Januar 1762.
A.
Januar 1762
Der König in Breslau.
?? Januar 1762
Der König erfährt den am 25. Dez. 1761/5. Jan. 1762 erfolgten Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland, und die Thronbesteigung Peter's III 1).
?? Januar 1762
Der König an d'Argens:
"Es ist wahr, lieber Marquis, daß alle günstigen und widrigen Ereignisse abwechselnd auf einander folgen. Uns ha<133>ben so viele unglückliche, grausame und schreckliche betroffen, daß nun wohl etwas kommen mußte, das uns einige Linderung verschaffte. Indeß müssen wir doch erst sehen, wie weit wir in unsern Hoffnungen gehen können. In diesem ganzen Kriege habe ich mit der Feder wie mit dem Degen so viel Unglück gehabt, daß ich nun bei allen Gelegenheiten äußerst mißtrauisch bin, und daß ich einzig und allein nur meinen Ohren und Augen glaube. Ich könnte ein weitläuftiges Kapitel von den mancherlei Arten schreiben, wie die Politiker sich in ihren Muthmaßungen irren, und es würde mir nicht an Beispielen von solchen fehlen, die sich von ihrer Einbildungskraft hinreißen ließen oder zu vorschnell urtheilten. Das macht mich zurückhaltend und vorsichtig.
O, was für eine herrliche Sache ist die Erfahrung! In meiner Jugend war ich unbesonnen, wie ein junges Pferd, das ohne Zügel auf einer Wiese umherspringt, aber nun, — nun bin ich bedachtsam geworden, wie der alte Nestor. Doch, ich bin auch grau, von Kummer aufgenagt, mit Schwachheit ten belastet; mit Einem Wort, ich tauge zu nichts in der Welt mehr. etc.
Sie haben mich stets ermahnt, ich möchte für mein Wohlbefinden sorgen; wie ist es möglich, mein Lieber, wenn man so herumgezerrt wird, wie ich? Vögel, die man dem Muthwillen der Kinder überläßt, Kreisel, die kleine Jungen peitschen, werden nicht ärger herumgetrieben und gemißhandelt, als ich bis jetzt von drei erbitterten Feinden. Leben Sie wohl, mein Lieber. Sobald ich eine beruhigende, tröstende und erquickende Nachricht habe, werde ich nicht ermangeln, Ihnen die Hauptsache davon mitzutheilen; eben so aber auch im Gegentheil. Möchte ich Ihnen doch bald gute Nachricht geben können! etc."
31. Januar 1762
Der König an den Minister Grafen von Finkenstein in Berlin :
"Sehen Sie da, den ersten Lichtstrahl, welcher, dem Him<134>mel sei Dank, endlich erscheint; man muß hoffen, daß die schönen Tage den Stürmen folgen werden. Gott gebe es!"
B.
5. Januar 1762
Die Kaiserin Elisabeth von Rußland stirbt in Petersburg am 25. Dez. 1761 a. St./5. jan. 1762 n. St. Der erste Kourier, welcher diese Nachricht nach Berlin brachte, traf daselbst den 19. Jan. ein, doch hatte sie der hier sich aufhaltende Dänische Gesandte schon drei Tage früher erhalten.
Februar.
A.
21. Februar 1762
Der König in Breslau ertheilt dem, Tags zuvor angekommenen General-Adjutanten des Russischen Kaisers, Andr. von Gudowitsch Audienz.
?? Februar 1762
Der König an d'Argens :
— etc. — "Wir haben hier jetzt einen Russen, eben den, der als Kourier durch Berlin gegangen ist. Ich bin sehr wohl mit ihm zufrieden, und wenn anders nicht alle Grundsätze des menschlichen Denkens Ungereimheiten sind, so muß der Friede mit Rußland und Schweden noch vor der Eröffnung des Feldzugs zu Stande kommen.
In Rücksicht anderer Hoffnungen kann ich erst zu Anfang des künftigen Monats gewisse Nachrichten erhalten. Wir hätten sie wohl verdient, denn wie kummervoll, wie schmerzhaft haben wir nicht seit sechs Jahren gelebt! Der Brand bedarf Salbe, glauben Sie mir, sie ist nöthig und heilsam.
Ich freue mich, daß Sie durch mich gesund geworden sind. Es ist wohl das Beste, was ich mein ganzes Leben hindurch im politischen Fache gethan habe. Ich wünsche, daß dieser Brief ein neues Stärkungsmittel für Sie sein und Sie vollends beruhigen mag.
Ich habe den Einfall gehabt, eine Fabel zu machen, und schicke sie Ihnen zu Ihrem Zeitvertreibe. Es wird bald eine<135> zweite folgen. Mein Geist ist nicht ruhig genug, um etwas Ernsthaftes zu schreiben, daher beschäftige ich mich mit Fabeln.
Ach, lieber Marquis! wann werde ich nicht mehr auf dieser verwünschten Galeere sein! Hier unter dem Monde kann mann wie ich gern zugebe, keine närrischere Rolle spielen, als wenn man politischer Steuermann oder ein General-Romanenheld ist. Epicur hat Recht; ein Weiser sollte sich nie in Staatsangelegenheiten mischen. Wir würden es vielleicht besser machen, wenn wir unsern Platz in der Welt selbst wählten; allein Alles hängt vom Geschick ab; dies wirft uns auf eine Stelle hin, und dann müssen wir darauf aushalten. Schreiben Sie mir, ob man in Berlin froh ist, und sein Sie überzeugt, daß ich Sie immer liebe. Leben Sie wohl."
In diesem Monat schrieb der König die Fabel : die zwei Hunde und der Mensch. (H. W. VII. 149).
B.
Februar 1762
Der nunmehrige Kaiser von Rußland Peter III hatte schon längst als Großfürst eine außerordentliche Zuneigung zum Könige gehabt und bei allen Gelegenheiten, wo es seine Stellung irgend gestattete, große Verehrung und Hochachtung für ihn zu erkennen gegeben. Sobald er den Thron bestiegen, säumte er nicht, davon die überzeugendsten Beweise zu geben. Er gab nicht nur sogleich dem in Russischer Gefangenschaft sich befindenden Preuß. Oberst und Chef eines Freiregiments Graf von Haerd und dem General Werner die Freiheit und behandelte sie mit großer Auszeichnung 135-+; sondern gab auch seinem Günstling, dem General-Adjutanten und Oberst Gudowitsch 135-++, welchen er unter dem Verwände nach Zerbst<136> schickte, dem Bruder seiner Gemalin, dem Fürsten von Anhalt-Zerbst, seine Thronbesteigung zu melden, den geheimen Auftrag, seinen Rückweg über Breslau zu nehmen, und daselbst dem Könige die stärksten Versicherungen der Achtung und Freundschaft des Kaisers zu überbringen. Diesem folgte bald der Befehl, daß alle im Russischen Reiche befindlichen Preuß. Kriegsgefangene nach Petersburg geschickt, daselbst mit allem Nöthigen versehen und zu ihren Fahnen zurückgesandt werden sollten. Mit diesen kamen auch die von Tottleben aus Berlin mit fortgeführten 95 Cadetten wieder zurück.
Der König sandte den Oberst und Kammerherrn Wilhelm Berend Baron von Golz nach Petersburg, dem Kaiser zu seiner Thronbesteigung Glück zu wünschen etc. Ihm folgte bald der Flügel-Adjutant Graf Wilhelm Karl v. Schwerin, um über eine nähere Verbindung beider Höfe zu unterhandeln.
23. Februar 1762
Am 12/13. Febr. ließ der Kaiser den Gesandten der mit Rußland verbundenen Mächte einen Aufsatz übergeben, worin er erklärte, daß er bereit sei, die in diesem Kriege durch die Russischen Waffen gemachten Eroberungen aufzuopfern, in der Hoffnung, daß sämtliche alliirten Höfe ihrerseits die Rückkehr der Ruhe und des Friedens den Vortheilen vorziehen würden, die sie von dem Kriege erwarten könnten, und die nicht anders, als durch fortgesetzte Vergießung von Menschenblut zu erhalten wären.
März.
A.
März 1762
Der König in Breslau.
An diesem letztern Orte, wo er den 27. Januar ankam, hielt sich damals die Königin auf, welcher er den Tod der Kaiserin und den Regierungsantritt des Kaisers anzeigte. Dann ging er nach Zerbst und endlich nach Breslau zum König, der ihm den Lag nach seiner am 20sten erfolgten Ankunft Audienz ertheilte.
<137>6. März 1761
Der König an d'Argens :
"Die Freude der Berliner, die Sie mir beschreiben, hat sich meiner Seele mitgetheilt; ich empfand einen Vorschmack von dem Gefühle, das ich haben werde, wenn der allgemeine Friede geschlossen ist. Die Nachrichten aus Petersburg sind so, wie wir sie nur wünschen können. Vielleicht ist dort sogar der Friede schon unterzeichnet. Von einem gewissen Ort habe ich noch nicht alle nöthigen Nachrichten; indeß weiß ich, daß die Truppen auf dem Marsch sind, und daß man in Wien sich sehr fürchtet. Ich kann aus allen Gründen hoffen, daß ich meinen Endzweck erreichen werde. Sobald ich mehr Gewißheit habe, will ich Ihnen das Vergnügen mittheilen, das diese glückliche Begebenheit mir verursachen wird. Kurz, lieber Marquis, die Gewitterwolken zertheilen sich, und wir können hoffen, wieder einen schönen heitern Tag zu sehen, den glänzende Sonnenstrahlen verschönern.
Ich schicke Ihnen ein Mährchen 137-+; als ich es aufsetzte, war ich ganz voll von Bossuet's Buche 137-++, und von den närrischen Erklärungen, die er über die mystischen Träumereien der Schule giebt. Aus Verdruß über diesen Unsinn machte ich eine Fabel, um mich an denen zu rächen, die ihr Leben damit hinbringen, solche Albernheiten auszukramen. Der Gegenstand der Allegorie ist die dunkle Grotte des Orients; und sie ist durch und durch so deutlich, daß sie keines Commentars bedarf.
Freuen Sie Sich, lieber Marquis, sein Sie ruhig und gesund. Mit der Hoffnung bekomme ich wieder Muth, und ich denke nun, Sie noch vor meinem Tode in Sanssouci wieder zu sehen, wo wir ruhig und ohne in periculo mor<138>tis zu sein, Philosophiren wollen. Leben Sie wohl, mein Lieber. Gott segne Sie."
?? März 1762
Der König an d'Argens :
"Ihr Brief, mein lieber Marquis, fand mich im Fieber, es ist ein Recidio von einem epidemischen Fieber, woran hier in der Stadt viele Leute krank sind, und das Catt Ihnen wird beschreiben können 138-+.
Ihre beiden Nachrichten aus Paris 138-++ haben sehr das Gepräge der Frivolität, der Gottheit jenes Landes. Indeß glaube ich nicht, daß Madame Raimon 138-+++ durch ihre Niederkunft in Versailles die Pompadour würde verdrängt haben; der König von Frankreich bleibt gem bei seinen alten Bekanntschaften, und hat sein Vertrauen auf dieses Weib gesetzt, die sein Königreich seit sieben Jahren zu seiner Zufriedenheit regiert, und wenn man diese Elende auch fortjagte, so denken Sie ja nicht, daß ich viel dabei gewönne. Es ist in diesem Lande eine Sächsische Partei entstanden, die mir eben so sehr entgegen sein würde. Wie klein zeigt sich der Hof, daß er den muthwilligen Burschen, die jenem Vers im Tancred applaudirten, den Prozeß macht! In Wahrheit, das ist sehr elend, eben so wie der Kontrast zwischen dem Staatsrathe und dem Parlamente, für und wider die Jesuiten.
Doch, mein lieber Marquis, mein Kopf ist so schwach, daß ich Ihnen nichts mehr sagen kann; nur das Einzige noch :<139> der Russische Kaiser ist ein göttlicher Mann, dem ich Altäre errichten muß. Leben Sie wohl, lieber Marquis, ich muß abbrechen."
7. März 1762
Die Mutter der Königin, Antoinette Amalie, Wittwe des Herzogs Ferdinand Albrecht von Braunschweig-Lüneburg, stirbt.
20. März 1762
Der Prinz von Preußen kommt in Breslau beim König an, um nun den Feldzug mitzumachen.
25. März 1762
Der Minister von Finkenstein und der Geheime Rath von Herzberg treffen in Breslau beim Könige ein.
30. März 1762
Der Russische General Czernitschef kommt nach Breslau.
31. März 1762
Der General Czernitschef und mehrere angekommene Russische Generale 139-+ werden dem Könige vorgestellt und samtlich von ihm zur Tafel gezogen.
B.
März 1762
Der Französische Marschall und sein Bruder, der Graf Broglio, werden von der Armee abgerufen, und erhalten die Weisung, sich auf ihre Güter nach der Normandie zu begeben. An ihrer Stelle erhalten das Oberkommando der beiden Armeen der Prinz Soubise und der Marschall d'Etrées.
11. März 1762
Stirbt in Berlin der Minister Aug. Fried. von Boden.
16. März 1762
Den 5./16. März wird zu Stargard zwischen dem Russischen General-Lieutenant Fürsten Michael Wolkonsky, Oberbefehlshaber der in Pommern stehenden Russischen Truppen, und dem Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern, Preuß. General und Gouverneur von Stettin, ein Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit geschlossen.
24. März 1762
Die Russischen Truppen unter Czernitschef etc., die in der<140> Grafschaft Glatz gestanden, trennen sich von der Oestreichischen Armee, und gehen über die Oder zurück.
April.
A.
April 1762
Der König in Breslau.
1. April 1762
Der König an d'Argens :
"Bis jetzt bin ich weder todt, noch begraben; mein Fieber hat mich verlassen, und ich befinde mich wie jeder andere Mensch. Ihre Einbildungskraft malt Ihnen die Zukunft mit einem schmeichelhaften Pinsel; allein die meinige, die minder lebhaft und lachend ist, zeigt mir nur Verwirrung, Mühe, Schwierigkeiten, Gefahren und Unglücksfälle, die uns drohen. Ich habe zwar Nachrichten von Soliman erhalten, allein die Angelegenheit ist noch nicht geendigt. Man unterhält mich mit schönen Hoffnungen und ich brauche Thaten. Indeß soll ich doch gegen den 10ten einen Kourier bekommen, der mir Mosen und die Propheten mitbringen wird.
In Rußland geht Alles nach Wunsch, von dort her kann ich nicht eher als den 16ten oder 18ten dieses Monats zuverlässige Nachrichten erhalten. Lassen Sie uns also warten, lieber Marquis, Geduld! denn das Alles ist für mich eine Schule der Geduld, in der meine Lebhaftigkeit erstorben ist. Ich tauge nur noch zum Vegetiren, das Oel meiner Lampe ist mit dem Docht verzehrt; höchstens würde ich noch ein Karthäuser werden können. Sehen Sie nun zu, was mit mir anzufangen ist, wenn der Friede ja zu Stande kommt; etwa Farben für die Marquise zu reiben oder Noten für Ihre Gambe zu copiren. Beruhigen Sie Sich, mein Lieber, sein Sie wegen meiner Gesundheit ohne Sorgen, und schreiben Sie mir alle Nachrichten, die Sie nur können, besonders litterarische. Leben Sie wohl, mein Lieber, ich umarme Sie."
8. April 1762
An Ebendenselben:
"Sie sind munter und fröhlich, mein lieber Marquis, und<141> ich will Sie durch meine schwermüthigen Träume nicht traurig machen. Uebrigens thut es nichts, ob man traurige oder frohe Gedanken hat. Alles geht seinen Gang; und das Ende mag gut oder böse sein, man muß es sich gefallen lassen und seinen Verdruß in sich schlingen, wenn einem das Schicksal zuwider ist.
Ich stecke jetzt in Unterhandlungen bis über die Ohren; in Petersburg geht Alles nach Wunsch, und ich getraue mir, Ihnen zu sagen, daß das Land, von dem Sie nichts hoffen 141-+, Alles, was ich von ihm erwarte, erfüllen wird; aber einen Monat später, als ich es wohl gewünscht hätte. Zu Ende des Mais wird das gute Europa einen schönen Lärm erleben, und auf die Art werden wir das Ende dieses verwünschten Krieges finden.
Jetzt lese ich Fleury's Geschichte noch einmal, die mir ganz wohl gefällt; sie wird bis zum Juli vorhalten; es ist eine derbe Schüssel, die auf einen halben Feldzug Nahrung giebt.
Weiter sage ich Ihnen jetzt nichts, mein lieber Marquis. Ich erwarte große Neuigkeiten, die ich Ihnen ganz wann schicken werde, sobald ich sie bekommen habe. Leben Sie wohl, mein Lieder, ich umarme Sie."
14. April 1762
Der König an Catt :
"Ich danke Ihnen für das Ueberschickte, so wie für die Bücher, die ich aufsammle, um, wenn ich leben bleibe, meiner Seele im künftigen Winter Nahrung zu geben. Ich bewundere Sie, mein Lieber, mit ihren guten Hoffnungen und Combinationen. So einen lebendigen Glauben, wie Sie, habe ich nicht. Von der Zukunft seh' ich so wenig als ein Puter etwas zuvor, und finde, daß ich von Auflaurern, Fallstricken<142> und Abgründen umringt bin, ohne bis auf den heutigen Tag zuverlässige Nachrichten zu haben, den 20sten werden sie sowohl von Rußland als von Constantinopel eintreffen. Sagen Sie dem guten Marquis, sobald ich angenehme Botschaft für ihn hätte, würde ich sie ihm auf das Schnellste mittheilen. Wissen Sie inzwischen insgesamt, daß der Friede mit den Schweden und den Russen zu gleicher Zeit wird geschlossen werden.
Jetzt lese ich im Fleury, da aber meine Plackereien wieder angehen, will es mit meiner Lektüre nicht so fort, wie in diesem Winter. Ich freue mich auf Ihre Rückkehr. etc.
