August.
A.
3. August 1762
Der König in Dittmannsdorf schreibt das scherzhafte Gedicht an d'Alembert, als er über das eitle Vergnügen der Dichtkunst unwillig war. (H. W. VII. 154).
In Dittmannsdorf schrieb der König (im August) auch noch folgende Gedichte: Verse im Namen eines Schweizers (Catt) an ein gewisses Fräulein Ulrike (Catts nachherige Gattin), in das er verliebt war; Ein anderer Brief für den verliebten Schweizer; Der Schweizer an das Schreibpult der Fräulein Ulrike. (H. W. VI. S. 159. 162. 165).
10. August 1762
Der König verlegt sein Hauptquartier von Dittmannsdorf nach Peterswalde.
?? August 1762
Der König an d'Argens:
"Ihr Brief (vom 9ten), mein lieber Marquis, fand mich in Kindesnöthen; ich soll von Schweidnitz entbunden werden. Auf allen Seiten muß ich es vor Daun decken, der ein Dutzend seiner Untergeordneten umher schleichen läßt, um meine Unter<173>nehmung zu vereiteln. Dies nöthigt mich, unaufhörlich aufmerksam auf die Bewegungen des Feindes und auf die Nachrichten zu sein, die ich mir zu verschaffen suche. Sie können hieraus schließen, daß mein armer Kopf jetzt eben nicht dichterisch ist. Der Vers, den Sie tadeln 173-+, soll gewiß verbessert werden, es ist eine Kleinigkeit, aber ich bitte um Aufschub bis zu Ende der Belagerung, die übrigens bis jetzt recht gut von Statten geht.
Ich betheure Ihnen, daß ich nicht eitel bin, und ich schreibe von dem Glück in meinen Unternehmungen soviel auf die Rechnung des Zufalls und der Truppen, daß ich nicht schlechterdings darauf bestehe, Postillone abschicken zu wollen, indeß, wenn Sie dergleichen zu Ihrem Vergnügen verlangen, so werden sie ge wiß bei Ihnen ankommen. Die Zeitungsschreiber haben Ihnen ihrer löblichen Gewohnheit nach wieder etwas vorgelogen 173-++. Jene Nachricht ist auf Veranlassung des Warschauer Hofes in die öffentlichen Blätter gesetzt worden, um die Nation wegen des Marsches des Tatarchans, der an ihrer Grenze streift, zu beruhigen.
Diesmal werde ich Ihnen vom Pontus und dem orientalischen Reiche Nichts sagen. Ich bin es so müde, das Zukünfttige zu verkündigen, daß ich Ihnen Nichts, als Thatsachen schreiben will; haben Sie also noch ein wenig Geduld. Jetzt schränke ich meine ganze Auftmerksamkeit auf die Operation ein, die ich unternommen habe.
Glauben Sie mir, ein junger Mensch hätte dabei genug zu thun; was für ein Leben nun für einen armen alten Mann, der abgenutzt und verfallen ist, wie ich, dessen Gedächtniß ab<174>nimmt, und der seine Sinne und seine Geisteskräfte dahinschwinden steht!
Alles in unserm Leben hat seine Zeit. In meinem Alter, lieber Marquis, sind Bücher, Umgang, ein guter Lehnstuhl und eine warme Stube Alles, was mir übrig bleibt; und wenige Augenblicke nachher kommt dann das Grab. Leben Sie wohl. etc."
13. August 1762
An Ebendenselben :
"Des Guten und der Uebel bunt Gemisch,
Womit der Himmel unsrer Jahre Lauf
Bestreut, zerrüttet stets durch Ebb' und Fluth
Der Menschheit leicht zertrümmertes Geschick,
Die Zukunft ist verhüllt, den Göttern nur
Bekannt. Wenn sie der Mensch durchdringen will,
So täuscht er sich; sein Streben ist umsonst,
Sein Rechnen falsch, verschwendet seine Kraft;
Eh' er es glaubt, zerschmettert ihn ein Schlag.
Marquis, ach! Alles auf der Erdenwelt
Ist stets nur Unbestand und Nichtigkeit,
Wenn uns ein Unglück plötzlich traf — sogleich
Wird durch uns selbst die Last noch drückender;
Verzweifeln läßt es uns, ist äußerst groß,
Erträglich kaum. Allein wir denken bald
Ganz anders, bieten ihm am Ende Trotz.
Was nähren wir der Sorgen Schaar in uns
So stark? — wir wohnen in des Wechsels Reich,
Umringt von Uebel, das uns Leiden schafft,
In jeder harten Prüfung unsers Muths
Laß so uns denken, wie der Weis' es thut!
Des Unglücks Last bedrückt uns heute schwer;
Doch morgen schon, Marquis begünstigt uns
Das flatterhafte Glück, wir lachen dann.
So laß uns denn nicht länger mürrisch sein,
Nicht klagen über Mißgeschick, das ja
<175>Nicht ewig währt. Der Weise fürchtet nicht
Zu viel, doch hofft er noch viel weniger.
