem Schlosse in Schönbrunn logirt hatte, schon längst persönlich bekannt, auch hatte er mit verschiedenen Personen aus dem Gefolge des Königs Bekanntschaft gemacht, und befand sich daher sehr oft im Hauptquartier. Hier hatte er nun bemerkt, daß der König eine äußerst geringe Bedeckung von nur 13 Mann Garde als Wache bei sich hatte, und also leicht während der Nacht von den gar nicht weit entfernt stehenden Oestreichern sich ein Trupp unbemerkt heranschleichen und den König aufheben konnte. Dies meldete er dem bei Kloster Heinrichau stehenden Oestreichischen Obersten Wallis vom Regiment Laudon, den er schon aus früherer Zeit her kannte. Der Briefwechsel zwischen Beiden wurde durch<124> einen, in das Geheimniß gezogenen katholischen Curatus Schmidt, der in Siebenhuben wohnte, besorgt. Am 29. November kam dieser nach Schönbrunn, um einen Brief an den Baron abzugeben. Dieser war aber eben mit seinem Jäger Kappet nach dem Hauptquartier des Königs geritten, der etc. Schmidt blieb indeß lange bei der Gemalin des Warkotsch, um ihn zu erwarten, doch ohne etwas von dem bei sich habenden Brief zu äußern. Als es ihm zu lange dauerte, nahm er Abschied von der Baronin, und ging zu der Frau des Jägers Kappet, der ihm gewöhnlich die Briefe des Barons überbrachte, gab ihr den Brief und trug ihr auf, ihn durch ihren Mann, wenn er mit dem Baron zurück käme, sogleich an denselben abgeben zu lassen, und dabei zu sagen, daß er darauf den andern Morgen ganz früh Antwort haben müsse. Der Brief hatte gar keine Adresse, und da der Curatus Schmidt so lange bei der Baronin gewesen und doch ihr nicht den Brief zurückgelassen hatte; so vermuthete die Kappel, daß er vielleicht ein heimliches Liebesverständniß des Barons betreffen möge, und war sehr neugierig, den Inhalt zu wissen, weil sie aber nicht lesen konnte, und zwei von des Barons Leuten sich nicht dazu verstehen wollten, den Brief zu erbrechen und ihr vorzulesen; so mußte sie sich gedulden, bis ihr Mann zurück kam, dies geschah erst spät am Abend. Da dieser es aber nun noch weniger wagen konnte, den Brief zu erbrechen, so gab er ihn noch denselben Abend an den Baron ab. Indeß scheint seine Neugierde, die schon früher durch die öfters nach Siebenhuben an den Curatus Schmidt überbrachten Briefe erregt worden sein mochte, jetzt durch seine Frau und den Brief ohne Aufschrift noch gesteigert worden zu sein. Als daher nach Mitternacht, wo er schon im Bette lag, der Baron noch zu ihm kam und einen Brief an den Curatus Schmidt überbrachte, mit dem Befehl, ihn mit dem Frühesten nach Siebenhuben zu tragen, da wurde Beider Neugier von Neuem rege, und<125> nach einigem Ueberlegen versprach der Kappel seiner Frau, am Morgen den Brief zu erbrechen. Dies geschah denn auch, und es fand sich, daß er eine Einlage des Barons an den Oestr. Oberst Wallis enthielt, welche der Curatus Schmidt an denselben befördern sollte und in welcher der Baron den Obersten auffoderte, die verabredete Aufhebung des Königs ungesäumt zu bewerkstelligen, da der Reisewagen, wie er am vorigen Tage gesehen, bereits vor der Thür des Quartiers des Königs stehe, und dieser also vielleicht schon des andern Tages abgehen werde etc. Pflichtgefühl, vielleicht unterstützt durch die Aussicht einer ansehnlichen Belohnung, ließen ihn bald zu dem Entschluß kommen, den Original-Brief an Wallis dem Könige nach Woiselwitz zu überbringen, und eine Abschrift davon, die er sich durch den lutherischen Prediger Gerlach in Schönbrunn verfertigen ließ, durch seinen Jägerburschen an den Curatus Schmidt zu überschicken. Beide Briefe, der an den Curatus und die Copie an Wallis wurden nun mit des Barons Petschaft, das sich Kappel verschafft hatte, wohl versiegelt und abgeschickt, während Kappel selbst nach Woiselwitz ging, und durch den General Krusemark dem König die Verrätherei des Warkotsch entdeckte und das Original-Schreiben übergab, gleich nachher auch selbst zum König gerufen und von ihm über die einzelnen Umstände befragt wurde. Der König befahl nun sogleich, daß ein Rittmeister mit einem Detaschement Dragoner abgegeschickt werde, den Warkotsch und den Curatus Schmidt abzuholen und vorläufig nach der Festung Brieg zu bringen. Beide Verräther wurden auch — nichts ahnend — glücklich angetroffen, dennoch aber überlisteten sie die zu ihrer Gefangennehmung abgeschickten Officiere, und entgingen so einer harten Strafe. Warkotsch hatte im Oestreichischen Schutz und Aufenthalt gefunden, und ist zu Raab, und, wie gesagt wurde, in gutem Wohlstände gestorben. Der Jäger Kappel erhielt zur Belohnung eine einträgliche Hegemeisterstelle zu<126> Germendorf bei Oranienburg, und als später sein Dienstwohnhaus abbrannte, wies der König zum Wiederaufbau 3900 Thlr. an und verordnete, daß der verbleibende Ueberschuß dem Kappel ausgezahlt werden sollte. Kappel war in Mitrowitz in Böhmen am 15. Januar 1726 geboren. In den Brandenb. Miscellen 1805, S. 427 heißt es, er sei am 12. April 1805 82 Jahr alt gestorben 126-+.