Ouintus spricht mir von Deutschen Büchern, die ich weder kenne, noch kennen lernen mag. Ich habe ihm die Annalen aller berühmten Beutemacher von Karl V an, bis zu unsern Zeiten, ad usum legionum grassatorum versprochen. Leben Sie wohl, mein Lieber, und kommen Sie bald wieder."
?? April 1762
An den Marquis d'Argens :
"Ich wünschte Ihnen alle Tage angenehme Nachrichten geben zu können, lieber Marquis. Diesmal giebt es nichts, als daß Schweden unverzüglich Frieden machen wird; so wie ich auch vermuthe, den 20sten den Abschluß unsers Friedens mit Rußland zu bekommen. Um eben diese Zeit werde ich auch Nachrichten aus dem Orte haben, wo Sie mit dem Herrn von Andresse gewesen sind 142-+. Auch aus den Gegenden, die vor alten Zeiten Mithridat beherrschte 142-++, sind mir Dinge gemeldet worden, die mir viel Vergnügen machen, nur ist der Unterschied dabei, daß das Gute einen Monat später kommen wird.
Ungeachtet so vieler günstigen Aussichten habe ich von gewissen Seiten, woher ich es in der That nicht erwar<143>tete 143-+, so viel Verdruß, als Sie Sich nicht vorstellen können. Kurz, ich glaube von Ewigkeit her dazu bestimmt zu sein, daß ich in meinen alten Tagen meine Geduld auf alle mögliche Art geprüft sehen soll. Herr, dein Wille geschehe! Nun wohl, Marquis, ich will geduldig werden, und damit gut. Wenn wir die Rechnung machen, habe ich am Ende noch gewonnen.
Daun, und fast die ganze Oestreichische Armee, wird hier auf mich losgehen; gewiß giebt es hier viel zu thun, und ohne eine gute Diversion wird es Mühe kosten, den Krieg zu endigen. Leben Sie wohl, mein guter Marquis, lieben Sie mich immer ein wenig, und sein Sie von meiner Achtung überzeugt."
?? April 1762
von Catt kommt nach seiner Genesung von Berlin wieder nach Breslau zum König.
29. April 1762
Der König an d'Argens :
"Schon fing ich an, wie eine Blume zu welken, die man lange nicht begossen hat, als mir Catt Ihren Brief zustellte. Dieser göttliche Thau hat mich wieder erquickt und mir neues Leben gegeben. Es ist drollig, lieber Marquis, daß Sie mit einer Arbeit über das Neue Testament beschäftigt sind, und ich mit den Kirchenvätern. Welcher Dämon hat uns auf diesen Einfall gebracht? Sagen Sie mir, welche Sympathie<144> hat unsern Geist zu gleicher Zeit auf diese ähnlichen Gegenstände gelenkt? Wir beide wissen, glaub' ich, kein Wort davon. Ich gestehe Ihnen, daß ich über die äußerst große Verirrung des menschlichen Verstandes erstaune, so oft ich die Zänkereien über Glaubenslehren und Geheimnisse lese.
Doch ich sage Ihnen nichts, was Sie nicht schon wüßten, und sehe es Ihnen an, daß Sie gute Nachrichten verlangen. Ich bin so glücklich, Sie bedienen zu können, wie Sie es wünschen. Von Rußland erwarte ich den Kourier mit dem Friedenstractat, und von Schweden die Alliance. Die Unterhändler jagen alle Pferde todt, um einzutreffen und sogleich den Frieden zu unterzeichnen. Das ist noch nicht genug; Mithridat's Nachfolger geht jetzt zu Felde und schickt mir ein großes Hülfscorps. Jene Völker, welche die Sonne bei ihrem Aufgange bescheint, sind gleichfalls in Bewegung; die Verträge sind geschlossen, Alles ist zu Stande gebracht, so daß wir auf die gänzliche Erfüllung meiner Hoffnungen rechnen können. Diese Nachrichten haben etwas auf sich warten lassen; allein sie sind gut, daß man ihnen die Langsamkeit verzeihen kann. Jetzt hoffe ich also mit Grund, daß unsere Mühseligkeiten sich mit dem gegenwärtigen Jahre endigen werden.
Catt hat mir gesagt, daß der arme Graf Gotter so gut als in den letzten Zügen liegt. Ach! so werde ich denn in Berlin Nichts wiederfinden, als Mauern und Sie, mein lieber Marquis! keinen Bekannten, Niemand mehr, und ich werde die ganze unglückliche Generation überlebt haben! Ich muß abbrechen, weil ich ein Geschäft bekomme. Bei Muße werde ich Ihnen nächstens mehr sagen. Leben Sie wohl, mein lieber, guter, einziger Marquis. Ich umarme Sie von ganzem Herzen."
B.
1. April 1762
Der Russische General Graf Czernitschef verläßt Breslau<145> und begiebt sich zu seiner Armee, welche durch Polen zurückmarschirt 145-+.
2. April 1762
Stirbt in Cosel der General-Lieutenant und Commandant der Festung Christoph Friedrich von Lattorf.
5. April 1762
Der bisher in Russischer Gefangenschaft gewesene General-Lieutenant von Werner kommt aus Petersburg in Berlin an.
7. April 1762
Zwischen Preußen und Schweden wird durch den Herzog von Würtemberg Preußischer Seits, und den General-Lieutenant von Ehrenswerd von Seiten Schwedens ein Waffenstillstand zu Ribnitz und Rostock geschlossen.
9. Februar 1762
Der Kaiser von Rußland läßt durch seinen Gesandten, den Fürsten Gallizin, dem Wiener Hofe eine Schrift überreichen, worin er erklärt, daß er nun diesem langen und blutigen Kriege ein Ende machen etc., und mit dem Könige von Preußen Frieden schließen werde, und den Rath hinzufügt, daß der Wiener Hof diesem Beispiele folgen möge etc.
In der Mitte dieses Monats kommen die in Russischer Kriegsgefangenschaft gewesenen Cadetten wieder in Berlin an.
18. April 1762
Stirbt der Commandant von Stettin, General-Major von Podewils.
20. April 1762
Stirbt in Neisse der Commandant dieser Festung, Gen.-Lieut. Joachim Christian von Treskow.
<146>Mai.
A.
Mai 1762
Der König in Breslau.
7. Mai 1762
8. Mai 1762
Der König, in Begleitung des Prinzen von Preußen, hält auf dem Schweidnitzer Anger Revue über die Raminsche und Möllendorfsche Brigaden.
8. Mai 1762
Der König an den Marquis d'Argens :
"Sie haben mir das beste Ragout von der Welt für meinen Tisch geschickt, lieber Marquis; ich zeigte Ihren Kupferstich auf die Jesuiten 146-+ dabei vor, jeder sagte seinen Einfall darüber, und wir lachten, was seit den Trübsalen, die wir erlitten haben, in meinem Hause etwas Seltenes ist. Die Franzosen sind drollige Thoren! ich liebe die Feinde, die Stoff zum Lachen geben, und hasse meine mürrischen, von Stolz und Unverschämtheit strotzenden Oestreicher, die zu nichts taugen, als Gähnen zu erregen und der Unglücklichen zu spotten.
Heute kann ich Ihnen nichts Neues melden, ich erwarte meine Kouriere alle Stunden. Vielleicht finden Sie, daß ich seit einigen Monaten beständig Kouriere erwarte. Das ist wahr, aber sie werden doch endlich kommen, und durch das lange Ausbleiben wird Niemand gelitten haben, als unsere Ungeduld. Uebrigens hat es nichts auf sich, vielmehr gewinnt man dabei, wenn man seine natürliche Unruhe einer kleinen Uebung in der Geduld unterwirft, die uns in der praktischen Moral und in dem Studium der Weisheit vorwärts bringt. Jetzt ziehe ich die Armee zusammen und lege die letzte Hand an die Zurüstungen zu diesem Feldzuge. Der Himmel gebe, daß er glücklich und der letzte sein mag, den ich zu thun habe!
<147>Es ist mir sehr lieb, daß Sie nach Sanssouci gehen. Meine Einbildungskraft wird mir zeigen, wo Sie anzutreffen sind; ich werde Ihnen in dem Hause und in den Alleen des Gartens folgen; jetzt, werde ich sagen, spielt der Marquis auf der Violine, nun commentirt er das Griechische Neue Testament, jetzt eben wiederholt er mit seiner Babet die Lectionen der Zärtlichkeit, in dieser Allee macht er politische Entwürfe und beim Anblick meiner Zimmer erinnert er sich meiner. Hierauf werde ich mich in Gedanken ein wenig mit Ihnen unterreden, aber dann wird eine Nachricht von Daun in die Quere kommen und diesen angenehmen Traum verscheuchen; Alles wird vom Winde weggeweht sein. Meine Lage ist noch nicht so ganz sicher vor gewissen Unge wittern, welche von Zeit zu Zeit einige helle Strahlen, die mir leuchten, verdunkeln. Dadurch würde ich sehr beunruhigt werden, wenn ich nicht aus Erfahrung wüßte, daß nicht jedes Unglück, das man fürchtet, auch kommt. Ganz Europa wird in allgemeine Unruhe gerathen, und ich vermuthe, wenn allen der Kopf bis aufs Höchste verwirrt geworden ist, dann wer den sie auf einmal wieder vernünftig werden, wie Leute, die das hitzige Fieber haben, nach langem Phantasiren in einen tiefen Schlaf verfallen und bei dem Erwachen wieder zu Sin nen kommen. Wie lange muß man diesen glücklichen Augen blick erwarten! und wie schwer hält es, ehe das kreisende Europa von diesem so gewünschten Frieden entbunden wird! Nun, mag ich Frieden oder Krieg haben, glücklich oder un glücklich, abwesend oder gegenwärtig sein — Sie sollen mich immer so finden, wie sonst, das heißt voll Liebe und Achtung gegen Sie, wie ich es stets gewesen bin. Lehen Sie wohl, lieber Marquis. Gute Nacht; ich will zu Bette gehen."
?? Mai 1762
An Ebendenselben :
"Ich halte Wort, mein lieber Marquis, und theile Ihnen ganz warm die gute Nachricht mit, die ich so eben erhalten habe. Unser Freund, der Chan, ist an der Spitze von 1000000<148> Tataren auf dem Marsch nach Jassy; mir schickt er 26000 Mann zu Hülfe. Die Türken sind in vollem Marsch nach Adrianopel. Es ist mir gelungen, ihr und Rußlands Interesse mit einander zu vereinigen, und diese beiden Mächte gegen das Haus Oestreich in Waffen zu setzen. Das war nicht leicht, und man mußte ein so verschiedenes Interesse, so gut es ging, zu vereinigen suchen, um diese Mächte zu der Uebereinstimmung zu bringen, in der sie jetzt sind. Dies ist ein Paroli für das, was mir Kaunitz gethan hat; und wenn es die Vorsehung will, werde ich meinen Feinden alles Böse vergelten können, das sie mir gethan haben und thun wollten. Wundern Sie Sich also nicht mehr über meine Unthätigkeit, und sein Sie versichert, daß ich, sobald meine Maschine im Gange ist, in einem Monat mehr thun werde, als ich in den vorhergehenden Feldzügen während eines ganzen Jahres thun konnte.
Das ist eine große Begebenheit; sie wird der Nachwelt wenigstens ein halbes Jahrhundert Spuren von diesem hartnäckigen und grausamen Kriege hinterlassen. Freuen Sie Sich, mein Lieber, künftig können Sie nur gute Nachrichten von unsern Armeen bekommen; im Juli und August werden wir am meisten vorwärts gehen, jeder Schritt wird uns dem Frieden und dem Glücke unsrer armen Nation näher bringen. Ich fange an, mir zu schmeicheln, daß ich Balsam für unsere Wunden, oder, wenn Sie lieber wollen, Salbe für unsern Brand finden werde.
Leben Sie wohl, mein lieber Marquis. Nachrichten von solcher Wichtigkeit kann man nicht oft schreiben. Ich gebe sie Ihnen mit Vergnügen, weil ich überzeugt bin, daß Sie Antheil an Allem nehmen, was mich betrifft, so wie an dem Glücke des Landes, das ich regiere. Ich umarme Sie und schmeichle mir im Ernst, Sie in Sanssouci wieder zu sehen. Leben Sie wohl."
<149>16. Mai 1762
Der König verläßt Breslau und nimmt sein Hauptquartier in dem Dorfe Bettlern, eine Meile von Breslau.
18. Mai 1762
Der König an d'Argens :
"Sie werden es sehr lächerlich finden, lieber Marquis, daß ich Ihnen seit so langer Zeit Nachrichten verspreche und sie Ihnen doch niemals gebe. Meine Schuld ist es gewiß nicht, vielmehr liegt es an den Ereignissen, die sich erwarten lassen, und an den Wegen, welche die Kouriere zu machen haben. Also kann ich Ihnen weder von Staats-, noch von Kriegsangelegenheiten etwas sagen, außer daß der Feldmarschall Daun mit seiner zahlreichen Armee ins Lager gerückt, und daß ich noch in den Kantonirungsquartieren, aber immer auf dem Sprunge stehe.
Man hat mir aus Sachsen einige gute Nachrichten geschrieben, das ist mir sehr angenehm, aber ich würde mich noch mehr darüber freuen, wenn die Vorfälle entscheidender gewesen wären. Wir brauchen großes Glück, um Vortheile über unsere Feinde zu gewinnen. Ich bitte den Himmel darum, da ich aber keinen St. Simon Stylites, keinen St. Antonius, keinen St. Johannes Chrysostomus, ja nicht einmal einen heil. Fiaker habe; so zweifle ich, daß der Himmel das Gebet eines armen, sehr wenig gläubigen und noch weniger erleuchteten Weltkindes erhören wird. Sobald ich Ihnen etwas Gutes zu melden habe, sollen Sie es sogleich erfahren.
Indessen, lieber Marquis, vertreibe ich mir die Zeit mit den Päbsten Nicolaus und Hadrian, mit dem Kaiser Ludwig und dem König Lothar, mit den gnädigen Frauen Teutberg und Wallrad. Ich bin jetzt bei der Entstehung des großen Schisma im Occident, und möchte glauben, von Konstantin an bis auf Luther sei die ganze Welt blödsinnig gewesen. Man stritt in einem unverständlichen Rothwelsch über ungereimte Visionen, und die Kirche befestigte ihre irdische Gewalt dadurch, daß Fürsten und Nationen leichtgläubig und albern waren. Betrachtet man den Zusammen<150>hang der Religionsgeschichte von dieser Seite, so zeigt sich den Augen des Philosophen ein großes Gemälde, und wird für den Denker und jeden Beobachter des menschlichen Gemüths lehrreich. Der Abbé Fleury hat dadurch, daß er die Geschichte verfertigte, der gesunden Vernunft in der That einen großen Dienst geleistet. Sie wollen, wie es mir scheint, ein fürchterliches Buch schreiben, mein lieber Marquis. Wenn Sie die Absicht haben, alle Widersprüche und Albernheiten der Theologen zu sammeln, so bekommen Sie eine ungeheure Arbeit. etc.
Leben Sie wohl, mein göttlicher Marquis. d'Alembert's neue Schriften konnten Sie immer behalten, sie sind wirklich mit unserer jetzigen Münze von gleichem Schlage. etc. Vale."
20. Mai 1762
Der Flügel-Adjutant Graf von Schwerin langt unter Vorreitung vieler blasenden Postillons als Kourier aus Petersburg in Breslau an und überbringt den am 24. April/5. Mai zu Petersburg zwischen Rußland und Preußen abgeschlossenen Friedenstractat, in Folge dessen der König wieder zum ruhigen Besitz Preußens und Pommerns gelangt.
20. Mai 1762
An den Marquis d'Argens : "Ich theile Ihnen, mein lieber Marquis, wie ich versprochen, die guten Nachrichten mit, die ich aus Rußland erhalten habe. Schwerin ist eben angekommen und bringt uns nicht bloß das ratificirte Friedensinstrument mit, sondern auch eine Alliance, kraft welcher unser unvergleichlicher Kaiser mir alle meine Besitzungen verbürgt, ja sogar die Eroberungen, die ich mit dem beträchtlichen Hülfsheer, welches den künftigen Monat zu mir stoßen soll, noch etwa machen konnte. Das ist in der That mehr, als wir hoffen durften. Es ist gewiß ein Schritt, der zu einem ehrenvollen Frieden führen wird, und ein Fußsteig, der einen Ihnen wohlbekannten Philosophen nach Sanssonci bringen kann, wo er noch<151> vor seinen, Tode Sie zu umarmen hofft. Leben Sie wohl, mein lieber Marquis, ich umarme Sie."
Anmerk. Dieser Brief steht in der Königsberger Ausgabe irrig unter dem 20. Juni.
21. Mai 1762
Der König giebt zur Feier dieses Friedensschlusses ein großes Fest, wozu sämtliche anwesende Generale eingeladen werden. Der König giebt dem Minister Grafen Finkenstein den schwarzen Adlerorden.
?? Mai 1762
Der König an d'Argens :
"Es ist mir sehr angenehm, lieber Marquis, daß Sanssouci Ihnen während der schönen Frühlingstage zu einem angenehmen Aufenthalt dienen kann. Hinge es bloß von mir ab, so wäre schon Alles so eingerichtet, daß ich dort zu Ihnen kommen könnte. Aber zu den sechs vorher gehenden Feldzügen muß auch noch der siebente, der bald eröffnet wird, hinzu kommen; entweder weil die Zahl Sieben, die bei den Peripatetikern und den Mönchen für mystisch gilt, voll werden muß, oder weil es von Ewigkeit her im Buche des Schicksals geschrieben steht, daß wir erst nach sieben Feldzügen Frieden bekommen sollen; genug, wir können ihnen nicht entgehen. etc.
An die Mönche 151-+ in Schlesien habe ich schon gedacht. Sobald ich erfuhr, daß sie aus Frankreich vertrieben wären, machte ich mein Plänchen darnach und warte bloß, bis das Land von den Oestreichern gereinigt sein wird, um dann darin zu thun, was mir gefällt. Sie sehen also, lieber Marquis, daß man warten muß, bis das Korn reif ist, ehe man es mähet. Welch ein Unterschied zwischen dem Sanssouci, das man jetzt wiedersieht, und dem, das man vor dem Kriege bewohnte, zwischen unserm damaligen blühenden Zustande und unserm gegenwärtigen Elende, zwischen der guten Gesellschaft, die sich damals dort versammelte, und zwischen der jetzigen Einsamkeit oder der schlechten Ge<152>sellschaft, die uns übrig bleibt! Das Alles, lieber Marquis, bekümmert mich, und ich werde dadurch traurig und melancholisch.