Das ist Alles, was ich sagen kann. — etc. Wir haben so lange Widerwärtigkeiten erlisten, daß das Publikum bei Unglück, das die Furcht vorhersah, nun mehr leichtgläubig geworden ist; doch es ereignet sich weder alles Böse, das man fürchtet, noch alles Gute, das man hofft. etc. Um Sie wieder zu stärken, sage ich Ihnen, daß meine Unternehmung auf Schweidnitz bisher ganz vortrefflich von Statten geht, wir brauchen noch eilf glückliche Tage, so wird die Prüfung überstanden sein. etc. Leben Sie wohl, lieber Marquis, ich bin abgemattet; mein Alter macht mir die Arbeit beschwerlicher, als vor Zeiten. Noch einmal — schreiben Sie mir und zweifeln Sie nicht an meiner Freundschaft."
14. August 1762
War der König bei dem Corps des Herzogs von Bevern, das sich ihm genähert hatte.
16. August 1762
Der König unterstützt von Peterswalde aus den Herzog von Bevern bei seinem Gefecht bei Reichenbach mit dem Oestrei— chischen General Beck, durch Absendung von Kavallerie und Infanterie.
17. August 1762
Der König an d'Argens: "Ich schicke heut einen Kourier mit Postillonen ab, da Sie doch einmal Ihre Lust an Postillonen haben. Schweidnitz ist noch nicht über, allein 30000 Mann, die es entsetzen wollten, sind geschlagen. Die öffentlichen Blätter werden Ihnen die nähern Umstände sagen. Daun griff gestern, Nachmittags um 5 Uhr, den Prinzen von Beyern an, und um 7 Uhr war jener schon geschlagen, etc."
19. August 1762
Der König an Ebendenselben (aus Jägerndorf) Verse, worin er ihm über die Postillon etc. sagt :
"Es war nun freilich wohl nicht werth,
Daß man mit einem solchen Pomp
Dem Volk es angekündigt hat. etc.
- - Die Politik
<176>Mit stolzer Seele sagt indeß :
Man muß mit eitler Hoffnung wohl
Das blinde Volk ersättigen,
Da es nur für den Irrthum lebt.
So leitet ** es in *
Von Rußland bis nach Kanada;
Wer es betrügt, der lenkt es auch.
Doch dieses Evangelium
War nicht für mich. So täusche denn
Ein feiner, niedrer Bösewicht
Die Offenheit und das Vertrau'n
Des Volks, das Tand und Leichtsinn liebt,
Durch falschen Wahn; ich will es nicht. etc.
Meine Verse sagen Ihnen, was ich von den Postillonen denke, die Sie in Berlin haben ankommen sehen. Es ist recht, daß man sich ein wenig freuet, wenn man einem großen Unglück entgangen ist; indeß, lieber Marquis, ist es von diesem Punkte bis zu völligem Glücke noch weit, und — um ganz offenherzig gegen Sie zu sein — ich glaube, wir werden noch eine Krisis haben, ehe wir Schweidnitz wieder erobern. Aus dem Allen wird das herauskommen, was dem Ungefähr, dem Schicksal oder der Vorsehung beliebt; denn gewiß haben alle drei oder eins von ihnen mehr Antheil an den Begebenheiten in der Welt, als die Klugheit der Menschen. Ich überlasse es Ihnen, einige kleine philosophische Betrachtungen über diesen unerforschlichen Gegenstand anzustellen. Wenn Sie irgend eine glückliche Entdeckung machen, so wird es mir sehr angenehm sein, sie von Ihnen mitgetheilt zu bekommen. Bis dahin, lieber Marquis, bitte ich Sie aber, mich nicht zu vergessen."
23. August 1762
Der König an Ebendenselben (aus Peterswalde):
"Wir sind glücklicher gewesen, mein lieber Marquis, als wir hoffen durften. Es war der Marschall von Daun an der Spitze von 55 Bataillonen und 113 Eskadronen, den wir geschlagen haben. Er hat sich den Morgen darauf nach War<177>tha, und den folgenden Tag nach Scharfeneck bei Braunau zurückgezogen. Der Commandant von Schweidnitz hat capituliren wollen, was ihm aber abgeschlagen worden, er müßte sich denn kriegsgefangen übergeben. Eine Besatzung von 10000 Mann ist keine Kleinigkeit; nehmen wir sie nicht in der Stadt, so wird es noch weit weniger nach ihrer Rückkunft zur Armee, und in einem Lager auf den unzugänglichen Bergen geschehen. Haben Sie nur noch acht Tage Geduld, und wir werden auch diese Arbeit hinter uns, Schweidnitz genommen, die Besatzung zu Gefangenen gemacht und die Postillone ins Zeug gesetzt haben. Sie sprechen von Frieden zwischen Frankreich und England; ich glaube nicht, daß man so weit damit ist, wie die Zeitungsschreiber es haben wollen, so wie ich der Meinung bin, daß alles, was unter diesen beiden Mächten vorgehen wird, Ihnen und unsern guten Berlinern ziemlich gleichgültig sein kann. Der allgemeine Friede, dessen Sie erwähnen, der ist sehr zu wünschen; es muß aber ein guter, vorteilhafter und solider Friede sein. Ich weiß nicht, was ich Ihnen darüber sagen soll; gewiß hat ihn ganz Europa nöthig, nur stößt man überall, wenn man mit Teufelszeug von Weibern zu thun hat, weit mehr auf Eigensinn, Grillen, Widerspenstigkeit, als auf Vernunftgründe. Unterdessen kritzle ich fort, und fange an zu glauben, daß ich doch wohl noch vor dem Frieden unter der Erde sein könnte.
