Oktober.

A.

9. Oktober 1762

Der Konig geht — nachdem sich Schweidnitz an diesem Tage ergeben hatte — von Bögendorf nach Peterswalde.

14. Oktober 1762

Der König an d'Argens :

"Die so ausgeschriene Belagerung von Schweidnitz, worauf Aller Augen gerichtet waren, ist nun, wie Sie schon wissen, mein lieber Marquis, auch zu Ende. Tiefer Ausgang kommt uns sehr gelegen, weil er für diesen Feldzug in Schlesien<185> entscheidend ist. Und so sind wir genau wieder da, wo wir Anfangs 1761 waren. Gleichwohl denken Sie nicht, daß wir nun den Frieden in der Hand haben. Seinen, Abschluß steht noch so vieles im Wege, daß ich Sie hintergehen würde, wenn ich Ihnen damit schmeicheln wollte. Eben so ist der Friede zwischen Frankreich und England viel weiter noch hinaus, als es der saubere Herr Bute sich eingebildet, der die Schwierigkeiten dabei nur einsah, je nachdem er in der Unterhandlung fortschritt. Das Parlament ist im Begriff, sich zu versammeln, wo denn sehr zu vermuthen ist, daß sich dieser eingebildete und ungeschickte Minister nicht behaupten wird. Kurz, das politische System von Europa ist so verworren, wie jemals. Während dieses ganzen Krieges hat sich das Glück von einem zum andern gewandt, der Ausschlag schien bald hier-, bald dorthin zu sein, wodurch beide Schalen so gleich geworden, daß kein Theil den andern durch seine Überlegenheit zum Frieden zwingen kann, daher ich diesen nicht eher zu sehen glaube, als bis die Erschöpfung so weit gediehen, daß es Physisch unmöglich sein wird, den Krieg fortzusetzen.

Seit der Einnahme von Schweidnitz lebe ich ziemlich still, wir sind in keiner großen Unruhe mehr, und meine Lage ist, im Vergleich mit der vorjährigen, sehr angenehm. Sie haben wohl Ursach, über die Unwissenheit vieler unsrer Officiere und den wenigen Fleiß zu klagen, den sie auf die zu ihrem Metier nothwendigsten Studien verwenden. Ich erinnere mich noch recht gut der Zeit meines Vaters, wo das Studiren unterdrückt, und eine Art von Schimpf darauf gesetzt ward, was junge Leute davon abhielt und sie dahin brachte, die Erweiterung ihrer Kenntnisse und die Erlangung neuer Einsichten als etwas Sträfliches anzusehen. Ich fühle alle üblen Folgen davon, nur ist es nicht in meiner Gewalt, diesem Dinge auf einmal eine andere Richtung zu geben; der Geist der Nation muß einen neuen Eindruck bekommen. Sie wis<186>sen, daß ich mein Möglichstes gethan, die jungen Leute zum Studiren und zu einem soliden Fleiße zu ermuntern. Liederlichkeit, Geschmack an Kleinigkeiten und Trägheit sind die Hindernisse gewesen, die ich nicht aus dem Wege räumen können. Jetzt, da ich alt und hinfällig bin, was können Sie am Abend meines Lebens von mir erwarten? Was mir in jüngern Jahren nicht gelingen wollen, wird es mir jetzt um so weniger, da ich die Welt als einen Ort ansehe, den ich nächstens verlassen muß, und mich selbst als einen, der im letzten Akte des Stücks spielt, in dem ihm das Verhängniß auf dieser lächerlichen Bühne eine Rolle zugetheilt hat. Vielleicht habe ich noch Gelegenheit, Sie diesen Winter irgendwo zu sehen, ob ich gleich nicht weiß wo, noch wann. Lassen Sie mich doch wissen, ob Sie mir zu Liebe eine kleine Reise unternehmen können, die weder lang, noch gefährlich sein soll. Leben Sie wohl. etc."

19. Oktober 1762

Der König an die Gräfin Camas :

"Gern nähme ich tagtäglich eine Festung weg, mein liebes Mütterchen, damit ich recht oft von Ihren lieben Briefen zu lesen bekäme. Aber Schwachköpfe von Commandanten bringen mich zuweilen darum auf eine schimpfliche Weise; und wenn ich einmal Kaiser habe, die mir wohl wollen, so schafft man sie gleich auf die Seite. Denken Sie Sich also die saubere Lage, in der ich mich befinde.

Wenn unser Kaiser noch lebte, würden wir diesen Winter Frieden haben, und Sie könnten mit Sack und Pack nach Ihrem sandigen Berliner Paradiese zurückkehren. Allein das Publikum, welches sich immer gern schmeichelt, hat ohne Grund geglaubt, daß der Friede der Einnahme von Schweidnitz folgen würde. Auch Sie haben vielleicht das Nämliche geglaubt, allein ich versichere Sie, so viel ich davon begreifen kann, daß unsere Feinde bis jetzt noch nicht die geringste Lust haben, sich mit mir zu vertragen. Urtheilen Sie demnach, ob es wohl gerathen sein würde, nach Berlin zurückzukehren, auf die Gefahr, bei dem ersten Schreckschusse sich nach.Spandau zu flüchten.

