Juni.

A.

Juni 1762

Der König in Bettlern.

8. Juni 1762

Der König an d'Argens:

"In Ihrem Briefe, lieber Marquis, scherzen Sie über meine Kouriere. Leider geht nicht Alles so geschwind, als ich es wohl wünschte. Mit den Russen haben wir Frieden; das ist in der That sehr vortheilhaft für mich, aber auf der andern Seite hat es meine Unterhandlungen in Constantinopel gestört. Es ist nicht leicht, so viele Köpfe unter einen Hut<156> zu bringen, und besonders so viel verschiedenes Interesse mit einander zu vereinigen. Man unterhandelt; darüber vergeht die Zeit, und wir kommen nicht aus der Verwirrung heraus. Indeß marschiren doch die Tataren. Es sind immer hunderttausend Mann, und man muß hoffen, daß die andern folgen werden, wenn man jene ins Spiel bringt etc. Bei der Spekulation macht man schnelle Fortschritte, l. M., aber bei dem Ausführen geht es langsam, weil man auf seinem Wege tausend Hindernisse antrifft. Ich überlasse mich dem Schicksal, das die Welt nach seinem Willen lenkt. Die Politiker und die Krieger sind nur Marionetten der Vorsehung; als nochwendige Werkzeuge einer unsichtbaren Hand handeln wir, ohne zu wissen, was wir thun, und oft ist der Erfolg unserer Bemühungen gerade das Gegentheil von dem, was wir hofften. Ich lasse daher Alles gehen, wie Gott will, arbeite im Dunkeln, und benutze günstige Umstände, wenn sie da sind. Czernitschef ist auf dem Marsch, um zu mir zu stoßen. Unser Feldzug wird erst gegen das Ende des Monats anfangen, aber dann wird es in dem armen Schlesien einen argen Lärm geben. Kurz, lieber Marquis, ich habe ein hartes und schweres Stück Arbeit vor mir, und noch kann man nicht zuverlässig sagen, was für eine Wendung das Alles nehmen wird. Beten Sie für uns, und vergessen Sie einen armen Teufel nicht, der sich in seinem Harnisch entsetzlich zerquält, wie ein Verdammter lebt, und dessen ungeachtet Sie aufrichtig schätzt und liebt. Leben Sie wohl."

8. Juni 1762

Der König an die Gräfin Camas : "Ich bin innigst überzeugt, mein liebes Mütterchen, von Ihrer aufrichtigen Theilnahme an den guten Ereignissen, die uns zustoßen. Schade nur, daß wir so tief herunter gewesen sind, daß wir gegenwärtig jederlei Art von glücklichen Zufällen bedürfen, um wieder auf die Beine zu kommen, und zwei große Friedensschlüsse, die für jeden Andern die Ruhe herbeiführen würden, eröffnen mir in diesem Augenblick höch<157>stens nur die Aussicht, daß ich den Krieg weniger unglücklich beendigen werde.

Von ganzem Herzen wünsche ich, daß der Himmel Sie bis zu dem Augenblick erhalten möge, wo ich Sie sehen, Sie hören und Sie werde umarmen können. Allem Anschein nach werden Sie in Kurzem wieder die ruhigen und friedlichen Bewohner Berlins werden können 157-+. Wir Andern hingegen werden wohl bis zum letzten Athemzuge uns herum balgen müssen. Indessen muß das Alles doch einmal ein Ende neh men. Die einzige angenehme Aussicht für mich bei dem bevorstehenden Frieden ist die, daß ich Ihnen mündlich die hohe Achtung versichern kann, mit welcher ich bin, mein liebes Mütterchen, Ihr treuer Freund.
Friedrich."

14. Juni 1762

Der König reitet recognosciren, bleibt des Nachts bei den Vorposten im Dorfe Poschwitz, und kehrt am andern Morgen nach Bettlern zurück.

19. Juni 1762

Der König giebt dem Kaiser von Rußland das Preußische Infanterie-Regiment von Syburg (damals Nr. 13). Es hatte sich dasselbe in der Schlacht bei Kunersdorf durch seine Tapferkeit ausgezeichnet. Jetzt erhielten die Officiere desselben silberne Achselbänder. Der Kaiser gab dagegen dem Könige das Schuwalowsche Dragoner-Regiment, welches in der Schlacht bei Zorndorf ebenfalls mit großer Tapferkeit gefochten hatte. Mit Tottleben war es in Berlin gewesen und hatte daselbst die Schloßwache besetzt.