Ein armer Weber aus der Nachbarschaft, der so toll ist, sich für inspirirt zu halten, prophezeiht uns noch sechs Jahre Krieg.
Ihr Alter nimmt ja ganz sonderbar zu, lieber Marquis; verwichenes Jahr zu Leipzig, besinne ich mich, waren Sie 55 Jahr, wie wären Sie denn heut schon zu 60 gekommen? Ich verspreche Ihnen Postillone von aller Art bei der Einnahme von Schweidnitz, doch schmeicheln Sie Sich darum nicht, daß auch der Friede darauf folgen wird; dazu hat es noch keinen Anschein. Lassen wir das Ding walten, das die<178> Welt regiert, verrichten indes unser Tagewerk, und warten ab, es kann doch weder mehr noch weniger kommen, als kommen muß. Große Gefahr laufen wir hier nicht mehr, und unsere Belagerung wird man uns Wohl ruhig zu Ende bringen lassen. Gott gebe es! und wenn ich den Frieden erleben sollte, so geb' er auch dies, daß ich den Trost habe, Sie wieder zu sehen. Leben Sie wohl, lieber Marquis."
B.
1. August 1762
Die Generale von Kleist und von Seidlitz brechen in Böhmen ein.
2. August 1762
Der Angriff des Preußischen Generals von Seidlitz auf den Fürsten Löwenstein bei Töplitz mißlingt. Ersterer verliert 600 Mann und 2 Kanonen.
4. August 1762
Die Preußen schließen die Festung Schweidnitz ein.
6. August 1762
Das in Pommern stehende Russische Armeecorps tritt den Rückmarsch an. Der Russische Gouverneur in Königsberg in Preußen, von Woyekow, macht bekannt (26. Juli/6. August) daß, nach der ihm durch den commandirenden General-Feldmarschall Grafen von Soltikof gewordenen fernern Anzeige, Ihro Maj. die Kaiserin Katharina II in der Absicht, den mit Sr. Maj. Dem Könige in Preußen schon zuvor geschlossenen Frieden unverbrüchlich zu halten, anzubefehlen geruhet, die den Einwohnern dieses Landes, mittelst abgedachten Manifestes vom 5./16. Juli abermals auferlegte Verpflichtung völlig zu heben, und dieses Königreich zur freien Disposition Sr. Maj. dem König in Preußen zu übergeben. etc.
7. August 1762
8. August 1762
In der Nacht vom 7ten bis 8ten eröffnen die Preußen die Laufgräben vor Scheidnitz. General Tauenzien commandirt die Belagerung.
8. August 1762
Die Russischen Truppen verlassen das Lager bei Colberg und treten den Rückmarsch nach Polen an.
<179>10. August 1762
Die Preußen unter dem Oberst von Langenau rücken in Colberg ein, welches die Russen an demselben Tage geräumt hatten.
16. August 1762
Treffen bei Reichenbach. Der Herzog von Bevern schlägt die Angriffe der Oestreicher, welche unter General Beck zum Entsatz der Festung Schweidnitz vordringen, zurück.
22. August 1762
Der General-Feldmarschall Friede. Leop. Graf von Geßler stirbt zu Brieg, 70 Jahr alt. (S. 1. Abth. S. 116).
25. August 1762
Gefecht bei Grüningen. Der Erbprinz von Braunschweig greift die Franzosen unter Conde ohne Erfolg an und geht zurück.
27. August 1762
Stirbt der Minister Gottfried Heinrich Reichsgraf von Schmettau.
30. August 1762
Treffen bei Johannesberg. Der Erbprinz von Braunschweig gegen Conds und die zu seiner Verstärkung angekommenen Marschälle d'Etrées und Soubise. Ersterer muß der Uebermacht weichen und wieder in sein voriges Lager hinter die Wetter bei Wolfersheim zurückgehen. Der Verlust der Alliieren an Todten, Verwundeten und Gefangenen betrug ungefähr 15W Mann, auch verloren sie IN Kanonen. Unter den Verwundeten war der Erbprinz selbst.
173-+ Der König hatte ihm das oben erwähnte Scherzgedicht an d'Alembert zugeschickt. Der getadelte Vers lautet: "Ne lui depeignez point le martyr qui vous presse." Es müsse eigentlich, wie d'Argens meint, "le martyre" heißen, dann käme aber der Vers nicht mehr heraus.
173-++ In der Utrechter Zeitung