In Ansehung d'Alembert's bin ich sehr Ihrer Meinung; es ist besser, gar nichts zu schreiben, als Widersprüche und Armseligkeiten zu sagen. Blaise-Pascal, Newton und dieser Mann, alle drei die größten Mathematiker in Europa, haben eine Menge Albernheiten gesagt; der Eine in seinen Sittensprüchen, der Andere in seinem Commentar über die Apokalypse, und der Letzte über die Poesie und die Geschichte. Die Mathematik konnte also den Verstand nicht so richtig denken lehren, als man von ihr behauptet. Das günstige Vorurtheil für die Geometrie hat jene Behauptung zu einem Axiom gemacht, aber nach den eben angeführten drei großen Mathematikern zu urtheilen, die alle so erbärmlich räsonnirt haben, ist sie nicht einmal ein Problem. Lassen Sie uns bei den schönen Künsten und Wissenschaften bleiben, lieber Marquis. Vollkommenheit ist nicht für uns bestimmt. Bei den Fehlern eines Dichters hat man einige Nachsicht, man setzt sie auf die Rechnung seiner Einbildungskraft, aber einem Mathematiker verzeiht man nichts, er muß richtig und wahr sein. Ich für mein Theil fühle, daß man es nicht immer sein kann, und hefte mich daher weit mehr als jemals an die Reize der Dichtkunst und an alle Theile der Wissenschaften, die den Verstand schmücken und aufklären können; sie werden die Kinderklapper meines Alters sein, und ich mich so lange daran vergnügen, bis meine Lampe erlischt. Diese Wissenschaften, l. M., machen den Geist sanft und mildern das Herbe der Rache, die Härte, der Strafe, kurz, alle Strenge, welche souveräne Gewalt mit sich führt, durch eine Mischung von Philosophie und Nachsicht, die sich auch nicht entbehren läßt, wenn man Menschen beherrscht, die nicht vollkommen sind, und — wenn man selbst es nicht ist.
Mit einem Wort, mein lieber Marquis, ich betrachte —<153> mag nun Alter, oder Ueberlegung, oder Vernunft daran Schuld sein — alle Ereignisse des menschlichen Lebens weit gleichgültiger, als ehemals. Wenn etwas für das Wohl des Staats gethan werden muß, so thue ich es zwar noch mit einiger Lebhaftigkeit; aber, unter uns gesagt, nicht mehr mit meinen heftigen Jugendfeuer, nicht mehr mit der Wärme, die mich ehemals belebte.
Es ist Zeit, daß der Krieg zu Ende geht, denn meine Predigten werden matt, und bald werden meine Zuhörer sich über mich aufhalten. Leben Sie wohl. etc."
28. Mai 1762
An Ebendenselben:
"Ich will Ihrer Freude nicht Zeit lassen, sich abzukühlen, mein lieber Marquis; sie soll durch eine andere Neuigkeit, den Frieden mit Schweden, wieder angefacht werden. Vielleicht wußten Sie sie schon; allein ich erfülle mein Versprechen, Ihnen von Allem, was Gutes vorfällt, Nachricht zu geben.
Heute oder morgen werden hoffentlich die Tataren mit einem Heere von 10000 Mann in Ungarn einen neuen Auftritt eröffnen. Endlich hat es mit unserer Noth ein Ende, und jene flatterhafte Göttin, die, wie es ihr einfällt, ihre Gunst schenkt und entzieht, scheint sich mit uns aussöhnen zu wollen. Alles dieses zeigt mir mit Ende dieses Jahres eine sichere Aussicht zum Frieden, und im Hintergrunde derselben Sanssouci nebst meinem lieben Marquis. Eine sanfte Stille findet sich in meiner Seele wieder ein, und das Gefühl der Hoffnung, von der ich seit sechs Jahren entwöhnt war, tröstet mich für Alles, was ich bisher ausgestanden habe. Denken Sie nur einen Augenblick an die Lage, worin ich mich in dem nächsten Monat befinden werde, und an die, worin ich vorigen Dezember gewesen bin. Der Staat lag in den letzten Zügen, wir warteten nur auf die letzte Oelung, um den letzten Seufzer von uns zu geben; und jetzt habe ich zwei Feinde vom Halse, und meine Armee wird zu ihrem rechten Flügel 20000 Rus<154>sen, und zu ihrem linken 200000 Türken bekommen, von welchen letztern 26000 Tataren mir ganz zu Gebote stehen. Das sind also zwei Kaiser, die mir als Kapläne helfen werden, eine Messe vor der Königin von Ungarn zu lesen, und sie zur Anstimmung eines de profundis zu bringen. Doch das ist Spaß; im Grunde meines Herzens spreche ich mit den Weisen : O Eitelkeit, Eitelkeit! und Alles ist eitel! Alle jene politischen, ehrsüchtigen und eigennützigen Possen müßten so hinfällige Wesen, wie wir sind, nicht in Bewegung setzen. Allein, Vorurtheile und Täuschungen regieren die Welt, und ob wir gleich wissen, daß es nach einer kurzen Pilgerschaft mit unserm Leben gethan ist, so können wir einen heimlichen Trieb, der uns für Ruhm und Ehre empfindlich macht, doch nicht ganz los werden. Ich beichte Ihnen aus dem Innersten meines Herzens, mein lieber Marquis. Ich könnte es Ihnen durch den Ausspruch eines Geometers beweisen, daß die letzte Neigung, die dem Weisen übrig bleibt, auf Ehre geht; allein ich mag nicht citiren, und bin überdies lange noch nicht weise genug, um diesen Ausspruch auf mich anzuwenden. Ich will Ihnen also nur aufrichtig gestehen, daß die Neuigkeiten, die mir zugekommen sind, und die glückliche Laufbahn, die ich zu betreten im Begriff stehe, mir Freude machen. Es wundert mich gar nicht, daß auch unsere guten Berliner sich herzlich gefreut haben; sie haben bei den Friedensschlüssen eben so gut ihren Vortheil, wie ich, der ich sie unterzeichnet, den meinen; sie werden von nun an weder die Tottleben's, Czernitschef's und Laszy's, noch die Kosacken zu fürchten haben. Das ist ein wichtiger Artikel zum ruhig leben. etc. Ich würde kein Ende finden, wenn ich Ihnen alle die Betrachtungen mittheilen wollte, die mir bei diesem Ausgange der Sache über die Ungewißheit künftiger Ereignisse, und über die so mühsam erbauten politischen Luftschlösser beifallen. Allein, ich habe Sie bloß durch einige gute Nachrichten erfreuen wollen, und mag Ihnen weiter keine<155> Langeweile mit meinem Geschwätze machen. Leben Sie wohl, mein lieber Marquis, der Himmel segne und erhalte Sie, damit ich Sie gesund, heiter, aufgeräumt und zufrieden wiederfinde. Ich umarme Sie."
B.
5. Mai 1762
Abschluß des Friedens zwischen Rußland und Preußen. (Der Friedenstractat befindet sich in Herzberg's Recueil des Deductions etc. I. 288).
12. Mai 1762
Die Preußen unter dem Prinzen Heinrich überfallen die Oestreichschen Postirungen an der Mulde bei Döbeln etc., wobei sie 40 Officiere, darunter den General Zedtwitz, und 1500 Mann gefangen nehmen.
13. Mai 1762 bis 15. Mai 1762
Die Oestreicher werden auch aus ihren Postirungen bei Nossen etc. und aus ihrem Lager bei Freiberg vertrieben.
10. Mai 1762
Stirbt der General-Lieutenant Christoph Graf von Dohna.
22. Mai 1762
Wird der Friede zwischen Preußen und Schweden zu Hamburg geschlossen. (Herzberg Receuil I. 295).
23. Mai 1762
Der mit Rußland geschlossene Friede wird der Armee bekannt gemacht, und darauf ein Dankfest gehalten.
24. Mai 1762
Fand in Berlin die öffentliche Bekanntmachung und die Feier des mit Rußland geschlossenen Friedens statt.
28. Mai 1762
Stirbt der Minister G. A. Graf von Götter.
Juni.
A.
Juni 1762
Der König in Bettlern.
8. Juni 1762
Der König an d'Argens:
"In Ihrem Briefe, lieber Marquis, scherzen Sie über meine Kouriere. Leider geht nicht Alles so geschwind, als ich es wohl wünschte. Mit den Russen haben wir Frieden; das ist in der That sehr vortheilhaft für mich, aber auf der andern Seite hat es meine Unterhandlungen in Constantinopel gestört. Es ist nicht leicht, so viele Köpfe unter einen Hut<156> zu bringen, und besonders so viel verschiedenes Interesse mit einander zu vereinigen. Man unterhandelt; darüber vergeht die Zeit, und wir kommen nicht aus der Verwirrung heraus. Indeß marschiren doch die Tataren. Es sind immer hunderttausend Mann, und man muß hoffen, daß die andern folgen werden, wenn man jene ins Spiel bringt etc. Bei der Spekulation macht man schnelle Fortschritte, l. M., aber bei dem Ausführen geht es langsam, weil man auf seinem Wege tausend Hindernisse antrifft. Ich überlasse mich dem Schicksal, das die Welt nach seinem Willen lenkt. Die Politiker und die Krieger sind nur Marionetten der Vorsehung; als nochwendige Werkzeuge einer unsichtbaren Hand handeln wir, ohne zu wissen, was wir thun, und oft ist der Erfolg unserer Bemühungen gerade das Gegentheil von dem, was wir hofften. Ich lasse daher Alles gehen, wie Gott will, arbeite im Dunkeln, und benutze günstige Umstände, wenn sie da sind. Czernitschef ist auf dem Marsch, um zu mir zu stoßen. Unser Feldzug wird erst gegen das Ende des Monats anfangen, aber dann wird es in dem armen Schlesien einen argen Lärm geben. Kurz, lieber Marquis, ich habe ein hartes und schweres Stück Arbeit vor mir, und noch kann man nicht zuverlässig sagen, was für eine Wendung das Alles nehmen wird. Beten Sie für uns, und vergessen Sie einen armen Teufel nicht, der sich in seinem Harnisch entsetzlich zerquält, wie ein Verdammter lebt, und dessen ungeachtet Sie aufrichtig schätzt und liebt. Leben Sie wohl."
8. Juni 1762
Der König an die Gräfin Camas : "Ich bin innigst überzeugt, mein liebes Mütterchen, von Ihrer aufrichtigen Theilnahme an den guten Ereignissen, die uns zustoßen. Schade nur, daß wir so tief herunter gewesen sind, daß wir gegenwärtig jederlei Art von glücklichen Zufällen bedürfen, um wieder auf die Beine zu kommen, und zwei große Friedensschlüsse, die für jeden Andern die Ruhe herbeiführen würden, eröffnen mir in diesem Augenblick höch<157>stens nur die Aussicht, daß ich den Krieg weniger unglücklich beendigen werde.
Von ganzem Herzen wünsche ich, daß der Himmel Sie bis zu dem Augenblick erhalten möge, wo ich Sie sehen, Sie hören und Sie werde umarmen können. Allem Anschein nach werden Sie in Kurzem wieder die ruhigen und friedlichen Bewohner Berlins werden können 157-+. Wir Andern hingegen werden wohl bis zum letzten Athemzuge uns herum balgen müssen. Indessen muß das Alles doch einmal ein Ende neh men. Die einzige angenehme Aussicht für mich bei dem bevorstehenden Frieden ist die, daß ich Ihnen mündlich die hohe Achtung versichern kann, mit welcher ich bin, mein liebes Mütterchen, Ihr treuer Freund.
Friedrich."
14. Juni 1762
Der König reitet recognosciren, bleibt des Nachts bei den Vorposten im Dorfe Poschwitz, und kehrt am andern Morgen nach Bettlern zurück.
19. Juni 1762
Der König giebt dem Kaiser von Rußland das Preußische Infanterie-Regiment von Syburg (damals Nr. 13). Es hatte sich dasselbe in der Schlacht bei Kunersdorf durch seine Tapferkeit ausgezeichnet. Jetzt erhielten die Officiere desselben silberne Achselbänder. Der Kaiser gab dagegen dem Könige das Schuwalowsche Dragoner-Regiment, welches in der Schlacht bei Zorndorf ebenfalls mit großer Tapferkeit gefochten hatte. Mit Tottleben war es in Berlin gewesen und hatte daselbst die Schloßwache besetzt.
19. Juni 1762
Der König an d'Argens:
"Wenn ich mich über das, was im Orient vorgegangen ist, umständlich gegen Sie erklären wollte, lieber Marquis, so fänden Sie vielleicht, daß ich Ursache zu glauben hatte, es werde in den dortigen Gegenden etwas Gutes geschehen.<158> Gewiß ist noch nicht Alles verloren, und ich habe noch einen günstigen Schimmer. Der Tatar muß in vollem Marsche sein, und ich schmeichle mir wenigstens, daß er mir ungefähr 20000 Mann Hülfstruppen geben wird. In Constantinopel erregen die Janitscharen einen Aufruhr, der dem Großvezier gilt. Als mein Brief abging, lag schon der achte Theil der Stadt in Asche, und die Feuersbrunst dauerte noch fort.
Sie haben wohl Recht, wenn Sie sagen, daß unsere Speculationen über die Zukunft, und alle politischen Muthmaßungen nur nichtig find» Wer kann besser davon reden, als ich? Seit sechs Jahren sehe ich mich ja durch alle politischen Ungewitter von Europa bestürmt; stets dem Schiffbruche nahe, bis jetzt gleichsam durch ein Wunderwerk erhalten, und doch immer neuen Gefahren ausgesetzt.
Alles, was in Rußland vorgeht, konnte der Graf Kannitz nicht vorhersehen; Alles, was in England vorgegangen ist, und wovon Sie das Gehässige noch nicht einmal wissen, konnte ich bei meinen Planen nicht in Anschlag bringen. Hieraus folgt, daß man als Regent eines Staats in unruhigen Zeiten sich häufig betrogen sieht. Besonders aus diesem Grunde wird mir diese undankbare und fruchtlose Arbeit zuwider, und er macht meine Liebe zu den Wissenschaften, die uns im Stillen und im Schooße des Friedens beschäftigen können mehr als jemals lebendig. Der Gelehrte hat etwas Gewisses vor sich, der Politiker aber fast gar kein sicheres Datum.
Den 30sten stoßen die Russen zu uns. Bei ihrer Ankunft wird unsere Unthätigkeit aufhören, dann werde ich, trotz Allem, was daraus entstehen kann, von Neuem große Abenteuer wagen. Das wäre denn der siebente Akt unsers Trauerspiels! Das Stück währt zu lange! Der Russische Kaiser hat die Katastrophe darin eingeleitet; ich muß an der Auflösung des Knotens arbeiten, um es so gut als möglich zu endigen. Jetzt beschäftigen mich eine Menge vorläufiger Ein<159>richtungen. Man muß Alles anordnen und, so viel es angeht, Alles vorhersehen. Rechnen Sie hierzu noch die lebhaften Unterhandlungen, die jetzt gepflogen werden, dann werden Sie die Sorgen, die Unruhe, die Arbeit, die es mir kostet; und die Last, die meine armen Schultern zu tragen haben, leicht beurtheilen können. Kurz, mein lieber Marquis, wir sind nahe an den Ereignissen, welche diesen Feldzug und diesen ganzen Krieg entscheiden werden. Man muß sie mit Geduld abwarten, weil das Wenigste von dem, was geschehen muß, von uns abhängt. Leben Sie in Frieden, schreiden Sie mir oft, und sein Sie meiner Freundschaft gewiß."
26. Juni 1762
Der König recognoscirt mit den so eben bei seiner Armee angekommenen Kosacken das Oestr. Corps unter Brentano.
27. Juni 1762
Der König an die Gräfin Camas :
"Es freut mich, mein liebes Mütterchen, daß Sie so viel Herz haben, und ich bitte Sie recht sehr, den Muth ja nicht sinken zu lassen. Alles nimmt ja ein Ende, folglich muß man hoffen, daß dieser verdammte Krieg nicht das einzige ewige Ding in dieser Welt sein werde. Seitdem der Tod die Nordische Dame heimgeführt, hat unsere Lage sich vortheilhaft geändert, und wird weit erträglicher, als sie es zuvor war. Man muß hoffen, daß noch einige gute Ereignisse eintreten werden, welche man wird benutzen können, um zu einem guten Frieden zu gelangen.
Sie sprechen mir von Berlin, ich wünschte recht sehr, Sie dort insgesamt vereinigt zu wissen. Allein ich möchte gern, daß, wenn Sie dahin zurückkehren, Sie dort nicht wie der Vogel auf dem Dache sich befänden, und daß Sie mit Ruhe und Anstand sitzen bleiben könnten. Daher erwarte ich den Augenblick, wo ich diese Sicherheit, auf gute Grundlagen gestützt, glauben werde, um Sie zur Rückkehr aufzufodern.
Wenn alles dies auf eine gute und schickliche Weise sich aus einander wirrt, o, wie will ich den Himmel segnen, Sie, mein liebes Mütterchen, wieder zu sehen und zu umarmen!<160> Ja, zu umarmen, sage ich; denn Sie haben in der ganzen Welt keinen Anbeter mehr, als mich, Sie können mir keine Eifersucht einflößen, und ich bin völlig befugt, von Ihnen einen Kuß zu verlangen, zur Belohnung meiner Beständigkeit und der zärtlichen Anhänglichkeit, welche ich für Sie habe. Sie können Sich immer schlagfertig halten, mag Finette dazu sagen, was sie will. Leicht möglich, daß sie vor Aerger die Auszehrung bekommt, denn seit ihrem verstorbenen Galan hat sie keinen Courmacher mehr.
Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen. Verzeihen Sie mir die Armseligkeiten, welche ich Ihnen schreibe, aber das kommt daher, daß ich allein bin, daß ich zuweilen meine peinliche Lage vergesse, daß ich Sie liebe, und so gern die Gelegenheit benutze, mit Ihnen zu plaudern."
28. Juni 1762
Der König verlegt sein Hauptquartier nach Klein-Tinz.
30. Juni 1762
Der König begiebt sich nach Lissa, um das für das Russische Hülfscorps daselbst abgesteckte Lager in Augenschein zu nehmen und dem Einrücken dieser Truppen, welche Vormittags anlangten, beizuwohnen. Nachdem der König das Corps vor sich vorbei defiliren lassen, war in Lissa große Tafel, wozu der General Czernitschef und die übrigen Generale und Stabsofficiere eingeladen wurden. Der König trug an diesem Tage den Russischen Andreas-Orden. Gegen Abend kehrte der König nach Klein-Tinz zurück.
B.
3. Juni 1762
In Berlin wird der mit Schweden geschlossene Friede publicirt.
17. Juni 1762
Wird bei der Armee befohlen, daß die ganze Cavallerie, wie auch die Freibataillons und Jäger, auch die Generale und deren Adjutanten, einen weißen Federbusch auf den Hut stekken sollen, damit die nun zur Preußischen Armee stoßenden Russen sie dadurch von den Oestreichern unterscheiden können. Die Federbüsche der Officiere waren halb schwarz, halb weiß.
21. Juni 1762
Das Czernitschefsche Corps bricht aus Polen auf, um<161> wieder nach Schlesien zu marschieren und zur Armee des Königs zu stoßen.
22. Juni 762
Starb in Breslau der Markgraf von Brandenburg-Schwedt, Friedrich Karl Albrecht, Heermeister des Johanniter-Ordens und Preuß. General der Infanterie, 58 Jahr alt.
24. Juni 1762
Schlacht bei Wilhelmsthal. Der Herzog von Braunschweig schlägt die Franzosen unter Soubise und d'Etrée. Die Franzosen verloren 2529 Gefangene, 12 Kanonen, 1 Standarte und 7 Fahnen, an Todten ungefähr 2500 Mann. Die Alliirten hatten 104 Tobte, 273 Verwundete, und 306 Mann wurden vermißt. Der Preußische Oberst von Lossow und der Russische Oberst Demischow mit seinen Kosacken attakiren die Oestreichischen Vorposten bei Wernersdorf etc. und treiben sie zurück.
Juli.
A.
1. Juli 1762
Der König bricht mit seiner Armee von Klein-Tinz auf, desgleichen das Russische Corps von Lissa, nach Kapsdorf. Das Hauptquartier des Königs war in Gniechwitz und das des Generals von Czernitschef in Schauerwitz.
2. Juli 1762
Der König in Neudorf.
3. Juli 1762
In Bunzelwitz, wo das Lager aufgeschlagen wird.
4. Juli 1762
Der König an d'Argens :
"Lieber Marquis, ich habe das schöne, mit zierlichen Einfassungen geschmückte Papier nicht, das die Briefe Ihrer Landsleute so reizend macht, sonst würde ich es zu meiner Antwort an Sie gebrauchen. Sie werden es also sich gütigst gefallen lassen, daß ich Ihnen auf diesem Papiere schlechtweg schreibe, was vorgeht. Wir stehen wieder in dem Lager, in welchem wir im vorigen Jahre so lange standen, und wollen gegenwärtig in die Gebirge eindringen, um dem Feldmarschall Daun in den Rücken zu kommen und ihn zu nöthigen, daß er nach Böhmen zurückgeht. Wie weit uns das gelingen<162> wird, weiß ich nicht; indeß läßt sich nichts anderes thun. Es ist ein großes Unternehmen, einen geschickten General aus allen seinen Stellungen, die er im voraus genommen hat, zu vertreiben. Ohne Zweifel wird Fortuna viel dabei thun, aber wer kann sich auf diese Flatterhafte verlassen?
Sie verlangen Nachrichten vom Tatarchan? Wie man mir schreibt, wird er mir sogleich Truppen schicken. Der Brief ist vom 11. Juni. Diese Diversion wird später geschehen, als ich hoffte, aber immer Wirkung thun. So herrlich unser Friede und unsere Alliance mit Rußland auf der einen Seite find, so haben sie doch auf der andern die guten Gesinnungen der Morgenländer etwas geändert. Man muß nun sehen, ob unsre Feinde dies nicht benutzen werden.
Die ganze Politik, lieber Marquis, beruht auf einer beweglichen Stütze, und man kann auf nichts mit Gewißheit rechnen. Aus diesem Grunde wird sie mir äußerst widrig. Die Trübsale der verflossenen Jahre, die Verwüstung der meisten Provinzen, nebst allen Arten von Unglücksfällen, die mir begegnet sind, haben mich bei allen menschlichen Angelegenheiten philosophischer oder gleichgültiger gemacht, als es Sokrates sein könnte; bald werde ich es zu einer vollkommenen Seelenruhe bringen. Es ist Zeit, lieber Marquis, daß dieser Krieg aufhört; ich tauge nichts mehr, mein Feuer erlischt, meine Kräfte schwinden, ich vegetire nur noch. Bei solchen Umständen, kann man wohl einen guten Einsiedler abgeben, aber für die Welt ist man nichts mehr nütze.
Prinz Ferdinand, hat einen beträchtlichen Vortheil über die Franzosen erhalten. Das ist mir lieb; doch hätte ich es gern gesehen, wenn der Sieg entscheidender gewesen wäre 4000 Mann von 80000 bleiben 76000; mehr als zu viel für den Prinzen Ferdinand, der ihnen höchstens nur 50000 Mann entgegenstellen kann. Allein er gewinnt dadurch Zeit, und dieser beträchtliche Verlust macht einen Soubise, einen<163> der mittelmäßigsten Generale, den die Franzosen jemals gehabt haben, muthlos. Mein armer Markgraf Karl ist todt! Ich bin sehr betrübt darüber, er war der ehrlichste Mann von der Welt. Wir Alle müssen dort unten wieder zu ihm; etwas früher, etwas später, das läuft auf Eins hinaus. Leben Sie wohl. etc."
4. Juli 1762
Der König war krank, weshalb der beschlossene Angriff auf Daun bis den 6ten verschoben wurde.
5. Juli 1762
Der König in Teichenau.
6. Juli 1762
In Neu-Reichenau. Der König leitet das Gefecht des Generals Wied, bei welchem auch der Prinz von Preußen war, gegen Brentano, und nimmt sein Quartier in den Kronhübel-Häusern. (Die Spenersche Zeitung Nr. 83 nennt Baumgarten, wahrscheinlich gehören die Kronhübel-Häuser dazu).
7. Juli 1762
In Seitendorf.
15. Juli 1762
Der König an Catt:
"Sie reden so von meinen Versen, als wenn sie etwas taugten, aber ich versichere Sie, daß ich selbst wohl einsehe, wie matt und fehlerhaft sie sind. Wenn es mir nicht an Zeit fehlte, so machte ich sie etwas weniger schlecht. Doch diese, die ich bei Sorgen, Unruhe und Noth, den gewöhnlichen Gefährten der Kriegsexpeditionen, geschrieben habe, taugten nur für den Augenblick, und um der Person zu schmeicheln, für die sie bestimmt sind. Die Frauenzimmer nehmen es nicht so genau; alle Verse, in denen man ihnen Süßigkeiten sagt, scheinen ihnen gut. Die gegenwärtigen werden, glaube ich, ihre Bestimmung erfüllen, da sie nur gefallen sollen und keine strenge Prüfung von einem d'Olivet und Freron auszuhalten haben.
Wir machen hier nichts als Armseligkeiten. Ich schäme mich meines Feldzugs. Es nimmt noch nicht die Wendung, die ich wünschte, und ich fürchte sehr, daß das, was ich Ihnen diesen Winter sagte, buchstäblich in Erfüllung gebt. Den 20sten werden wir sehen, wie es ausfallen<164> wird 164-+. Ich kann mich nur mit Mühe beruhigen. Bisweilen behalten Mark-Aurel und die Stoiker die Oberhand, aber oft bekommt auch die Natur das Uebergewicht und macht, daß die Philosophie verstummt.
Der Himmel stehe uns bei und gebe uns irgend einen großen Vortheil, der es endlich zu dem so sehr gewünschten und nöthigen Frieden bringt. Noch wäre ein Schimmer von Hoffnung von Seiten der Leute im Orient übrig, wenn man sich auf ihr Wort verlassen könnte; aber Fabriz, den ich gelesen habe, macht, daß ich zittere, und ich fürchte, wir werden keinen Nutzen von ihnen ziehen. Leben Sie wohl, mein Lieber, werden Sie wieder gesund und kommen Sie, wenn wir die Belagerung von Schweidnitz unternehmen können. Vale, Vale."
An diesem Tage 164-++ erhielt der König die erschütternde, und in den ersten Augenblicken ihn ganz zu Boden schlagende Nachricht von den in Petersburg stattgehabten Vorfällen, in deren Folge der Kaiser Peter III am 28. Juni/6.Juli dem Throne hatte entsagen müssen.
- - Aus den vorstehenden Briefen des Königs an seinen einzigen wahren und teilnehmenden Freund, den Marquis d'Argens, dem er sein ganzes Herz aufschloß, haben wir gesehen, welchen großen Hoffnungen er sich jetzt, nach so vielen und anhaltenden Unglücksfällen, hingegeben hatte. - - So nahe daran, endlich alle seine bisherigen Leiden und Sorgen bald beendigt zu sehen und in seinem geliebten, friedlichen Sanssouci die lang und heiß ersehnte Ruhe, und das stille Glück im Schooße der Freundschaft und der Musen genießen zu können, wird er auf einmal durch jene Vorfälle plötzlich in seine vorige be<165>drängte und hülfslose Lage zurückgeworfen, ja, wie es in der ersten Bestürzung scheinen konnte, in eine noch weit gefährlichere versetzt. — Wie konnte es da anders sein, als daß unter solchen Umständen eine solche Nachricht auf ihn fast vernichtend wirken mußte. Blaß und beinahe empfindungslos lag daher der sonst nicht leicht außer Fassung kommende Friedrich auf einem Kanapee, als der Major von Schwerin, den er hatte rufen lassen, ins Zimmer trat. Fast eine Viertelstunde lag der ganz in sich gekehrte König, ohne ein Wort zu sprechen. Schwerin fing an zu besorgen, der Monarch, den er wenig Stunden zuvor 165-+ so heiter gesehen hatte, sei entweder gefährlich krank geworden, oder habe eine höchst unglückliche Nachricht von der Armee des Prinzen Heinrich erhalten. Staunend betrachtete er denselben, endlich faßte er Muth und sagte: "Um Gottes willen, Ihre Majestät, was ist Ihnen?" Mit kaum hörbarer Stimme erzählte ihm der König, was in Petersburg vorgefallen sei, wie Rußland von der Alliance abgehe, wie Czernitschef Befehl habe, zurück zu marschiren etc., und schloß mit den Worten: "Wie muthlos wird diese unerwartete Begebenheit meine Armee machen? Wie werde ich einem vielleicht traurigen Schicksale ausweichen? Nein, dieser Schlag trifft mich zu hart 165-++."
<166>Nachdem der König sich wieder gesammelt und ermannt hatte, gab er dem Major Schwerin eine Instruction, und befahl ihm, nach dem Russischen Hauptquartier zu reiten, und alles anzuwenden, den General Czernitschef zu bewegen, daß er denselben Abend noch mit ihm zurück zum Könige komme.
Schwerin traf im Russischen Lager alles in Bewegung an, die Armee war ausgerückt, der neuen Herrscherin den Eid der Treue zu schwören. Nach Beendigung dieser Ceremonie gelang es Schwerin, wiewohl nicht ohne Mühe, die Bedenklichkeiten Czernitschef's zu besiegen, und ihn dem König zuzuführen.
Es war die Absicht des Königs gewesen, um sich der Festung Schweidnitz wieder bemächtigen zu können, die Oestreichische Armee unter Daun, welche ihn daran verhinderte, in diesen Tagen anzugreifen, aus ihrer Stellung zu vertreibben, und ihr die Communication mit dieser Festung abzuschneiden. Hierbei hatte er auf die Mitwirkung der Russischen Truppen gerechnet, wo dann das Gelingen der Unternehmung gar nicht zweifelhaft gewesen wäre. Da diese Mitwirkung jetzt nicht stattfinden konnte, so wünschte er bloß, daß der General Czernitschef seinen Rückmarsch um einige Tage aufschieben, und, während des Angriffs des Königs auf die Oestreicher, in seiner Stellung bleiben möchte, damit diese, welche von dem Vorgefallenen noch nichts wußten, von dieser Seite in Schach gehalten würden. Den General Czernitschef hierzu zu bewegen, war der Zweck, weshalb er ihn zu sich rufen lassen. Der Beredsamkeit des Königs gelang es auch, den General dahin zu bringen, auf die Gefahr seinen Kopf zu verlieren, in des Königs Verlangen zu willigen, und seinen Rückmarsch um drei Tage zu verschieben.
<167>17. Juli 1762
An demselben Tage, da dies alles geschah, schrieb der König aus seinem Lager bei Seitendorf an von Catt :
"Ach! mein Lieber, so eben bekomme ich eine Nachricht, die mich zu Boden schlägt und die Sie in Breslau, leider nur zu bald, erfahren werden. Ich bin so bestürzt und bekümmert, daß ich nicht weiß wohin ich mich wenden soll. Für mich giebt es nur Schimmerblicke von Hoffnung, aber wesentliches Unglück drückt mich zu Boden. Die schönen Prophezeihungen sind nun alle zu Schanden geworden 167-+, und Gott weiß, was für ein Schicksal mich noch erwartet. Leben Sie wohl, mein Lieber. Mein Herz ist so voll Kummer, daß ich Ihnen unmöglich mehr sagen kann."
Unter das Couvert dieses Briefes hatte der König noch einen Zettel gelegt, welcher die Worte enthielt: "Mein lieber Peter III vom Thron gestürzt, todt! Ist irgend ein Schicksal dem meinigen gleich 167-++!"
19. Juli 1762
Der König verlegt sein Hauptquartier nach Bögendorf.
20. Juli 1762
Der König manövrirt, um die Oestreicher von Schweidnitz abzudrängen und sich dieser Festung mehr zu nähern, wobei Schloß und Dorf Burkersdorf genommen werden.
21. Juli 1762
Der König begiebt sich schon vor Anbruch des Tages zu ber Möllendorfschen Brigade und trifft Anstalten, die vom<168> Feinde besetzten und stark verschanzten Höhen bei Burkersdorf und Leutmannsdorf anzugreifen. Nach tapferer Gegenwehr werden sie durch die Generale von Möllendorf und von Wied erstürmt, wodurch sich Daun genöthigt sieht, in der folgenden Nacht seine vortheilhafte Stellung zu verlassen und sich nach Giersdorf, wo er sein Hauptquartier nahm, zurückzuziehen.
21. Juli 1762
Der König an d'Argens :
"Unsere Umstände, lieber Marquis, fingen an, eine ziemlich gute Wendung zu nehmen, und nun werde ich plötzlich durch einen von den politischen Vorfällen gestört, die man weder voraussehen, noch verhindern kann. Das Uebrige werden Sie erfahren. — Der Friede mit Rußland hat Bestand, aber die Alliance geht in den Wind. Die Truppen marschieren alle nach Rußland zurück, und nun bin ich wieder auf mich allein eingeschränkt. Indeß haben wir noch zwei Oestreichische Detachements geklopft, man muß nun sehen ob uns das zu etwas Bedeutendem führen wird. Ich zweifle daran, und so wäre ich denn wieder in einer gezwungenen, beschwerlichen und kritischen Lage. Ich bin der Kreisel des Glücks; es spottet meiner.
Wir haben heut tausend Gefangene gemacht und 14 Kanonen erobert, aber dadurch wird nichts entschieden, und Alles, was nichts entscheidet, vermehrt meine Verlegenheit. Daß in Berlin und anderswo Vieles verkehrt geht, glaube ich gern; aber was kann ich dazu sagen? Das Schicksal, das Alles lenkt, ist stärker, als ich, ich muß ihm nachgeben. Ich habe Kummer im Herzen, meine Verlegenheit ist unbeschreiblich. Allein was soll ich thun? Geduld haben.
Schreibe ich Ihnen heut einen albernen Brief, so halten Sie Sich an die Politik, ich bin ihrer so müde, daß ich glaube, ich entsagte der ganzen Welt, wenn ich einmal diesen leidigen Krieg endigen könnte. Leben Sie wohl. etc."
22. Juli 1762
Fast zu gleicher Zeit brach der General Czernitschef mit<169> seinem Corps auf und ging in zwei Colonnen über Freiburg und Zirlau nach den Höhen von Jerichau, den folgenden Tag aber weiter nach Polen zurück. (Tempelhof VI. 111).
26. Juli 1762
Der König verlegt sein Hauptquartier von Bögendorf nach Dittmannsdorf.
?? Juli 1762
Der König an d'Argens :
"Ihre Besorgnisse, mein lieber Marquis, sind ungegründet. Wir haben von den Russen nichts zu fürchten; alle Truppen gehen nach Moskau zurück. Ich habe diese Revolution befürchtet 169-+ und dem Kaiser sogar gerathen, seine Maßregeln zu nehmen, allein seine Sorglosigkeit war zu groß. Er ward verdrießlich, wenn man ihm etwas von Vorsicht sagte. Ich habe den Brief noch, in welchem er mir über den Rath antwortet, den ich ihm gegeben hatte. Sein Unglück kommt daher, daß er der Geistlichkeit gewisse Güter nehmen wollte. Die Priester leiteten die Revolution ein, die gleich nachher ausgeführt ward. Dieser Fürst hatte alle Eigenschaften des Herzens, die man nur wünschen kann, allein nicht eben so viel Klugheit, und von der hat man sehr viel nöthig, um jene Nation zu regieren. Heute wird mir gemeldet, daß er an der Kolik gestorben ist.