<187>

Sie erzählen mir von Ihrer lieben Finette, die nun auch dahin gegangen ist. Ach, mein Liebmütterchen, seit zehn Jahren beklage ich nicht mehr die Todten, aber wohl die Lebenden. Das Leben, welches wir führen, ist ein Hundeleben, und nicht eines einzigen Seufzers werth. Ich wünsche Ihnen viel Geduld, mein Gutmütterchen, und alle Wohlfahrt, welche so widerwärtige Zeitläufe nur immer zulassen mögen. Besonders wünsche ich, daß Sie Ihre gute Laune erhalten, den größten und reellsten Schatz, womit das Glück uns beschenken kann. Was mich betrifft, so wird meine alte Liebe und die Hochachtung, welche ich Ihnen gewidmet habe, sich niemals verläugnen. Ich weiß gewiß, daß Sie davon überzeugt sind. Leben Sie wohl, mein liebes Mütterchen."

22. Oktober 1762

Der König an d'Argens:

"In meines Lebens Blüthezeit gab mir
Ovid Beschäftigung; ich folgte wohl
Rinalden in Armidens Palast auch, .
Als dann zuerst mein Kinn beschattet ward,
Hatt' ich Geschmack an Sophokles, Horaz
Und Cicero. Noch reifer, forscht' ich nach
In Cäsar's Heldenpfad, in Leibnitz und
Gassendi, doch zumal in Epikur.
Jetzt, Freund, da schon der Zeit Verderberhand
Die Kraft mir raubt, das Haar mir bleicht und sagt :
Du wirst nun bald bei Deinen Ahnen sein,
Jetzt wählt' ich lasterhafte Priester mir 187-+
Zu meinem Spiel, ich habe Zeitvertreib
Bei jenen Buben in dem Bischofshut,
Die Ehrsucht bis zum Wahnsinn füllt, und bei
Der Tonsurirten Schwelgerei und Stolz.
Die spornt mich auf, da mich das Alter beugt. etc.

<188>

- etc. - Ich läugne nicht, daß es mir bei den jetzigen Umständen lieber wäre, einen guten und vortheilhaften Frieden zu machen, als ein episches Gedicht, und wenn das nicht angeht, lieber die Oestreicher tüchtig zu schlagen, als eine Ode wie Rousseau zu schreiben etc. Indeß wir müssen Geduld haben, die Mittelursachen wirken lassen; da wir bis zur ersten nicht zurückgehen können, und uns unter das Joch der Zufälle beugen, die wahrlich nicht im geringsten von unsrer Klugheit abhängen. Leben Sie wohl. etc."

30. Oktober 1762

Der König überträgt dem Herzog von Bevern den Oberbefehl über die Armee in Schlesien und geht nach Rohnstock.

31. Oktober 1762

Nach Jauer.

?? Oktober 1762

Gedicht : "Ueber die Eroberung von Schweidnitz" an d'Argens. (H. W. VII. 41).

B.

9. Oktober 1762

Die Oestreicher übergeben die Festung Schweidnitz. Sie wurde vertheidigt von dem Generalfeldzeugmeister Grafen von Guasco und dem Generalfeldmarschall und Chef der Ingenieurs von Griboval. Die Belagerung commandirte der Preuß. General von Tauenzien, und der Major le Fevre leitete als Ingenieur die Belagerungsarbeiten. Die Besatzung wurde kriegsgefangen, sie bestand außer dem Commandanten Grafen Guasco, 2 Generalen, 2 Obersten und 14 andern Stabsofficiercn, aus 218 Officieren und 8784 Mann.

14. Oktober 1762 bis 15. Oktober 1762

Gefecht bei Freiberg. Der Prinz von Stollberg verdrängt den Preuß. General von Syburg aus seiner Stellung, wobei dieser 30 Officiere und 15—1600 Mann einbüßt.

Prinz Heinrich zieht sich über Lösnitz und Klein-Waltersdorf, bei Freiberg vorbei, zurück, und nimmt sein Lager hinter Reichenbach und Klein-Voigtsberg im Amte Nossen.

16. Oktober 1762

Die Alliirten eröffnen die Laufgräben vor Cassel.

21. Oktober 1762 bis 22. Oktober 1762

Der Prinz Heinrich zieht sich noch weiter zurück und nimmt sein Lager bei Ober-Marbach und Etzdorf, wo er sich dem<189> Hülsenschen Corps nähert und die Verstärkung unter dem General Neuwied an sich zieht, während die Reichsarmee unter dem Prinzen von Stollberg das Lager bei Freiberg bezieht und es verschanzt.

28. Oktober 1762

Der Prinz Heinrich rückt wieder vor, um den Prinzen von Stollberg anzugreifen.

19. Oktober 1762

Schlacht bei Freiberg. Der Prinz Heinrich schlägt die Reichstruppen und Oestreicher unter dem Prinzen von Stollberg. Diese verloren 79 Officiere, 159 Unterofficiere und 4174 Gemeine an Gefangenen, 28 Kanonen und 9 Fahnen. Die Zahl ihrer Todten ist nicht bekannt. Der Preußische Verlust betrug ungefähr 1500 Mann. Die feindliche Armee war 49 Bataillone Infanterie und 68 Schwadronen Kavallerie stark; die Preußische nur 29 Bataillone Infanterie und 60 Schwadronen Kavallerie.

Nach dem Treffen (dem letzten in diesem siebenjährigen Kriege) nahm der Prinz Heinrich sein Lager wieder auf den Höhen von Freiberg, wo es schon vorher gestanden hatte.


187-+ Der König las um diese Zeit Fleury's Kirchengeschichte.