19. Juni 1762

Der König an d'Argens:

"Wenn ich mich über das, was im Orient vorgegangen ist, umständlich gegen Sie erklären wollte, lieber Marquis, so fänden Sie vielleicht, daß ich Ursache zu glauben hatte, es werde in den dortigen Gegenden etwas Gutes geschehen.<158> Gewiß ist noch nicht Alles verloren, und ich habe noch einen günstigen Schimmer. Der Tatar muß in vollem Marsche sein, und ich schmeichle mir wenigstens, daß er mir ungefähr 20000 Mann Hülfstruppen geben wird. In Constantinopel erregen die Janitscharen einen Aufruhr, der dem Großvezier gilt. Als mein Brief abging, lag schon der achte Theil der Stadt in Asche, und die Feuersbrunst dauerte noch fort.

Sie haben wohl Recht, wenn Sie sagen, daß unsere Speculationen über die Zukunft, und alle politischen Muthmaßungen nur nichtig find» Wer kann besser davon reden, als ich? Seit sechs Jahren sehe ich mich ja durch alle politischen Ungewitter von Europa bestürmt; stets dem Schiffbruche nahe, bis jetzt gleichsam durch ein Wunderwerk erhalten, und doch immer neuen Gefahren ausgesetzt.

Alles, was in Rußland vorgeht, konnte der Graf Kannitz nicht vorhersehen; Alles, was in England vorgegangen ist, und wovon Sie das Gehässige noch nicht einmal wissen, konnte ich bei meinen Planen nicht in Anschlag bringen. Hieraus folgt, daß man als Regent eines Staats in unruhigen Zeiten sich häufig betrogen sieht. Besonders aus diesem Grunde wird mir diese undankbare und fruchtlose Arbeit zuwider, und er macht meine Liebe zu den Wissenschaften, die uns im Stillen und im Schooße des Friedens beschäftigen können mehr als jemals lebendig. Der Gelehrte hat etwas Gewisses vor sich, der Politiker aber fast gar kein sicheres Datum.

Den 30sten stoßen die Russen zu uns. Bei ihrer Ankunft wird unsere Unthätigkeit aufhören, dann werde ich, trotz Allem, was daraus entstehen kann, von Neuem große Abenteuer wagen. Das wäre denn der siebente Akt unsers Trauerspiels! Das Stück währt zu lange! Der Russische Kaiser hat die Katastrophe darin eingeleitet; ich muß an der Auflösung des Knotens arbeiten, um es so gut als möglich zu endigen. Jetzt beschäftigen mich eine Menge vorläufiger Ein<159>richtungen. Man muß Alles anordnen und, so viel es angeht, Alles vorhersehen. Rechnen Sie hierzu noch die lebhaften Unterhandlungen, die jetzt gepflogen werden, dann werden Sie die Sorgen, die Unruhe, die Arbeit, die es mir kostet; und die Last, die meine armen Schultern zu tragen haben, leicht beurtheilen können. Kurz, mein lieber Marquis, wir sind nahe an den Ereignissen, welche diesen Feldzug und diesen ganzen Krieg entscheiden werden. Man muß sie mit Geduld abwarten, weil das Wenigste von dem, was geschehen muß, von uns abhängt. Leben Sie in Frieden, schreiden Sie mir oft, und sein Sie meiner Freundschaft gewiß."

26. Juni 1762

Der König recognoscirt mit den so eben bei seiner Armee angekommenen Kosacken das Oestr. Corps unter Brentano.

27. Juni 1762

Der König an die Gräfin Camas :

"Es freut mich, mein liebes Mütterchen, daß Sie so viel Herz haben, und ich bitte Sie recht sehr, den Muth ja nicht sinken zu lassen. Alles nimmt ja ein Ende, folglich muß man hoffen, daß dieser verdammte Krieg nicht das einzige ewige Ding in dieser Welt sein werde. Seitdem der Tod die Nordische Dame heimgeführt, hat unsere Lage sich vortheilhaft geändert, und wird weit erträglicher, als sie es zuvor war. Man muß hoffen, daß noch einige gute Ereignisse eintreten werden, welche man wird benutzen können, um zu einem guten Frieden zu gelangen.