Wegen Berlin, mein lieber Marquis, können Sie gänzlich ruhig sein, nicht aber unsertwegen; denn wir haben eine eben so schwere, als gefährliche Arbeit vor uns. Aber bei dem Allen muß man sich durcharbeiten. Erbitten Sie mir den Beistand Fortunens, Alles geschieht durch ihre Hülfe, Nichts ohne sie.
In Dem, was Sie von der Eitelkeit menschlicher Dinge sagen und von der Bosheit der Menschen, bin ich ganz Ihrer Meinung. Das ist ja immer meine Rede gewesen, daher<170> mein Ekel vor der Welt und mein Verlangen, diesen Unglücklichen Krieg zu endigen, um irgendwo mein Leben in Frieden beschließen zu können. Sie sehen, wie unbeständig die Entwürfe der Menschen sind.
Die Revolution in Rußland fiel Ihnen stärker auf, als andere Ereignisse, von denen ich Zeuge war, aber glauben Sie mir, ich habe während dieser sieben Feldzüge weiter nichts gesehen, als zerstörte Hoffnungen, unerwartete Unglücksfälle, kurz, Alles, was aus dem wunderlichen Spiel und dem Eigensinne des Zufalls kommen kann. In einem Alter von fünfzig Jahren und bei solchen Erfahrungen, lieber Marquis, hat man Recht, wenn man nicht mehr der Ball des Glücks sein will, und wenn man dem Ehrgeize, allen Thorheiten, die einen Jüngling ohne Erfahrung nur zu sehr täuschen, und den Vorurtheilen entsagt, welche von der großen Welt genährt und immer fortgepflanzt werden. Leben Sie wohl. etc."
B.
5. Juli 1762
Der Aufstand der Oestreichischen Kriegsgefangenen in Küstrin wird besonders durch das kluge Benehmen eines Preußischen Lieutenants, Namens Thiele, vereitelt. (J. C. Seyffert's Annalen der Stadt und Festung Küstrin. 1801. S. 115 bis 117).
5. Juli 1762
Wird in Königsberg in Preußen der zwischen Rußland u. Preußen geschlossene Friede mit vieler Feierlichkeit bekannt gemacht.
6. Juli 1762
Gefecht bei Reichenau. General Wied gegen Brentano. (S. oben).
8. Juli 1762
Auf Befehl des Kaisers macht der in Königsberg commandirende Russische General-Lieutenant Forodor von Woyekow mittelst Proklamation öffentlich bekannt : daß Se. Maj. der König in Preußen seit dem letztverwichenen 22. Juni/6. Juli in völligen Besitz dieses Königreiches Preußen zurückgetreten sind, und nun alle Einfassen desselben von ihrem Huldigungseide und andern<171> Pflichten, womit sie Ihro Kaiserl. Majestät verbunden gewesen, hierdurch völlig losgezählt werden.
9. Juli 1762
General Wied etc. bricht auf Befehl des Königs in Böhmen ein, um Daun zu veranlassen, Schlesien zu verlassen.
9. Juli 1762
In Petersburg erfolgt am 28. Juni/9. Juli eine Revolution, in deren Folge der Russische Kaiser abdankt, und seine Gemalin Katharina (II) die Regierung übernimmt.
15. Juli 1762
Der Russische (oben erwähnte) General-Lieutenant von Woyekow macht in Königsberg am 5./16. Juli auf (angeblichen) Befehl der Kaiserin Katharina II mittelst Proklamation bekannt, daß, nachdem selbige den Thron bestiegen, alle Einsassen dieses Königreichs Preußen, bei Vermeidung der höchsten Ahndung, sich wieder in die Treue und denjenigen Gehorsam zu begeben haben, welchen sie vor der letzten vorgefallenen Veränderung dem Russisch-Kaiserlichen Reiche zu leisten schuldig gewesen, und jetzt Ihrer Kaiserl. Maj. Katharina II in allen Stükken zu leisten verbunden sind. etc.
Hierauf bemächtigten sich die Russischen Commissarien wieder der Einkünfte des Landes und trafen verschiedene Verfügungen, das Land wie vorher, als dem Russischen Scepter unterworfen, zu behandeln.
17. Juli 1762
Der Kaiser Peter III stirbt 6./17. Juli).
21. Juli 1762
Gefecht bei Leutmannsdorf etc. (S. oben).
22. Juli 1762
Dem Preußischen Gesandten in Petersburg Freiherrn von der Golz wird am 11./22. Juli folgende Erklärung übergeben :
"Daß Ihro Kaiserl. Majestät fest und unveränderlich entschlossen wären, mit allen Höfen und also auch mit des Königs in Preußen Majestät in Frieden und gutem Vernehmen zu leben, wie solches schon der General Czernitschef, da er Befehl erhalten, mit seinen unterhabenden Volkern nach Rußland zurück zu kommen, in Höchst Dero Namen erklärt habe. Da man aber zu Petersburg die unvermuthete Nachricht erhalten,<172> daß die Generalität, weil sie von dem wahren Zustande der Sachen nicht genugsam unterrichtet gewesen, in Preußen einige Verfügungen gemacht, nach welchen es das Ansehn habe, als ob die friedfertigen Gesinnungen Ihro Kaiserl. Maj. einigen Abfall gelitten hätten, so habe das Russisch-Kaiserl. Ministerium dem König!. Preußischen Minister erklären sollen: daß Ihro Maj. die Kaiserin den Frieden kräftig beobachten wolle und werde, und deshalb an die Generalität die Befehle ergehen lassen würde, Alles wieder auf den vorigen Fuß zu setzen." (Siehe unter dem Monat August B).
22. Juli 1762
Das Russische Armeecorps trennt sich von der Preuß. Armee und tritt den Rückmarsch durch Polen nach Rußland an.
24. Juli 1762
Gefecht bei Lutterberg. Der Herzog von Braunschweig überfällt das Corps des Prinzen Xaver, schlägt es und nimmt ihm 13 Kanonen, 5 Fahnen, 3 Standarten und 1200 Gef. ab.
August.
A.
3. August 1762
Der König in Dittmannsdorf schreibt das scherzhafte Gedicht an d'Alembert, als er über das eitle Vergnügen der Dichtkunst unwillig war. (H. W. VII. 154).
In Dittmannsdorf schrieb der König (im August) auch noch folgende Gedichte: Verse im Namen eines Schweizers (Catt) an ein gewisses Fräulein Ulrike (Catts nachherige Gattin), in das er verliebt war; Ein anderer Brief für den verliebten Schweizer; Der Schweizer an das Schreibpult der Fräulein Ulrike. (H. W. VI. S. 159. 162. 165).
10. August 1762
Der König verlegt sein Hauptquartier von Dittmannsdorf nach Peterswalde.
?? August 1762
Der König an d'Argens:
"Ihr Brief (vom 9ten), mein lieber Marquis, fand mich in Kindesnöthen; ich soll von Schweidnitz entbunden werden. Auf allen Seiten muß ich es vor Daun decken, der ein Dutzend seiner Untergeordneten umher schleichen läßt, um meine Unter<173>nehmung zu vereiteln. Dies nöthigt mich, unaufhörlich aufmerksam auf die Bewegungen des Feindes und auf die Nachrichten zu sein, die ich mir zu verschaffen suche. Sie können hieraus schließen, daß mein armer Kopf jetzt eben nicht dichterisch ist. Der Vers, den Sie tadeln 173-+, soll gewiß verbessert werden, es ist eine Kleinigkeit, aber ich bitte um Aufschub bis zu Ende der Belagerung, die übrigens bis jetzt recht gut von Statten geht.
Ich betheure Ihnen, daß ich nicht eitel bin, und ich schreibe von dem Glück in meinen Unternehmungen soviel auf die Rechnung des Zufalls und der Truppen, daß ich nicht schlechterdings darauf bestehe, Postillone abschicken zu wollen, indeß, wenn Sie dergleichen zu Ihrem Vergnügen verlangen, so werden sie ge wiß bei Ihnen ankommen. Die Zeitungsschreiber haben Ihnen ihrer löblichen Gewohnheit nach wieder etwas vorgelogen 173-++. Jene Nachricht ist auf Veranlassung des Warschauer Hofes in die öffentlichen Blätter gesetzt worden, um die Nation wegen des Marsches des Tatarchans, der an ihrer Grenze streift, zu beruhigen.
Diesmal werde ich Ihnen vom Pontus und dem orientalischen Reiche Nichts sagen. Ich bin es so müde, das Zukünfttige zu verkündigen, daß ich Ihnen Nichts, als Thatsachen schreiben will; haben Sie also noch ein wenig Geduld. Jetzt schränke ich meine ganze Auftmerksamkeit auf die Operation ein, die ich unternommen habe.
Glauben Sie mir, ein junger Mensch hätte dabei genug zu thun; was für ein Leben nun für einen armen alten Mann, der abgenutzt und verfallen ist, wie ich, dessen Gedächtniß ab<174>nimmt, und der seine Sinne und seine Geisteskräfte dahinschwinden steht!
Alles in unserm Leben hat seine Zeit. In meinem Alter, lieber Marquis, sind Bücher, Umgang, ein guter Lehnstuhl und eine warme Stube Alles, was mir übrig bleibt; und wenige Augenblicke nachher kommt dann das Grab. Leben Sie wohl. etc."
13. August 1762
An Ebendenselben :
"Des Guten und der Uebel bunt Gemisch,
Womit der Himmel unsrer Jahre Lauf
Bestreut, zerrüttet stets durch Ebb' und Fluth
Der Menschheit leicht zertrümmertes Geschick,
Die Zukunft ist verhüllt, den Göttern nur
Bekannt. Wenn sie der Mensch durchdringen will,
So täuscht er sich; sein Streben ist umsonst,
Sein Rechnen falsch, verschwendet seine Kraft;
Eh' er es glaubt, zerschmettert ihn ein Schlag.
Marquis, ach! Alles auf der Erdenwelt
Ist stets nur Unbestand und Nichtigkeit,
Wenn uns ein Unglück plötzlich traf — sogleich
Wird durch uns selbst die Last noch drückender;
Verzweifeln läßt es uns, ist äußerst groß,
Erträglich kaum. Allein wir denken bald
Ganz anders, bieten ihm am Ende Trotz.
Was nähren wir der Sorgen Schaar in uns
So stark? — wir wohnen in des Wechsels Reich,
Umringt von Uebel, das uns Leiden schafft,
In jeder harten Prüfung unsers Muths
Laß so uns denken, wie der Weis' es thut!
Des Unglücks Last bedrückt uns heute schwer;
Doch morgen schon, Marquis begünstigt uns
Das flatterhafte Glück, wir lachen dann.
So laß uns denn nicht länger mürrisch sein,
Nicht klagen über Mißgeschick, das ja
<175>Nicht ewig währt. Der Weise fürchtet nicht
Zu viel, doch hofft er noch viel weniger.
Das ist Alles, was ich sagen kann. — etc. Wir haben so lange Widerwärtigkeiten erlisten, daß das Publikum bei Unglück, das die Furcht vorhersah, nun mehr leichtgläubig geworden ist; doch es ereignet sich weder alles Böse, das man fürchtet, noch alles Gute, das man hofft. etc. Um Sie wieder zu stärken, sage ich Ihnen, daß meine Unternehmung auf Schweidnitz bisher ganz vortrefflich von Statten geht, wir brauchen noch eilf glückliche Tage, so wird die Prüfung überstanden sein. etc. Leben Sie wohl, lieber Marquis, ich bin abgemattet; mein Alter macht mir die Arbeit beschwerlicher, als vor Zeiten. Noch einmal — schreiben Sie mir und zweifeln Sie nicht an meiner Freundschaft."
14. August 1762
War der König bei dem Corps des Herzogs von Bevern, das sich ihm genähert hatte.
16. August 1762
Der König unterstützt von Peterswalde aus den Herzog von Bevern bei seinem Gefecht bei Reichenbach mit dem Oestrei— chischen General Beck, durch Absendung von Kavallerie und Infanterie.
17. August 1762
Der König an d'Argens: "Ich schicke heut einen Kourier mit Postillonen ab, da Sie doch einmal Ihre Lust an Postillonen haben. Schweidnitz ist noch nicht über, allein 30000 Mann, die es entsetzen wollten, sind geschlagen. Die öffentlichen Blätter werden Ihnen die nähern Umstände sagen. Daun griff gestern, Nachmittags um 5 Uhr, den Prinzen von Beyern an, und um 7 Uhr war jener schon geschlagen, etc."
19. August 1762
Der König an Ebendenselben (aus Jägerndorf) Verse, worin er ihm über die Postillon etc. sagt :
"Es war nun freilich wohl nicht werth,
Daß man mit einem solchen Pomp
Dem Volk es angekündigt hat. etc.
- - Die Politik
<176>Mit stolzer Seele sagt indeß :
Man muß mit eitler Hoffnung wohl
Das blinde Volk ersättigen,
Da es nur für den Irrthum lebt.
So leitet ** es in *
Von Rußland bis nach Kanada;
Wer es betrügt, der lenkt es auch.
Doch dieses Evangelium
War nicht für mich. So täusche denn
Ein feiner, niedrer Bösewicht
Die Offenheit und das Vertrau'n
Des Volks, das Tand und Leichtsinn liebt,
Durch falschen Wahn; ich will es nicht. etc.
Meine Verse sagen Ihnen, was ich von den Postillonen denke, die Sie in Berlin haben ankommen sehen. Es ist recht, daß man sich ein wenig freuet, wenn man einem großen Unglück entgangen ist; indeß, lieber Marquis, ist es von diesem Punkte bis zu völligem Glücke noch weit, und — um ganz offenherzig gegen Sie zu sein — ich glaube, wir werden noch eine Krisis haben, ehe wir Schweidnitz wieder erobern. Aus dem Allen wird das herauskommen, was dem Ungefähr, dem Schicksal oder der Vorsehung beliebt; denn gewiß haben alle drei oder eins von ihnen mehr Antheil an den Begebenheiten in der Welt, als die Klugheit der Menschen. Ich überlasse es Ihnen, einige kleine philosophische Betrachtungen über diesen unerforschlichen Gegenstand anzustellen. Wenn Sie irgend eine glückliche Entdeckung machen, so wird es mir sehr angenehm sein, sie von Ihnen mitgetheilt zu bekommen. Bis dahin, lieber Marquis, bitte ich Sie aber, mich nicht zu vergessen."
23. August 1762
Der König an Ebendenselben (aus Peterswalde):
"Wir sind glücklicher gewesen, mein lieber Marquis, als wir hoffen durften. Es war der Marschall von Daun an der Spitze von 55 Bataillonen und 113 Eskadronen, den wir geschlagen haben. Er hat sich den Morgen darauf nach War<177>tha, und den folgenden Tag nach Scharfeneck bei Braunau zurückgezogen. Der Commandant von Schweidnitz hat capituliren wollen, was ihm aber abgeschlagen worden, er müßte sich denn kriegsgefangen übergeben. Eine Besatzung von 10000 Mann ist keine Kleinigkeit; nehmen wir sie nicht in der Stadt, so wird es noch weit weniger nach ihrer Rückkunft zur Armee, und in einem Lager auf den unzugänglichen Bergen geschehen. Haben Sie nur noch acht Tage Geduld, und wir werden auch diese Arbeit hinter uns, Schweidnitz genommen, die Besatzung zu Gefangenen gemacht und die Postillone ins Zeug gesetzt haben. Sie sprechen von Frieden zwischen Frankreich und England; ich glaube nicht, daß man so weit damit ist, wie die Zeitungsschreiber es haben wollen, so wie ich der Meinung bin, daß alles, was unter diesen beiden Mächten vorgehen wird, Ihnen und unsern guten Berlinern ziemlich gleichgültig sein kann. Der allgemeine Friede, dessen Sie erwähnen, der ist sehr zu wünschen; es muß aber ein guter, vorteilhafter und solider Friede sein. Ich weiß nicht, was ich Ihnen darüber sagen soll; gewiß hat ihn ganz Europa nöthig, nur stößt man überall, wenn man mit Teufelszeug von Weibern zu thun hat, weit mehr auf Eigensinn, Grillen, Widerspenstigkeit, als auf Vernunftgründe. Unterdessen kritzle ich fort, und fange an zu glauben, daß ich doch wohl noch vor dem Frieden unter der Erde sein könnte.
Ein armer Weber aus der Nachbarschaft, der so toll ist, sich für inspirirt zu halten, prophezeiht uns noch sechs Jahre Krieg.
Ihr Alter nimmt ja ganz sonderbar zu, lieber Marquis; verwichenes Jahr zu Leipzig, besinne ich mich, waren Sie 55 Jahr, wie wären Sie denn heut schon zu 60 gekommen? Ich verspreche Ihnen Postillone von aller Art bei der Einnahme von Schweidnitz, doch schmeicheln Sie Sich darum nicht, daß auch der Friede darauf folgen wird; dazu hat es noch keinen Anschein. Lassen wir das Ding walten, das die<178> Welt regiert, verrichten indes unser Tagewerk, und warten ab, es kann doch weder mehr noch weniger kommen, als kommen muß. Große Gefahr laufen wir hier nicht mehr, und unsere Belagerung wird man uns Wohl ruhig zu Ende bringen lassen. Gott gebe es! und wenn ich den Frieden erleben sollte, so geb' er auch dies, daß ich den Trost habe, Sie wieder zu sehen. Leben Sie wohl, lieber Marquis."
B.
1. August 1762
Die Generale von Kleist und von Seidlitz brechen in Böhmen ein.
2. August 1762
Der Angriff des Preußischen Generals von Seidlitz auf den Fürsten Löwenstein bei Töplitz mißlingt. Ersterer verliert 600 Mann und 2 Kanonen.
4. August 1762
Die Preußen schließen die Festung Schweidnitz ein.
