"<40> Er drückt sich dreist aus, und behauptet Sätze, woran gottesfürchtige Seelen Anstoß nehmen können; und das ist nicht löblich. Niur durch Reflexionen und Betrachtungen wird die Wahrheit geläutert und von dem Irrthum geschieden. Wenige Personen nehmen sich Zeit zu einer Untersuchung, die so beschwerlich ist und eine ununterbrochene Aufmerksamkeit erfodert. So deutlich man ihnen auch ihre Irrthümer auseinander setzt, so glauben sie doch, man wolle sie verführen. Sie verabscheuen die Wahrheiten, die man ihnen vorträgt, und verfluchen den Mann, der es thut. Ich bin daher sehr mit der Methode zufrieden, daß man dem Aberglauben Nasenstüber giebt und ihn dabei mit Höflichkeiten überhäuft."
13. März 1771
Der König an d' Alembert :
"Um das Trockne der Philosophie bisweilen ein wenig zu erheitern, beschäftige ich mich von Zeit zu Zeit mit minder ernsthaften Gegenständen, aber da Sie mich in den geheiligten Tempel zurückfuhren, in welchem sich unsere Unwissenheit am hellsten zeigt, so folge ich Ihnen dahin.
Gleich Anfangs legen Sie mir einen fürchterlichen Gegenstand vor, nämlich: Gott, der für ein eingeschränktes Wesen, wie ich es bin, unbegreiflich ist, und von dem ich mir keine andere Vorstellung machen, keinen andern Begriff haben kann, als zufolge der Vorstellungen und Begriffe, welche mir jeder organisirte, mit Denkkraft begabte Körper giebt. Ich überschaue die gesammte Organisation dieses Weltalls, und sage zu mir selbst: Wenn du, der du nur eine Milbe bist, doch denkst, weil du Leben hast, wie sollten nicht die unermeßlichen Körper, welche in unaufhörlicher Bewegung sind, weit erhabnere Gedanken hervorbringen als du? Dies scheint mir sehr wahrscheinlich. Aber die Eitelkeit habe ich nicht, wie die alten Stoiker, mir einzubilden, unsere Seele sei ein Ausfluß des großen Wesens, mit welchem sie sich nach meinem Tode wieder vereinigen wird. Und das darum: weil Gott nicht theillar ist; weil wir närrische Streiche machen, und Gott