Anmerkungen zum Jahre 1765.
1) Dieudonné Thiébault hat unter dem Titel: Mes Souvenirs de vingt ans de séjour à Berlin, ou Frédéric le Grand, sa famille, sa cour, son gouvernement, son Academie, ses écoles, et ses amis Litterateurs, et Philosophes, ein Werk von fünf Bänden herausgegeben, welches aber, trotz des viel versprechenden Titels, von sehr geringem Werth ist, denn es enthält so viele Unrichtigkeiten, Falschheiten und offenbare Erdichtungen, daß der Geschichtsfreund, dem es um Wahrheit und Gründlichkeit zu thun ist, darin zwar vielerlei Neues, aber äußerst wenig Wahres finden wird. Man lese darüber Biester's neue Berliner Monatsschrift, Jahrg. 1804, II. S. 304 etc. Die von T h i é b a u l t erzählten vielen Geschichtchen, Klatschereien etc. konnten seinen Landsleuten, den Franzosen, die auch Alles, ohne es zu prüfen und prüfen zu können, für baare Münze annahmen, allerdings interessant und amüsant sein, daher auch das Buch in Frankreich mehrere Auflagen erlebt hat, allein bei jedem Anderen, der nur einigermaßen mit der Geschichte Friedrich's d. Gr. bekannt ist, kann eine solche Schrift nur Unwillen erregen.
Zu der unverkennbaren Leichtgläubigkeit und Leichtsinnigkeit, mit welcher Thiébault alle Stadtgespräche und Gerüchte, wie sie in Gesellschaften, Kaffeehäusern etc. coursiren, als ausgemachte Wahrheiten wiedergiebt, kommt noch hinzu, daß er seine "Souvenirs" erst zwanzig Jahre, nachdem er Berlin verlassen hatte, dem Publikum zum Besten gab, wodurch denn seine Erinnerungen nicht gewonnen haben, und durch manchen neuen willkürlichen Zusatz eigener Erfindung ergänzt worden sein mögen.
Thiébault ging 1783 mit Urlaub nach Frankreich, um daselbst einige Familienangelegenheiten zu besorgen. Er suchte nachher noch eine Verlängerung seines Urlaubs nach, statt der er aber seine gänzliche Entlassung erhielt. Er war geboren den 26. Dezember 1753 und starb Anfangs Dezember 1807, Eine Zeitlang war er Vorsteher des Lycée zu Versailles gewesen.
<265>Der allgemeinen Sage nach hat Helvetius dem Könige sehr ausführliche Mittheilungen über die im Preußischen Staat zu errichtende Regie gemacht. Die erste Idee dazu soll von dem General von Krockow hergekommen sein. Dieser, welcher früher einige zwanzig Jahre in Französischen Kriegsdiensten gestanden, hatte den König öfters von der Verwaltung des Finanzwesens in Frankreich und den Einrichtungen der dortigen Regie und Ferme unterhalten und ihn veranlaßt, über diesen Gegenstand mit Helvetius in Corresvondenz zutreten, was der König auch that, ihn auch einige Zeit nachher zu sich nach Potsdam einlud.
Claude Adrian Helvetius war im Januar 1715 zu Paris geboren. Er erhielt eine sorgfältige Erziehung, wodurch seine ausgezeichneten natürlichen Anlagen sehr glücklich ausgebildet wurden. Er wurde, wie sein Biograph sagt, ein Schüler Locke's, aber ein Schüler, wie es Aristoteles von Plato gewesen, indem er neue Entdeckungen denen seines Meisters hinzufügte. Dabei widmete er sich dem Studium der Rechte. Weil aber die Vermögensumstände seiner Eltern nur sehr mittelmäßig waren, überdies der Vater bei dem Cardinal de Fleury, damaligem Premierminister Ludwigs XV, nicht in Gunst stand, so glaubte er, daß der Sohn auf diesem Wege kein sonderliches Glück machen würde, und dies eher bei dem Finanzwesen geschehen könne, weshalb er ihn zu einem nahen Verwandten, welcher Director der Ferme zu Caen war, schickte, um sich bei diesem die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Bald nachher erhielt auch der junge Helvetius, als er erst 23 Jahr alt war, durch Vermittelung der Königin, welche seinen Eltern sehr gewogen war, die sehr einträgliche Stelle eines Generalpächters. Diese Stelle behielt er 12 Jahr, während welcher Zeit er sich bei ausgezeichneter Milde und Rechtlichkeit ein ansehnliches Vermögen erworben hatte, nun aber den Entschluß faßte, sie niederzulegen, da sie nie seinem Charakter und seinen Neigungen zugesagt, und er sie nur auf Verlangen seines Vaters angenommen hatte, Im Jahr 1751 führte er den Entschluß aus, kaufte sich aus Gefälligkeit für seinen Vater die Charge eines Haushofmeisters der Königin und verheirathete sich mit dem geistreichen Fräulein de Ligni<266>ville. Sein Vermögen verwendete er zum Ankauf eines Landguts, das er dann mit seiner jungen Gattin bezog, und sich hier nun ganz den Wissenschaften widmete. Im Jahr 1758 gab er sein Buch De l'Esprit heraus, auf welches sich das oben angeführte Urtheil Friedrich's bezieht. Während seines Aufenthalts in Potsdam beim König soll er demselben nicht nur weitere Aufschlüsse über die Französische Regie und Ferme, sondern auch über deren Einführung in den Preußischen Staat verschiedene Rathschläge gegeben, auch bei seiner Rückkehr nach Frankreich, dem vom Könige erhaltenen Auftrage gemäß, die zur Einrichtung und Leitung der Regie in Preußen erfoderlichen Hauptpersonen engagirt haben 266-+. Helvetius starb zu Paris den 26. Dezember 1771, wegen seines Charakters sowohl, als wegen seiner Gelehrsamkeit geliebt und hochgeachtet von Allen, die ihn gekannt hatten.
266-+ Nach von Beguelin (Darstellung der Akzise und Zollverfassung in den Preußischen Staaten S. 19) soll der Marquis d'Argens vom König damit beauftragt gewesen sein; es findet sich jedoch in der um diese Zeit Statt gehabten Correspondenz zwischen dem König und d'Argens kein Wort davon. Bekanntlich hat d'Argens dem Könige auf dessen Verlangen früher schon Sänger, Tänzer und andere Künstler aus Italien etc. besorgt, mit welchen er überall viel umging, aber unter den Französischen Fermiers hatte gewiß Niemand weniger Bekanntschaft, als d'Argens, der ohnehin gegen 25 Jahre außerhalb Frankreichs gelebt hatte. Es ist also wohl kein Zweifel, daß Helvetius, der selbst Fermier gewesen war, die Subjecte vorgeschlagen und empfohlen hat.