November 1761

In diesem Monat soll der König von Neuem wieder an Voltaire geschrieben haben. (H. W. I. XXXlII).

B.

2. November 1761

Die Russische Hauptarmee in Pommern geht, nachdem sie das Belagerungscorps vor Colberg verstärkt hat, über Schiefelbein und Tempelburg nach Polen in die Winterquartiere.

14. November 1761 bis 15. November 1761

Die Preußen, unter dem Herzog von Würtemberg, verlassen das Retrenchement vor Colberg.


114-+ Merkwürdig hierbei ist, daß der König wenig Tage, nachdem er dies Gedicht verfertigt hatte, einen starken Beweis von der Bosheit der Menschen erhielt, deren Opfer selbst zu werden nur ein glücklicher Zufall verhinderte.

119-+ Es ist nicht wohl anzunehmen, daß Mustapha sich seit Oktober hier aufgehalten, und möchte es also richtiger sein, daß er erst Mitte November beim König angekommen. Vergl. S. 112 Note.

119-++ Die folgende Epistel.

120-+ In den Lettres sur Frederic II, Roi de Prusse etc., Tom II. p. 387 befindet sich diese Epistel nach dem Original von Catt mitgetheilt, und zwar lautet sie da etwas anders, als in den Oeuv. posth. Tom. VIII. 3.

126-+ In der Zeitung für die elegante Welt 1822 Nr. 186 — 89 wird erzählt, der König habe am 15. August 1761 sein Hauptquartier in Schönbrunn gehabt Und daselbst den Jahrestag des Sieges bei Liegnitz gefeiert (?!). Hier schon habe der König auf des Warkotsch Veranstaltung durch die in einem nahen Steinbruch versteckten Oeftreicher überfallen und entführt werden sollen. Zufällig aber habe der General Zieten, der in der Nähe gestanden, in der zur Aufhebung des Königs bestimmt gewesenen Nacht, seine Stellung verändert und sei mit seinem Regiment näher an das Dorf gerücktt dadurch sei der Plan, den König gefangen zu nehmen, vereitelt worden etc. Diese Erzählung ist ganz falsch, der König war an diesem Tage auch gar nicht in Schönbrunn oder in dieser Gegend, sondern in Wahlstadt bei Liegnitz. Die weiterfolgende Erzählung von der beabsichtigten Aufhebung des Königs im November zu Woiselwitz und deren Vereitelung etc. ist voller Unrichtigkeiten.