Januar 1768.

A.

1. Januar 1768

Der König in Berlin, an den Marquis d'Argens :

"Zuvörderst statte ich dem unvergleichlichen Marquis für seinen Neujahrwunsch meinen Dank ab, und da es sich für mich schlecht schicken würde, ihm etwas schuldig zu bleiben, so wird er mir erlauben, daß ich ihm dagegen die ungemeßnen Kenntnisse des Naturforschers Plinius und des Varro, die Gelehrsamkeit der Huet, Calmet, Salmasius und Scaliger, auch allezeit fertigen Citirens halber das Gedächtniß des Pic von Mirandola, und des jungen Baratier, so wie die unermüdliche Schreibseligkeit Deutscher Professoren zu Leipzig, Halle, Göttingen, Tübingen etc. dafür zurückwünschen darf. Ferner wünsche ich ihm eine Krankheit, die ihn so lange leben läßt, bis der Himmel einfällt, damit er vor seinem Ableben 367345820 Flanellkamisöler verbrauche und durch seinen Schweiß 34378 Betten, Matratzen, Zudecken etc. verderbe; desgleichen für immer die ganze Behendigkeit einer Schildkröte, den Schlaf eines Murmelthiers; überdies eine Zunge von Eisen, die sich nie abnützt, und endlich noch die Gelassenheit des Maulwurfs und die Fruchtbarkeit der Tauben,<297> damit er seine Tage in voller Gnüge des Geistes und Herzens zubringen, und seine vorige Gewogenheit gegen den alten Anbeter seiner herrlichen Eigenschaften behalten möge. etc."

7. Januar 1768

Der König an Darget :

"Ihr Brief ist mir zugestellt worden. Ich danke Ihnen für Ihre Wünsche, und glaube, daß sie aufrichtig sind. Mögen auch Sie Sich Wohlbefinden und Ihr Gesicht behalten!

Ihre Zähne fallen aus? Den meinigen geht es eben so. Alles was existirt ist Veränderungen unterworfen; also müssen Sie Sich denn in Ihr Schicksal zu finden suchen. Das Leben, mein guter Darget, ist, wenn man alt wird, ein erbärmliches Ding; man muß sich entweder entschließen, kurzweg in den Tod zu laufen, oder sich nach und nach absterben sehen. Aber bei dem Allen giebt es doch eine Art glücklich zu sein; man muß sich in Gedanken verjüngen, nicht an seinen Körper denken, bis zu Ende des Stücks frohen Muth behalten, und noch die letzten Schritte der Laufbahn mit Blummen bestreuen. Das wünsche ich Ihnen. etc."

?? Januar 1768

Der König an Voltaire :

"Ein fröhliches Neujahr dem Patriarchen von Ferney, der mir weder Prosa noch die Verse schickt, die er mir seit sechs Monaten versprochen hat etc. — Aber was hält Sie denn ab, ein Lebenszeichen von Sich zu geben? etc. 297-+."

7. Januar 1768

Der König an d'Alembert:

"Ich bin Ihnen sehr für die Wünsche verbunden, zu welchen Ihnen das Neujahr für mich Anlaß giebt. etc. — Wenn Ihnen mein letzter Brief Lachen verursacht hat, so kommt es daher, weil ich gern in die Gegenstände, die dessen fähig sind, etwas Munterkeit hineinbringe. Täglich kommt mir eine so große Menge ernsthafter und langweiliger Dinge unter die<298> Hände, daß ich mich, wo ich nur Gelegenheit dazu habe, wieder durch Sachen, die den Geist erquicken, schadlos halte. — etc. Ich mag gern die Runzeln von der Stirn der Weltweisen verscheuchen. etc. — Der Weltweise sagt : Eitelkeit der Hoheit, Eitelkeit der Philosophie; Alles ist eitel!" Nachdem der König über die Jesuiten, die Stoiker etc. gesprochen, fährt er fort und sagt : "Die erste Sekte für mich wird immer die sein, die am mächtigsten auf die Sitten wirkt, und das gesellschaftliche Leben sicherer, sanfter und tugendhafter macht. So denke ich, und mein einziger Gesichtspunkt ist die Wohlfahrt der Menschheit und der Vortheil der gesellschaftlichen Verbindungen.

Denn, ist es nicht wahr, daß die Elektricität mit allem Wunderbaren, was sie entdeckt, bis jetzt bloß dazu gedient hat, unsere Neugierde zu reizen? Ist es nicht wahr, daß die Anziehungskraft und die Schwerkraft bloß unsere Imagination in Erstaunen gesetzt haben? Ist es nicht wahr, daß bei allen chemischen Operationen der nämliche Fall sich findet? Wird aber wohl darum weniger Straßenraub begangen? etc. verläumdet man weniger? ist der Neid erstickt? ist die Hartherzigkeit dadurch erweicht? Was liegt also der menschlichen Gesellschaft an diesen Entdeckungen der Neuern, wenn die Philosophie den Theil der Moral und der Sittlichkeit vernachlässigt, worin die Alten ihre ganze Stärke setzten! Schon lange habe ich diese Betrachtungen auf dein Herzen, und ich wußte sie an Niemand schicklicher zu richten, als an einen Mann, der jetzt der Atlas der neuern Philosophie ist, der durch sein Beispiel und durch seine Schriften die Lehre der Griechen und Römer in ihrer Kraft wiederherstellen und der Weisheit ihren ehemaligen Glanz wieder schenken könnte."

18. Januar 1768

Der König an d'Argens:

"Hier haben Sie einen Aufsatz, den Sie doch wohl unterzeichnen werden, damit ich künftig meiner Sache gewiß sei. Er enthält Ihre Kapitulation oder vielmehr die abgeschlosse<299>nen Friedensartikel, kraft welcher ich bei meinen Ansprüchen gesichert und zum Besitz Ihrer Gegenwart bei meiner Abendtafel gelangen werde. Ich werde Ihnen darum nicht minder für die Ehre danken, die mir hierunter widerfahren wird, und verspreche Ihnen dafür, über Ihre witzigen Einfälle zuerst zu lachen, Aix für den schönsten Ort in Europa zu halten, zu gestehen, daß Sie die beste Wäscherin im ganzen Reiche und unter allen Gelehrten den geschicktesten Kammerdiener haben. Ich bin, mein Herr Marquis,

Ihr gehorsamster Diener
Friedrich."

23. Januar 1768

Der König nach Potsdam.


297-+ Der König schickte nachher diesen Brief nicht ab, und so blieb der Brief-wechsel mit Voltaire bis im November unterbrochen, wo ihn der letztere selbst wieder anfing.