6. August 1762
Das in Pommern stehende Russische Armeecorps tritt den Rückmarsch an. Der Russische Gouverneur in Königsberg in Preußen, von Woyekow, macht bekannt (26. Juli/6. August) daß, nach der ihm durch den commandirenden General-Feldmarschall Grafen von Soltikof gewordenen fernern Anzeige, Ihro Maj. die Kaiserin Katharina II in der Absicht, den mit Sr. Maj. Dem Könige in Preußen schon zuvor geschlossenen Frieden unverbrüchlich zu halten, anzubefehlen geruhet, die den Einwohnern dieses Landes, mittelst abgedachten Manifestes vom 5./16. Juli abermals auferlegte Verpflichtung völlig zu heben, und dieses Königreich zur freien Disposition Sr. Maj. dem König in Preußen zu übergeben. etc.
7. August 1762
8. August 1762
In der Nacht vom 7ten bis 8ten eröffnen die Preußen die Laufgräben vor Scheidnitz. General Tauenzien commandirt die Belagerung.
8. August 1762
Die Russischen Truppen verlassen das Lager bei Colberg und treten den Rückmarsch nach Polen an.
<179>10. August 1762
Die Preußen unter dem Oberst von Langenau rücken in Colberg ein, welches die Russen an demselben Tage geräumt hatten.
16. August 1762
Treffen bei Reichenbach. Der Herzog von Bevern schlägt die Angriffe der Oestreicher, welche unter General Beck zum Entsatz der Festung Schweidnitz vordringen, zurück.
22. August 1762
Der General-Feldmarschall Friede. Leop. Graf von Geßler stirbt zu Brieg, 70 Jahr alt. (S. 1. Abth. S. 116).
25. August 1762
Gefecht bei Grüningen. Der Erbprinz von Braunschweig greift die Franzosen unter Conde ohne Erfolg an und geht zurück.
27. August 1762
Stirbt der Minister Gottfried Heinrich Reichsgraf von Schmettau.
30. August 1762
Treffen bei Johannesberg. Der Erbprinz von Braunschweig gegen Conds und die zu seiner Verstärkung angekommenen Marschälle d'Etrées und Soubise. Ersterer muß der Uebermacht weichen und wieder in sein voriges Lager hinter die Wetter bei Wolfersheim zurückgehen. Der Verlust der Alliieren an Todten, Verwundeten und Gefangenen betrug ungefähr 15W Mann, auch verloren sie IN Kanonen. Unter den Verwundeten war der Erbprinz selbst.
September.
A.
September 1762
Der König in Peterswalde bis den 23sten. Während dieser Zeit schrieb er hier auch das kleine Gedickt: "Im Namen eines Schweizers." (H. W. VII. 167).
6. September 1762
Der König an d'Argens :
"Sie sind ohne Widerrede der artigste von allen Marquis, da Sie mir so schöne, so hübsch vergoldete Bücher schicken 179-+.<180> Es fehlt nichts daran, mein Lieber, als der Inhalt, der geringfügig und des Einbindens nicht werth ist. Indeß danke ich Ihnen doch für Ihr gütiges Andenken an mich. Ich wünsche dem Buchhändler Glück, daß er Gelegenheit findet, seine Auflage in Rußland abzusetzen; wahrscheinlich werde ich nur in diesem Lande für einen guten Französischen Dichter gelten können. Vielleicht glaubten Sie, mir meine Belohnung für die Belagerung von Schweidnitz zu schicken, aber da haben Sie Sich geirrt, mein Lieber. Ich bin im Erobern der Festungen eben so ungeschickt, als im Versemachen. Ein gewisser Griboval, der kein Dummkopf ist, und zehntausend Oestreicher haben uns bis jetzt aufgehalten, etc. — etc. Ich bestelle die Postillone, die ich mir schmeichele, Ihnen bald schicken zu können, um Ihnen den glücklichen Vorfall zu verkündigen, den ich von heute an fast für zuverlässig halte. Dann werden neue Verlegenheiten kämmen; aber daran wollen wir jetzt nicht denken, und, ohne uns sehr über das Zukünftige zu beunruhigen, die Schwierigkeiten heben, je nachdem sie uns aufstoßen. Das ist Philosophisch, mein lieber Marquis. Sie sehen, was für Fortschritte ich mache; allein gewiß würde jeder Andere eben so gut, wie ich, ein zweiter Mark Aurel geworden sein, wenn er sieben Feldzüge hindurch dem Zufalle zum Balle und den überwiegenden Mächten zum Spott gedient hätte. So ist man Philosoph, weil man muß; allein es ist immer gut, daß man es ist; die Art, wie man es wird, thut nichts zur Sache. Leben Sie wohl, mein lieber, gottlicher Marquis. Sein Sie ruhig und erwarten Sie gelassen, was jenes, ich weiß selbst nicht Was, das über die Entwürfe der Menschen spottet und Alles auf eine unerwartete Art anordnet, über uns bestimmt hat. Mein Compliment an die gute Babet."
23. September 1762
Der König nimmt sein Hauptquartier in Bögendorf, um der Belagerung von Schweidnitz näher zu sein, und, da die Erooberung der Festung sich so lange verzögert, die Operation<181> selbst zu leiten. Bei ihm befand sich auch der Prinz von Preußen. Er besichtigte gleich nach seiner Ankunft die Laufgräben und die Parallelen vor Schweidnitz.
24. September 1762
Der König recognoscirt die Festung, wobei dem ihn begleitenden Pagen Joh. Ernst von Pirch 2) das Pferd unter dem Leibe todt geschossen wurde. Er fiel mit den Rippen auf das Gefäß seines Degens, so daß es sich ganz krumm bog; Mit den Geberden des größten Schmerzes wollte er zurückeilen; der König mochte vielleicht glauben, dies geschehe aus Furcht, daher er ihn, befahl, erst den Sattel abzuschnallen und mitzunehmen, was der Page auch that.
26. September 1762
Der König an d'Argens:
"In der That muß ich mich bei Ihnen sehr entschuldigen, lieber Marquis, daß ich Ihnen das Ende unserer Belagerung so zuversichtlich auf den 12ten dieses Monats ankündigte. Wir sind noch dabei; die Minen haben uns sehr aufgehalten. Jetzt haben wir den bedeckten Weg, und da nun das größte Hinderniß gehoben ist, so wird, wie ich mir schmeichle, das Uebrige geschwinder gehen. Wir müssen sechs Wochen anwenden, um eine Festung wieder zu erobern, die wir in zwei Stunden verloren haben! Dies macht unsrer Geschicklichkeit oder unserm Muthe eben keine Ehre. Ich bin selbst hierher gegangen, um so viel als möglich unsre Arbeiten vorwärts zu bringen, und das Werk zu beschleunigen. Künftig will ich nicht mehr Prophet sein oder Ihnen den Tag der Uebergabe bestimmen; allein ich glaube, daß es sich wohl noch einige Tage damit hinziehen kann. Griboval's Genie vertheidigt den Ort mehr, als die Tapferkeit der Oestreicher. Täglich macht er uns neue Chicanen von allen Arten. Kurz, mein Lieber, ich muß hier den Ingenieur und Minirer spielen. Am Ende müssen wir unsern Zweck wohl erreichen. Jetzt machen wir eine Mine, um die Enveloppe zu sprengen. Ich erwarte ihre Wirkung. Nachher wollen wir auf das Fort, das wir angreifen, Sturm laufen, und wahrscheinlich wird<182> dies den Commandanten nöthigen, zu capituliren. Sind wir damit in Ordnung, so giebt es noch viel zu thun, ehe wir zum Frieden kommen. Doch jetzt nichts mehr davon, wir wollen die Schwierigkeiten nach und nach heben, überlegen, was heut zu thun ist, und morgen daran denken, was für Maßregeln die verschiedenen Conjunkturen von uns fodern. Nun wissen Sie, lieber Marquis, wie es jetzt mit uns steht. Ertragen Sie unsere Ungeschicklichkeit und Ignoranz mit Geduld. Ihre Ernte wird desto besser und reicher sein, und was sich lange erwarten läßt, ist angenehmer, als was man sogleich bekommt.
Das wäre alles Neue, was ich Ihnen sagen kann; denn meine Freundschaft gegen Sie ist schon sehr alt und auch sehr dauerhaft. Leben Sie wohl."
27. September 1762
Der König an Ebendenselben :
"Gern möchte ich Ihnen sagen, mein lieber Marquis : Schweidnitz ist erobert; allein noch haben wir es nicht. Vier Wochen sind wir durch Minen chicanirt und aufgehalten worden. Jetzt stehen wir bei den Pallisaden. Gestern ließ der Feind eine Mine springen, die einen von unsern Posten zerstörte; heute ist der ganze Tag dazu angewandt worden, ihn wieder herzustellen. Kurz, man muß Geduld haben, denn Griboval vertheidigt sich wie ein Mann von Ehre. Bringen Sie in Anschlag, mein Lieber, daß die Besatzung beim Anfang der Belagerung aus 11000 Mann bestand. Zastrow hatte nur 3000. Ganz ist er deswegen nicht ohne Schuld; indeß bleibt es doch ausgemacht, daß Drei fast nur der vierte Tbeil von eilf ist, und daß sich diese Leute besser vertheidigen können, als er.
Bei der Revolution in Rußland haben Sie die Kolik bekommen; der Grund liegt darin, daß Alles, was mich betrifft, lebhafte Eindrücke auf Sie macht. Indeß, wenn es angeht, so geben Sie mir durch Wohlbefinden Beweise von Ihrer Freundschaft, Trinken Sie den Brunnen in Sanssouci, so<183> wie Sie es Ihrer Gesundheit zuträglich glauben, und ich wünsche herzlich, daß er diese wiederherstellen mag. Ich für mein Theil bin an Unglück und Widerwärtigkeiten so sehr gewöhnt, und werde gegen alle Vorfälle in dieser Welt so gleichgültig, daß ich das jetzt fast gar nicht fühle, was sonst die tiefsten Eindrücke auf mich gemacht hätte. Wirklich bin ich, wie ich Sie versichern kann, lieber Marquis, in der Ausübung der Philosophie etwas weiter gekommen. Ich werde alt, nähere mich dem Ziele meiner Tage, und meine Seele reißt sich unvermerkt von diesem vergänglichen Erdenrunde los, das ich bald verlassen werde.
Meine Lage im verflossenen Winter, die Revolution in Rußland, die Treulosigkeit der Engländer — — was für Veranlassungen, vernünftig zu werden, wenn man darüber nachdenkt? und wer wollte sich wohl seine ganze Lebenszeit hindurch in dieser schlimmsten der möglichen Welten encanalljiren? Ich erwähne nur einige Ursachen meines Ekels vor ihr, aber während des Krieges sind mir so viele aufgestoßen, daß die Reizbarkeit meiner Seele erschöpft ist, und sich nun eine Hülle von Indifferenz und Unempfindlichkeit um sie gebildet hat, durch die ich beinahe ganz untauglich werde. Wir haben hier weder einen Neptun, noch einen Apoll zum Gegner, sondern einen Griboval mit 8000 Mann und Minirer, die uns sehr in der Geduld üben. Es giebt in Schweidnitz keine schöne Helena, aber uns fehlt auch ein Achill, aus dem ich mir mehr machen würde, als aus dem heiligen Nepomuk, dem heiligen Dionys und dem heiligen Nicolaus. etc.
Ich schreibe Ihnen gerade so, wie ich denke. Sie werden ein wenig Langeweile dabei haben, indeß glauben Sie, daß es Linderung ist, sein Herz auszuschütten, nehmen Sie ein wenig Rücksicht auf die Lage, in der ich mich befinde. Leben Sie wohl. etc."
In Bögendorf beschäftigte sich der König auch mit Fleu<184>ry'S Kirchengeschichte, aus welcher er Auszüge machte und eine Probe davon in Versen (den 30. September) an Catt sandte.
B.
7. September 1762
Der Feldmarschall Serbelloni nimmt seinen Abschied, und der General Haddick tritt an seine Stelle.
13. September 1762
Der Prinz Ferdinand, Bruder des Königs, wird zum Heermeister des Johanniter-Maltheserordens erwählt.
21. September 1762
Die Alliirten unter General Zastrow schlagen die Angriffe des Prinzen Xaver von Sachsen und des Generals Castris bei der Brückenschanze an der Ohm zurück und behaupten ihre Stellung. Dagegen nehmen die Feinde das Schloß Amöneburg.
22. September 1762
Cassel wird von den Alliirten noch enger eingeschlossen.
27. September 1762
General Kleist, der sich mit seinem Corps aus Böhmen wieder nach Sachsen zurückgezogen und bei Porschenstein eine Stellung genommen hatte, muß sich vor den Prinzen Löwenstein und Campitelli, deren Macht er nicht gewachsen ist, noch weiter nach Dorf Chemnitz etc. und dann nach Mulda, nach Freiberg zu, zurückziehen.
29. September 1762
Der Feind dringt immer weiter nach Freiberg und nach Frauenstein zu, wo der Prinz Heinrich sein Lager hatte, vor, und drängt die kleinen Preußischen Corps zurück.
Oktober.
A.
9. Oktober 1762
Der Konig geht — nachdem sich Schweidnitz an diesem Tage ergeben hatte — von Bögendorf nach Peterswalde.
14. Oktober 1762
Der König an d'Argens :
"Die so ausgeschriene Belagerung von Schweidnitz, worauf Aller Augen gerichtet waren, ist nun, wie Sie schon wissen, mein lieber Marquis, auch zu Ende. Tiefer Ausgang kommt uns sehr gelegen, weil er für diesen Feldzug in Schlesien<185> entscheidend ist. Und so sind wir genau wieder da, wo wir Anfangs 1761 waren. Gleichwohl denken Sie nicht, daß wir nun den Frieden in der Hand haben. Seinen, Abschluß steht noch so vieles im Wege, daß ich Sie hintergehen würde, wenn ich Ihnen damit schmeicheln wollte. Eben so ist der Friede zwischen Frankreich und England viel weiter noch hinaus, als es der saubere Herr Bute sich eingebildet, der die Schwierigkeiten dabei nur einsah, je nachdem er in der Unterhandlung fortschritt. Das Parlament ist im Begriff, sich zu versammeln, wo denn sehr zu vermuthen ist, daß sich dieser eingebildete und ungeschickte Minister nicht behaupten wird. Kurz, das politische System von Europa ist so verworren, wie jemals. Während dieses ganzen Krieges hat sich das Glück von einem zum andern gewandt, der Ausschlag schien bald hier-, bald dorthin zu sein, wodurch beide Schalen so gleich geworden, daß kein Theil den andern durch seine Überlegenheit zum Frieden zwingen kann, daher ich diesen nicht eher zu sehen glaube, als bis die Erschöpfung so weit gediehen, daß es Physisch unmöglich sein wird, den Krieg fortzusetzen.
Seit der Einnahme von Schweidnitz lebe ich ziemlich still, wir sind in keiner großen Unruhe mehr, und meine Lage ist, im Vergleich mit der vorjährigen, sehr angenehm. Sie haben wohl Ursach, über die Unwissenheit vieler unsrer Officiere und den wenigen Fleiß zu klagen, den sie auf die zu ihrem Metier nothwendigsten Studien verwenden. Ich erinnere mich noch recht gut der Zeit meines Vaters, wo das Studiren unterdrückt, und eine Art von Schimpf darauf gesetzt ward, was junge Leute davon abhielt und sie dahin brachte, die Erweiterung ihrer Kenntnisse und die Erlangung neuer Einsichten als etwas Sträfliches anzusehen. Ich fühle alle üblen Folgen davon, nur ist es nicht in meiner Gewalt, diesem Dinge auf einmal eine andere Richtung zu geben; der Geist der Nation muß einen neuen Eindruck bekommen. Sie wis<186>sen, daß ich mein Möglichstes gethan, die jungen Leute zum Studiren und zu einem soliden Fleiße zu ermuntern. Liederlichkeit, Geschmack an Kleinigkeiten und Trägheit sind die Hindernisse gewesen, die ich nicht aus dem Wege räumen können. Jetzt, da ich alt und hinfällig bin, was können Sie am Abend meines Lebens von mir erwarten? Was mir in jüngern Jahren nicht gelingen wollen, wird es mir jetzt um so weniger, da ich die Welt als einen Ort ansehe, den ich nächstens verlassen muß, und mich selbst als einen, der im letzten Akte des Stücks spielt, in dem ihm das Verhängniß auf dieser lächerlichen Bühne eine Rolle zugetheilt hat. Vielleicht habe ich noch Gelegenheit, Sie diesen Winter irgendwo zu sehen, ob ich gleich nicht weiß wo, noch wann. Lassen Sie mich doch wissen, ob Sie mir zu Liebe eine kleine Reise unternehmen können, die weder lang, noch gefährlich sein soll. Leben Sie wohl. etc."
19. Oktober 1762
Der König an die Gräfin Camas :
"Gern nähme ich tagtäglich eine Festung weg, mein liebes Mütterchen, damit ich recht oft von Ihren lieben Briefen zu lesen bekäme. Aber Schwachköpfe von Commandanten bringen mich zuweilen darum auf eine schimpfliche Weise; und wenn ich einmal Kaiser habe, die mir wohl wollen, so schafft man sie gleich auf die Seite. Denken Sie Sich also die saubere Lage, in der ich mich befinde.
Wenn unser Kaiser noch lebte, würden wir diesen Winter Frieden haben, und Sie könnten mit Sack und Pack nach Ihrem sandigen Berliner Paradiese zurückkehren. Allein das Publikum, welches sich immer gern schmeichelt, hat ohne Grund geglaubt, daß der Friede der Einnahme von Schweidnitz folgen würde. Auch Sie haben vielleicht das Nämliche geglaubt, allein ich versichere Sie, so viel ich davon begreifen kann, daß unsere Feinde bis jetzt noch nicht die geringste Lust haben, sich mit mir zu vertragen. Urtheilen Sie demnach, ob es wohl gerathen sein würde, nach Berlin zurückzukehren, auf die Gefahr, bei dem ersten Schreckschusse sich nach.Spandau zu flüchten.