Sie sprechen mir von Berlin, ich wünschte recht sehr, Sie dort insgesamt vereinigt zu wissen. Allein ich möchte gern, daß, wenn Sie dahin zurückkehren, Sie dort nicht wie der Vogel auf dem Dache sich befänden, und daß Sie mit Ruhe und Anstand sitzen bleiben könnten. Daher erwarte ich den Augenblick, wo ich diese Sicherheit, auf gute Grundlagen gestützt, glauben werde, um Sie zur Rückkehr aufzufodern.

Wenn alles dies auf eine gute und schickliche Weise sich aus einander wirrt, o, wie will ich den Himmel segnen, Sie, mein liebes Mütterchen, wieder zu sehen und zu umarmen!<160> Ja, zu umarmen, sage ich; denn Sie haben in der ganzen Welt keinen Anbeter mehr, als mich, Sie können mir keine Eifersucht einflößen, und ich bin völlig befugt, von Ihnen einen Kuß zu verlangen, zur Belohnung meiner Beständigkeit und der zärtlichen Anhänglichkeit, welche ich für Sie habe. Sie können Sich immer schlagfertig halten, mag Finette dazu sagen, was sie will. Leicht möglich, daß sie vor Aerger die Auszehrung bekommt, denn seit ihrem verstorbenen Galan hat sie keinen Courmacher mehr.

Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen. Verzeihen Sie mir die Armseligkeiten, welche ich Ihnen schreibe, aber das kommt daher, daß ich allein bin, daß ich zuweilen meine peinliche Lage vergesse, daß ich Sie liebe, und so gern die Gelegenheit benutze, mit Ihnen zu plaudern."

28. Juni 1762

Der König verlegt sein Hauptquartier nach Klein-Tinz.

30. Juni 1762

Der König begiebt sich nach Lissa, um das für das Russische Hülfscorps daselbst abgesteckte Lager in Augenschein zu nehmen und dem Einrücken dieser Truppen, welche Vormittags anlangten, beizuwohnen. Nachdem der König das Corps vor sich vorbei defiliren lassen, war in Lissa große Tafel, wozu der General Czernitschef und die übrigen Generale und Stabsofficiere eingeladen wurden. Der König trug an diesem Tage den Russischen Andreas-Orden. Gegen Abend kehrte der König nach Klein-Tinz zurück.

B.

3. Juni 1762

In Berlin wird der mit Schweden geschlossene Friede publicirt.

17. Juni 1762

Wird bei der Armee befohlen, daß die ganze Cavallerie, wie auch die Freibataillons und Jäger, auch die Generale und deren Adjutanten, einen weißen Federbusch auf den Hut stekken sollen, damit die nun zur Preußischen Armee stoßenden Russen sie dadurch von den Oestreichern unterscheiden können. Die Federbüsche der Officiere waren halb schwarz, halb weiß.

21. Juni 1762

Das Czernitschefsche Corps bricht aus Polen auf, um<161> wieder nach Schlesien zu marschieren und zur Armee des Königs zu stoßen.

22. Juni 762

Starb in Breslau der Markgraf von Brandenburg-Schwedt, Friedrich Karl Albrecht, Heermeister des Johanniter-Ordens und Preuß. General der Infanterie, 58 Jahr alt.

24. Juni 1762

Schlacht bei Wilhelmsthal. Der Herzog von Braunschweig schlägt die Franzosen unter Soubise und d'Etrée. Die Franzosen verloren 2529 Gefangene, 12 Kanonen, 1 Standarte und 7 Fahnen, an Todten ungefähr 2500 Mann. Die Alliirten hatten 104 Tobte, 273 Verwundete, und 306 Mann wurden vermißt. Der Preußische Oberst von Lossow und der Russische Oberst Demischow mit seinen Kosacken attakiren die Oestreichischen Vorposten bei Wernersdorf etc. und treiben sie zurück.


157-+ Die Königin und ihr ganzer Hofstaat, wozu auch die Gräfin gehörte, hielt sich damals in Magdeburg auf.