<187>Sie erzählen mir von Ihrer lieben Finette, die nun auch dahin gegangen ist. Ach, mein Liebmütterchen, seit zehn Jahren beklage ich nicht mehr die Todten, aber wohl die Lebenden. Das Leben, welches wir führen, ist ein Hundeleben, und nicht eines einzigen Seufzers werth. Ich wünsche Ihnen viel Geduld, mein Gutmütterchen, und alle Wohlfahrt, welche so widerwärtige Zeitläufe nur immer zulassen mögen. Besonders wünsche ich, daß Sie Ihre gute Laune erhalten, den größten und reellsten Schatz, womit das Glück uns beschenken kann. Was mich betrifft, so wird meine alte Liebe und die Hochachtung, welche ich Ihnen gewidmet habe, sich niemals verläugnen. Ich weiß gewiß, daß Sie davon überzeugt sind. Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen."
22. Oktober 1762
Der König an d'Argens:
"In meines Lebens Blüthezeit gab mir
Ovid Beschäftigung; ich folgte wohl
Rinalden in Armidens Palast auch, .
Als dann zuerst mein Kinn beschattet ward,
Hatt' ich Geschmack an Sophokles, Horaz
Und Cicero. Noch reifer, forscht' ich nach
In Cäsar's Heldenpfad, in Leibnitz und
Gassendi, doch zumal in Epikur.
Jetzt, Freund, da schon der Zeit Verderberhand
Die Kraft mir raubt, das Haar mir bleicht und sagt :
Du wirst nun bald bei Deinen Ahnen sein,
Jetzt wählt' ich lasterhafte Priester mir 187-+
Zu meinem Spiel, ich habe Zeitvertreib
Bei jenen Buben in dem Bischofshut,
Die Ehrsucht bis zum Wahnsinn füllt, und bei
Der Tonsurirten Schwelgerei und Stolz.
Die spornt mich auf, da mich das Alter beugt. etc.
- etc. - Ich läugne nicht, daß es mir bei den jetzigen Umständen lieber wäre, einen guten und vortheilhaften Frieden zu machen, als ein episches Gedicht, und wenn das nicht angeht, lieber die Oestreicher tüchtig zu schlagen, als eine Ode wie Rousseau zu schreiben etc. Indeß wir müssen Geduld haben, die Mittelursachen wirken lassen; da wir bis zur ersten nicht zurückgehen können, und uns unter das Joch der Zufälle beugen, die wahrlich nicht im geringsten von unsrer Klugheit abhängen. Leben Sie wohl. etc."
30. Oktober 1762
Der König überträgt dem Herzog von Bevern den Oberbefehl über die Armee in Schlesien und geht nach Rohnstock.
31. Oktober 1762
Nach Jauer.
?? Oktober 1762
Gedicht : "Ueber die Eroberung von Schweidnitz" an d'Argens. (H. W. VII. 41).
B.
9. Oktober 1762
Die Oestreicher übergeben die Festung Schweidnitz. Sie wurde vertheidigt von dem Generalfeldzeugmeister Grafen von Guasco und dem Generalfeldmarschall und Chef der Ingenieurs von Griboval. Die Belagerung commandirte der Preuß. General von Tauenzien, und der Major le Fevre leitete als Ingenieur die Belagerungsarbeiten. Die Besatzung wurde kriegsgefangen, sie bestand außer dem Commandanten Grafen Guasco, 2 Generalen, 2 Obersten und 14 andern Stabsofficiercn, aus 218 Officieren und 8784 Mann.
14. Oktober 1762 bis 15. Oktober 1762
Gefecht bei Freiberg. Der Prinz von Stollberg verdrängt den Preuß. General von Syburg aus seiner Stellung, wobei dieser 30 Officiere und 15—1600 Mann einbüßt.
Prinz Heinrich zieht sich über Lösnitz und Klein-Waltersdorf, bei Freiberg vorbei, zurück, und nimmt sein Lager hinter Reichenbach und Klein-Voigtsberg im Amte Nossen.
16. Oktober 1762
Die Alliirten eröffnen die Laufgräben vor Cassel.
21. Oktober 1762 bis 22. Oktober 1762
Der Prinz Heinrich zieht sich noch weiter zurück und nimmt sein Lager bei Ober-Marbach und Etzdorf, wo er sich dem<189> Hülsenschen Corps nähert und die Verstärkung unter dem General Neuwied an sich zieht, während die Reichsarmee unter dem Prinzen von Stollberg das Lager bei Freiberg bezieht und es verschanzt.
28. Oktober 1762
Der Prinz Heinrich rückt wieder vor, um den Prinzen von Stollberg anzugreifen.
19. Oktober 1762
Schlacht bei Freiberg. Der Prinz Heinrich schlägt die Reichstruppen und Oestreicher unter dem Prinzen von Stollberg. Diese verloren 79 Officiere, 159 Unterofficiere und 4174 Gemeine an Gefangenen, 28 Kanonen und 9 Fahnen. Die Zahl ihrer Todten ist nicht bekannt. Der Preußische Verlust betrug ungefähr 1500 Mann. Die feindliche Armee war 49 Bataillone Infanterie und 68 Schwadronen Kavallerie stark; die Preußische nur 29 Bataillone Infanterie und 60 Schwadronen Kavallerie.
Nach dem Treffen (dem letzten in diesem siebenjährigen Kriege) nahm der Prinz Heinrich sein Lager wieder auf den Höhen von Freiberg, wo es schon vorher gestanden hatte.
November.
A.
1. November 1762
Der König in Löwenberg. Hier erhielt der König die Nachricht von dem Siege des Prinzen Heinrich bei Freiberg.
5. November 1762
In Lauban, von wo der König nach Meissen abreist.
6. November 1762
Ankunft des Königs in Meissen 189-+.
<190>7. November 1762
Der König in Torgau schreibt an d'Argens :
"Ich sehe wohl, mein lieber Marquis, daß Sie einen recht herzlichen Nntheil daran nehmen, wenn es uns gut geht. Was unsere militärischen Verrichtungen von diesem Jahre betrifft, so muß ich gestehen, wir haben uns nicht über Unglück zu beklagen. Ich wünsche, dasselbe in politischer Hinsicht sagen zu können. Die beiden Krücken, die mich in meinem Gang untestützen sollten, sind immerfort ungleich, daß ich bald nach dieser, bald nach jener Seite sinke. Wissen Sie ein Mittel, dem Uebel abzuhelfen, so erzeigen Sie mir durch Mittheilung desselben einen Gefallen. Morgen gehe ich nach Meissen. Ist es möglich, Dresden zu nehmen, ohne dabei viel aufs Spiel zu setzen, so nehmen wir es, geht dies aber nicht, so ziehen wir uns allmälig in die Winterquartiere und treffen Anstalten, näher nach Leipzig zu kommen, wo ich Sie, wie Sie mir versprochen, wieder zu sehen hoffe. Cassel ist über; das wäre herrlich, wenn ein gewisser Bube, der viel eher gerädert zu werden verdient, als Cartouche, nicht einen gewissen Posten auf einer gewissen Insel bekleidete. Unter gegenwärtigen Umständen aber ist Cassel bloß eine eroberte Stadt mehr, und weiter nichts.
Mein ganzes Verlangen, alle meine Wünsche gehen auf einen guten Frieden. Was dahin führt, mein lieber Marquis, erheitert mich; alle Nebenzweige kümmern mich nicht. Leben Sie wohl, mein Lieber, bleiben Sie gesund und sein Sie so lustig, als man es in unserm Alter sein darf, damit ich noch einige ruhige und harmlose Augenblicke mit Ihnen zubringen kann. Ich glaube, wir werden uns den 1. Dezember in Leipzig wieder sehen können; doch werde ich noch vorher schreiben, auch einen Jäger schicken, der Sie begleiten soll. Leben Sie wohl."
8. November 1762
Der König in Meissen.
9. November 1762
Von Meissen über Nossen in Freiberg, von wo der Prinz Heinrich mit dem General-Lieutenant von Seidlitz, dem<191> Grafen von Anhalt und dem Major von Kalkreuth dem König bis Ober-Gruna entgegen gegangen war.
10. November 1762
Der König besieht das Schlachtfeld bei Freiberg und kehrt nach Meisten zurück.
23. November 1762
Der König in Meisten, schreibt an d'Argens :
"Ich habe, Mein lieber Marquis, die Geschichte der heiligen Betrüger geendigt, und nach herabgsschlucktem Gifte des Fanatismus sogleich meine Zuflucht zum Gegengifte der Philosophie und der gesunden Kritik genommen, die ich in Ihrem Timäus 191-+ gefunden. Um Ihnen zu beweisten, daß ich nur das dazu nöthige Zeug angeschafft, so müssem Sie wissen, daß ich das Wort "Bara" verstehe und ganz artig auslege; es heißt nicht schaffen, sondern ein prächtiges Werk hervorbringen. Die Kraft, welche Pythagoras den Zahlen beilegt, hat mich gewundert, und an den Dialog über die Buchstaben im Lucian erinnert. Das Demüthigende bei der Sache ist, zu sehen, wie Ihr Griechischer Philosoph, der meines Erachtens ein Erzgrieche ist, im ganzen Ernst von den Wundern der Zahlen spricht, und daß der Witzkopf über die Sylben Spaß treibt. Mit großer Erbauung habe ich den Aufsatz über den heiligen Esel gelesen, der Jesum nach Jerusalem trug, so wie das, was Sie von der Unzuverlässigkeit der alten Schriften anführen, über den Esdra, über die Bücher Mosis, und über die Nothwendigkeit einer Zuflucht zu einem Glaubensrichter, um nicht irre zu gehen. Ich ward sehr überrascht, als ich mich im Timäus von Locris mit meinen Brüdern zusammenfand, und statte Ihnen im Namen der ganzen Sippschaft meinen aufrichtigsten Dank dafür ab. Man sieht wohl, daß Ihre zu große Vorliebe für mich Sie verführt hat, mehr Gutes von uns zu sagen, als ich sammt<192> meinen Brüdern verdiene. Auch bewundere ich die Geschicklichkeit, mit der Sie den Pater Chefmaquer, den bündigen Verfechter des Socianismus, einführen; ferner Ihren Ausfall auf Voltaire, indem Sie ihn immer mit seinen eigenen Waffen schlagen; mit Einem Worte die ganze Kunst, die Sie anwenden, um Ihre Citationen so geschickt anzubringen, als ob Sie selbst mit diesen häckeligen Materien nichts zu thun hätten, so daß Sie gleichsam nur der Referent in diesem Prozesse sind, und Sich immer hinter dem Vorhange halten, Wie geriethen Sie aber auf den Einfall, diesen Timäus von Locris zu wählen, der doch in der That ein obscurer und platter Patron ist? Ich vergleiche Sie mit einer Biene, die selbst aus Dornen und Disteln einen kostbaren Honig zu ziehen versteht. Im Ernst, Ihr Werk ist gut, mit aller möglichen Kunst und Klugheit ausgeführt und voll der trefflichsten Gelehrsamkeit. Auch die Vertheidigung des Kaisers Julian und die Art, wie Sie die heiligen Väter der Lügen und des frommen Betruges überführen, hat sehr meinen Beifall. Ich würde Ihnen das ganze Werk abschreiben müssen, wenn ich Ihnen von Allem, worin ich Ihnen beipflichte, Rechenschaft geben wollte. Bloß bei Einem Artikel sind Sie, meiner Meinung nach, nicht behutsam genug gewesen, bei dem von der Verkäuflichkeit der Gerichts, stellen in Frankreich. Sie sind da auf eine delicate Materie gekommen, indem Sie das Kapitel von Maitressen und König, lichen Beichtvätern berühren.
Die Vertheidigung des Königs von Portugal aber ist ganz vortrefflich, und ich denke über dieses philosophische Jahrhundert wie Sie, daß es wahrhaftig eben so nichtswürdig und barbarisch ist, als es die vorigen waren. Erbitterung, Rachgier, Ehrsucht und Fanatismus werden zu aller Zeit Quellen von Verbrechen und Missethaten sein. Die, welche sich diesen traurigen Leidenschaften überlassen, kehren in der Welt das Unterste zu oberst, während daß einige arme Phi<193>losophen was weise und gut ist in der Stille anzubauen suchen. So ist es immer gewesen, und, ohne ein Prophet zu sein, glaube ich, daß es nach uns nicht viel anders sein wird. Ich will Sie nicht länger damit aufhalten, da der Augenblick herannaht, wo ich das Vergnügen haben werde, Sie wiederzusehen.
Wir haben mit dem Feinde den Winter über eine Convention geschlossen, die uns einige ruhige Monate verschaffen wird. Den 5. Dezember treffen Sie mich in Leipzig. Ihre Abreise und Ihre Einrichtung unterwegs können Sie nach Ihrer Bequemlichkeit treffen. Mir ist es ein wahres Fest, und ich freue mich eben so sehr darauf, Sie wieder zu sehen, als Medor auf seine Angelika. Bringen Sie die gute Babet nur mit, und machen Sie es Sich so bequem, wie möglich, damit ich Ihre Unterhaltung recht nach Herzenslust genießen kann. Leben Sie wohl etc."
Um diese Zeit und wahrscheinlich erst nach dem Tage, an welchem der König den vorstehenden Brief geschrieben, kam der Sächsische Geheime Rath von Fritsch nach Meissen zum König und brachte Friedensvorschläge. (H. W. IV. 340 — 345).
B.
1. November 1762
Cassel ergiebt sich dem Prinzen Friedrich August von Braunschweig. Die Besatzung erhielt freien Abzug.
3. November 1762
Zwischen England und Frankreich werden die Friedenspräliminarien zu Fontainebleau geschlossen.
7. November 1762
Der Oberst-Wachtmeister von Prittwitz vom Zietenschen Husaren-Regiment erobert den feindlichen Posten bei Landsberg und macht 600 Gefangene. Dies war die letzte blutige Begebenheit dieses Krieges in Sachsen.
15. November 1762
Der Herzog Ferdinand von Braunschweig schließt mit den Französischen Marschällen, dem Herzog d'Etrées und Prinzen Soubise, einen Waffenstillstand.
<194>24. November 1762
Zwischen der Oestreichischen und Preußischen Armee in Sachsen wird zu Wilsdruf ein Waffenstillstand bis zum 1. März 1763 geschlossen. Desgleichen ward auch in Schlesien ans Befehl des Herzogs von Bevern und des Generals Laudon zu Neubielau durch dm Oberst d'Altan und den Major von Knobelsdorf ein Waffenstillstand auf 3 Monat geschlossen.
29. November 1762
Der Preuß. General-Major von Kleist rückt in Nürnberg ein. Er hatte schon vorher mehrere Städte in Franken in Contribution gesetzt, als : Bamberg, Windsheim, Rothenburg. In diesem Monat hatte der Preuß. Reichstagsgesandte, Freiherr von Plotho, zu Regensburg allen Reichstagsgesandten daselbst eine Erklärung abgegeben, daß die ins Deutsche Reich ausgesendeten Preußischen Völker gegen alle Stände, deren Länder sie berührten, so lange feindlich verfahren würden, bis sie ihre Truppen von dem Oestreichischen Heere zurückziehen und Sr. Maj. dem Könige wegen der bisher gegen Dieselben begangenen Feindseligkeiten völlige Genugthuung geben würden. etc. Worauf ein großer Theil der Reichsstände sich geneigt bezeigte, bei fortwährendem Kriege, nach Zurückberufung ihrer Völker, eine völlige Partheilosigkeit zu beobachten. etc.
Dezember.
A.
1. Dezember 1762
Der König bereist von Meissen aus die so eben von den Truppen bezogenen Winterquartiere und geht, in Begleitung des Generals von Seydlitz und des Grafen Anhalt, über die Katzenhäuser, Nossen und Chemnitz nach Zwickau, von da über Krimmitschau, Renneburg und Gera nach Jena.
3. Dezember 1762
Von Jena nach Weimar und von da über Stetten nach Groß-Rettbach, wo er Mittags ankommt und in des Schulmeisters Haus abtritt. Nachmittags um 2 Uhr trifft der König auf Schloß Friedenstein (Gotha) ein und speist mit dem General<195> von Seydlitz und Grafen Anhalt bei dem Herzog von Gotha (Friedrich III).
3. Dezember 1762
Marquis d'Argens reist von Berlin ab, um sich zum König nach Leipzig zu begeben.
3. Dezember 1762
Von Gotha reiste der König, nachdem er (wie unsre Handschrift : Kriegsgeschichte von Thüringen sagt) vorher "etwas auf der Flöte geblasen," früh um 7 Uhr über Warza und Langensalze nach Leipzig.
5. Dezember 1762
Der König in Leipzig, wo bald nach ihm auch der Marquis d'Argens anlangt.
9. Dezember 1762
Der König an d'Alembert in Pisa :
"Mit Vergnügen habe ich Ihren letzten Brief erhalten, allein das, was Sie mir über Ihre Gesundheit schreiben, thut mir leid.
Ich hoffe, die milde Luft, welche Sie einathmen, wird Sie gänzlich wieder herstellen. Das Klima, in welchem wir uns befinden, gleicht durchaus nicht dem Ihrigen. Allein wir sind nicht so zart. Die unaufhörlichen Anstrengungen Härten ab. Wenn ich indessen die Wahl hätte, so versichere ich, daß ich es vorziehen würde, der Zuschauer der Scenen zu sein, bei denen ich sehr gegen meinen Willen der Schauspieler bin. Ungestört in dem schönen Lande, welches Sie bewohnen, in dem Schooße des Friedens, welcher immer mein Wunsch war, freuen Sie Sich der Erholung, allein versammeln Sie ja nicht etwa unter jenen thriumphalischen Bäumen ein Concilium, um uns zu excommuniciren, beten Sie vielmehr dafür, daß man sich mit meinen Wünschen vereinige und dem Unglück ein Ende mache, welches die Menschheit seit so langer Zeit schon bedrängt.
Hiermit bitte ich Gott etc."
14. Dezember 1762
Der Prinz Heinrich, Bruder des Königs, trifft in Leipzig ein und nimmt seine Wohnung im Homannschen Hause in der Catharinenstraße.
15. Dezember 1762
Der Prinz Heinrich, Neffe des Königs, kommt in Leipzig an.
<196>15. Dezember 1762
Der Minister von Finkenstein kommt nach Leipzig zum König.
15. Dezember 1762
Der Lieutenant von der Golz, welchen der König zum Tatar-Chan nach Baktschiseray gesandt hatte, kommt von da in Leipzig beim König an 196-+.
26. Dezember 1762
Der Geh. Cabinetsrath (Legationsrath) von Herzberg reist von Berlin ab, um sich nach Leipzig zum Könige zu begeben.
Um diese Zeit langte auch der Sächsische Geheime Rath von Fritsch in Leipzig an und begab sich zum König.
Auch war der regierende Fürst von Anhalt-Dessau 8 Tage beim König in Leipzig.
B.
5. Dezember 1762
Der Preußische Gesandte beim Reichstag zu Regensburg erhält vom Könige Vollmacht, mit den Fürsten und Ständen des Deutschen Reichs, die bisher an dem Kriege Oestreichs gegen Preußen Theil genommen haben, und nun die Neutralität zu ergreifen geneigt sind, die desfallsigen Conventionen abzuschließen.
14. Dezember 1762 bis 27. Dezember 1762
Mehrere Reichskreise, Fürsten und Stände wenden sich an den Kaiser mit Vorstellungen und dem Ersuchen, den bisherigen Kriegsdrangsalen durch einen baldigen Frieden ein Ziel zu setzen. etc.
24. Dezember 1762
Der Herzog Ferdinand von Braunschweig, Preuß. Generalfeldmarschall, welcher mit Bewilligung des Königs gegen Ende des Jahres 1756 das Obercommando über die gegen die Franzosen operirende alliirte Armee, an der Stelle des Herzogs von Cumberland, übernommen hatte, legt nun, nach den zwischen England und Frankreich geschlossenen Friedenspräliminarien, das Commaudo nieder und begiebt sich nach Braunschweig.
<197>30. Dezember 1762
Erste Zusammenkunft der zu den Friedensunterhandlungen Bevollmächtigten 197-+ zu Hubertsburg. Es waren von Seiten Oestreichs : der Hofrath Heinrich Gabriel von Collenbach, von Preußen der Geh. Legationsrath Ewald Friedrich von Herzberg und von Sachsen der Geh. Rath Thomas Baron von Fritsch. (Sächs. Tagebuch).
Anmerkungen zum Jahre 1762.
Die Kaiserin von Rußland Elisabeth Petrowna, welche den 6. Dezember 1741 den Russischen Thron bestiegen, war eine Tochter Peter's des Großen und seiner zweiten Gemalin Catharina. Sie blieb unvermählt, dagegen hatte sich ihre Schwester mit dem Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp 1725 vermählt, aus welcher Ehe Karl Peter Ulrich den 11. Februar 1728 zu Kiel geboren ward. Am 18. November 1742 erklärte ihn die Kaiserin Elisabeth, nachdem er die Griechische Religion angenommen hatte, zum Russischen Großfürsten und zu ihrem Thronfolger. Er nahm dabei den Namen Peter Fedrowitsch an und vermählte sich den 1. September 1745 mit der Prinzessin Sophie Auguste Friederike, des Fürsten Christian August zu Anhalt-Zerbst Tochter. Sie war den 2. Mai 1728 zu Stettin geboren, wo damals ihr Vater als Preußischer Generalfeldmarschall und Commandant dieser Festung lebte. Bei ihrer Vermählung mit dem Großfürsten nahm sie die Namen Catharina Alexejewna an. Die außerordentliche Zuneigung und große Verehrung, welche der Großfürst für Friedrich d. G. hegte, und die er als Kaiser auf so ausgezeichnete und für den Preußischen Staat so beglückende Weise bethätigte, so wie sein beklagenswerthes Schicksal<198> und sein Tod sind allgemein bekannt. Friedrich der Große, als er die Trauerpost erhielt, sagte: "Was seind in Petersburg für Sachen geschehen! Ich schweige still, aber ich traure still vor aller Welt vor den ehrlichen und lieben Kaiser," und noch mehrere Jahre nachher sagte er einst mit Thränen in den Augen: "Ich werde Peter den Dritten ewig beweinen, er war mein einziger Freund, mein Retter, ohne ihn hätte ich unterliegen müssen."
Johann Ernst von Pirch war ein eben so talentvoller, als jovialer junger Mann. In den Anekdoten und Charakterzügen aus dem. Leben Friedrich's II, 13. Samml., S. 62 stehen einige von seinen lustigen Streichen, und man sagt, daß er die Veranlassung zu dem Lustspiele: "Pagenstreiche" gewesen sein soll. Da seine großen Fähigkeiten vom Könige nicht unbemerkt blieben, so übersah er ihm manchen muthwilligen Streich, wünschte aber um so mehr, daß er mehr Ernst und Fleiß anwenden möchte, seine natürlichen guten Anlagen weiter auszubilden etc. und überhaupt gesetzter zu werden. Er machte ihn endlich zum Officier, stellte ihn bei dem Regiment des Generals von Saldern, eines der auch in wissenschaftlicher Hinsicht gebildetsten und in jeder Beziehung achtungswürdigsten Officiere der Preußischen Armee 198-+, an, und empfahl ihn dessen besonderer Beaufsichtigung und Leitung. Eine solche Beschränkung konnte der lebhafte Geist des jungen Pirch nicht ertragen, er würde gern seinen Abschied verlangt haben, aber er wußte, daß der König diesen niemals ohne ganz besonders wichtige Gründe ertheilte. Um nun doch seinen Zweck zu erreichen und sich so von den Fesseln, welche ihm die strenge Aufsicht des Generals anlegte, zu befreien, stellte er sich krank und trieb seine Verstellung so lange und so weit, daß er nicht nur den General und die ihn umgebenden Personen, sondern selbst den Arzt täuschte. Dadurch wurde der General bewogen, selbst den König zu ersuchen, dem Lieutenant von Pirch wegen anhaltender Brustkrankheit, öftern Blutauswerfens etc. den Abschied zu ertheilen. Der König antwortete,<199> daß er an die Krankheit des P. nicht glaube, er kenne ihn allzu gut, und Saldern solle sich nicht von ihm täuschen lassen etc., doch auf die wiederholten Versicherlmgen des Generals gab er ihm den Abschied. Nun war Pirch sogleich gesund und ging in Französische Kriegsdienste 199-+, wo er das Preußische Exercitium einzuführen suchte. Es erschien auch wirklich ein neues, darnach eingerichtetes Exercier-Reglement, mit dessen Einführung bei den in Französischen Diensten stehenden Deutschen Regimentern der Anfang gemacht ward. Von Pirch stieg bald bis zum Obersten des Regiments Hessen-Darmstadt.
Als der König den General von Saldern bei der nächsten Revue sah, sagte er lächelnd zu ihm: "Sieht Er nun wohl, daß ich den Pirch besser gekannt habe, als Er?"
Voltaire in einem Brief vom 7. Dezember 1774 an den König erwähnt des Pirch mit folgenden Worten: "Vous savez que ce peuple de Velches a maintenant pour son Végèce un de vos Officiers subalternes, dont on dit que Vous fesiez peu de cas, et qui change toute la Tactique en france, de sorte que l'on ne sait plus où l'on en est." Darauf antwortet der König unter dem 27. Dezember : "Vous me parlez d'un jeune homme qui a été page chez moi, et qui a quitte le service pour aller en france, où pour trouver protection, il a époucé, je crois, une parente de la Du Barry. Si Louis XV n'étoit pas mort, il auroit jouer un rôle subalterneterne 199-++ dans ce royaume; mais actuellement il a beaucoup perdu; il est tort eventé, et je doute qu'il se soutienne à longue. Avec une bonne dose d'effranterie, il s'est annoncé comme homme<200> à talens; on a l'en a cru d'abord sur sa parole. Il lui faut une quinzaine de printems pour qu'il parvienne à maturite, il se peut alors qu'il devienne quelque chose."
Nach Thibault a. a. O. hatte sich Pirch in Straßburg verheirathet und einen Sohn erzeugt, welchen nachher der König Friedrich Wilhelm II in seine Dienste gezogen und bei der Garde angestellt haben soll 200-+, wo er noch im Jahre 1804 als Lieutenant gestanden.´
Der Oberst von Pirch machte in dem im Jahre 1779 zwischen England und Spanien ausgebrochenen Kriege, zu welchem auch Frankreich den Spaniern Hülfstruppen zur Belagerung Gibraltars sandte, die Expedition an der Spitze seines Regiments mit. Er starb im Französischen Lager bei Santa Maria in Spanien am 20. Februar 1783. Da er als Protestant nicht in geweihter Erde begraben werden konnte, so ward er mitten im Lager hinter seinem Zelte beerdigt. Sein Regiment, das ihm mit großer Liebe und Achtung zugethan - wie er denn auch überhaupt allgemein geliebt und geehrt - ließ an seinem Grabe ein Denkmal mit folgender Inschrift errichten :
"Sous cette tombe git Jean Ernest Baron de Pirch Colonel Commendant du Regiment Royal de Hesse-Darmstadt, Chevalier de l'ordre du mérite et du saint Sebasten, Chanoine de Magdebourg, mort le vingt Fevrier 1783 dans la trente neuvieme année de son age. Né en prusse, il apprit l'art de guerre sous Frédéric, passé en France il eut par ses talents et par ses vertus l'exemple de l'armée. Ce simple monument fut élevé à la postérité en marque de reconnoissance et de regrets, par son Regiment."
135-+ S. Bartholdi Mémoires d'un Gentilhomme Suedois etc. Berl. 1788.
135-++ Er ging über Stettin, wo er mit dem Gouverneuer, Herzog von Nevern, eine Unterredung hatte, von da nach Berlin und Magdeburg.
137-+ Die beiden Reisenden. Eine Allegorie. H. W. VII. 150.
137-++ Exposition de la doctrine de l'église catholique, welche schon zu seiner Zeit starken Widerspruch erfahren.
138-+ der auch daran erkrankt und deshalb nach Berlin zurück gegangen war.
138-++ Die erste Nachricht war: daß bei Aufführung des Tancred von Voltaire die Verse : "Tancred ist ein Held, trotz der Kabale, die ihn verweist," stark beklatscht wurden, weil man sie auf die eben geschehene Verweisung Broglio's deutete. S. unten B. Die zweite betraf den Befehl des Parlaments: die Jesuiten zu verjagen, und die Verordnung des Staatsraths, sie zu schützen.
138-+++ Maitresse Ludwig's XV.
139-+ Es waren der Fürst Caspar Lubomirsky, Johann von Nummers, Nicolss Basilius Fürst Repnin und Alerander Alexandrowitz Fürst Prosorofsky.
141-+ Die Türkei, mit welcher der König unterhandeln läßt, daß sie den mit Oestreich eingegangenen Waffenstillstand aufheben soll. (Siehe hinterl. Werke IV. 266 etc.).
142-+ Die Türkei. Siehe erste Abtheilung S. 73.
142-++ Die jetzige Krimm, die damals unter dem Chan der Tataren stand.
143-+ Der König meint England. Hier hatte nach George's II Tode der Günstling George's III, der Lord Bute, zum Verdruß des Engl. Volkes großen Einfluß auf die Regierung erlangt, wodurch Pitt bewogen wurde, seinen Abschied zu nehmen. Bute, der nun Pitt's Stelle einnahm, war Friedrich II wenig geneigt. Er verhinderte nicht nur die Erneuerung des zwischen England und Preußen früher geschlossenen Subsidienvertrages, sondern bemühete sich auch eifrigst, mit Oestreich einen einseitigen Frieden zu schließen, und den Kaiser von Rußland zur Fortsetzung des Kriegs gegen Preußen zu bewegen etc. (S. h. W. IV. 251. 256 etc.).
145-+ Der König in den h. W. IV. 261 sagt irrig : Der General Czernitschef habe vom Kaiser Befehl erhalten, "unverzüglich aufzubrechen (von Glatz, wo er stand), um zur Armee des Königs zu stoßen und mit ihr gemeinschaftlich Krieg zu führen." Dieser Befehl erschien erst später, als die Auffoderung des Kaisers vom 23. Febr. an die verbündeten Höfe, und besonders noch vom 9. April an den Wiener Hof, ohne Erfolg blieb, und die Czernitschefschen Truppen auf ihrem Rückmarsch schon bei Thoren angelangt waren. Selbst im Friedenstractat vom 5. Mai war noch festgesetzt, daß dieses Corps durch Schlesien und Polen zurückkehren sollte.
146-+ Das Blatt war in Paris erschienen, wo man im Begriff war sie gänzlich aufzuheben. Es stellte ein Sieb vor, in welchem sich alle Mönchsorden befanden, es wurde von dem Präsidenten des Parlaments geschüttelt, wobei alle Jesuiten durch die Löcher fielen.
151-+ Die Jesuiten.
157-+ Die Königin und ihr ganzer Hofstaat, wozu auch die Gräfin gehörte, hielt sich damals in Magdeburg auf.
164-+ An diesem Tage wollte der König die Oestreicher angreifen.
164-++ Nach Tempelhof VI. 99 soll es um 18ten geschehen sein, womit das Datum des nachstehenden Briefes an Catt im Widerspruch steht.
165-+ Die Nachricht war wenige Stunden nach einem Feste angelangt, welches der König an diesem Tage den Officieren des ihm vom Kaiser verliehenen Russischen Regiments, das sich bei dem Czernitschefschen Corps befand, gegeben hatte.
165-++ Der König sagt in den hinterlassenen Werken Theil IV. S. 301, daß der General Czernitschef ihm die erste Nachricht von den Vorfällen in Petersburg gegeben habe. Doch scheint dies, verschiedenen Umständen nach zu urtheilen, ein Irrthum zu sein, deren sich verschiedene in dem Theile, welcher die Gesch. d .siebenj. Krieges enthält, finden, wie erwiesen ist, und das wohl daherkommt, daß, nachdem, wie bekannt, die erste Hand-schrift des Königs verbrannte, er diese Geschichte nachher noch einmal, und wohl nicht mit derselben Geduld und Genauigkeit, wie das erste Mal, niederschrieb.
167-+ Man hatte prophezeihet: Der König werde eine Schlacht gewinnen und darauf der Friede zu Stande kommen.
167-++ An dem Tage, wo der König diesen Brief schrieb, konnte er den Tod des Kaisers noch nicht bestimmt wissen, da er erst an demselben (des 6./17. Juli) zu Ropscha (nach Andern zu Mopsa, einem kleinen Landhause des Hermann Rasonoffsky) erfolgt war. Entweder hatten gleich die ersten Machrichten von dem Vorgefallenen seinen Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchten lassen, oder der Brief des Königs war liegen geblieben und erst einige Tage später, nachdem die Nachricht vom Tode des Kaisers eingegangen war abgeschickt worden, wo dann der König jenen Zettel noch in das Couvert eingelegt haben mag.
169-+ Daraus läßt sich erklären, daß der König trotz des glücklichen Anscheins, den die Vorgänge in Petersburg für ihn haben mußten, dennoch in seinen Briefen vom 1. und 8. April an d'Argens so viel Besorgnis äußert.
173-+ Der König hatte ihm das oben erwähnte Scherzgedicht an d'Alembert zugeschickt. Der getadelte Vers lautet: "Ne lui depeignez point le martyr qui vous presse." Es müsse eigentlich, wie d'Argens meint, "le martyre" heißen, dann käme aber der Vers nicht mehr heraus.
173-++ In der Utrechter Zeitung
179-+ Es waren zwei Exemplare von des Königs Poësies Diveres. Eine neue Ausgabe in Taschenformat, von Beausobre besorgt. D'Argens schrieb dabei, daß die Russ. Officiere davon 900 Exemp. bestellt hätten.
187-+ Der König las um diese Zeit Fleury's Kirchengeschichte.
189-+ Dies sagt nicht allein Tempelhof VI. 249, sondern es stimmt auch diese Angabe mit des Königs Werken IV. 338. Gleichwohl scheint aus nachstehendem Brief des Königs aus Torgau vom 7ten hervorzugehen, daß er erst von da ab nach Meissen gegangen ist. Vielleicht ging der König von Löwenberg und Lauban aus, über Meissen nach Torgau, ohne sich am erstern Ort lange aufzuhalten. Nach Oesfeld ist der König am 22. Oktober — soll aber wohl November heißen — in Meissen angelangt, was sich jedoch auch nicht mit des Königs Brief vereinigen läßt. Ohne Zweifel war der König schon den 8ten und 9ten in Meissen. (Spenersche Zeitung 1762 Rr. 140).
191-+ Timée de Locres en grec et en françois, avec des dissertations sur les principales question de la méthaphysiques. P. d'Argens. Berl. 1762.
196-+ Die Geschichte seiner Sendung findet man in (Wagners) Denkwürdigkeiten für Kriegskunst und Kriegsgeschichte. Berlin 1818, Heft VI. 80.
197-+ Der König sagt: "am 31. Dezember nahmen die Konferenzen mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten ihren Anfang." Nach Weddigen's Fragmenten zu dem Leben Herzberg's, der selbst ihm dazu Mitteilungen machte, erhielt Herzberg erst am 1. Januar 1763 vom Könige Befehl, als Preuß. bevollmächtigter Gesandter nach Hubertsburg zu gehen.
198-+ S. Küster's Charakterzüge des Pr. Generals von Saldern.
199-+ Nach Thiébault, in seinem Buche : Mes Souvenirs IV. 207, ging Pirch zuerst nach Hessen-Darmstadt, mit Empfehlungen des Prinzen von Preußen, mit dem er immer sehr harmonirt und eben dadurch sich den Unwillen des Königs zugezogen haben soll. Hier erhielt er die Anstellung in dem Hessen-Darmstädtischen in Französischen Diensten stehenden Regiment.
199-++ Die Deutschen Uebersetzungen haben alle: "eine nicht unbedeutende Rolle."
200-+ In der Rangliste von 1806 steht beim Regt. Garde ein Lieutenant von Pirch, und die 1327 neu aufgelegte Rangliste von 1806 mit Nachrichten etc. von diesem Jahre enthält sein ferneres Schicksal.