Januar 1774.
A.
Januar 1774
Der König in Berlin.
4. Januar 1774
Der König an Voltaire :
"Die Dame in Paris hatte in der That nicht Unrecht, und Ihre Vermuthung, daß mich Alles, was Sie so eben geschrieben haben, nicht böse machen würde, war ganz richtig 91-+. Liebe und Haß lassen sich nicht befehlen, und jeder ist in diesem Stück zu den Empfindungen berechtigt, die er nun einmal hat. Bei dem allen muß man aber doch gestehen, daß die alten Philosophen, ob sie gleich den Krieg nicht liebten, sich milder ausdrückten, als die neuern. Seitdem Racine sich des Wortes Henker in eleganten Versen bedient hat, glauben sie, es habe einen Adelsbrief erhalten, und brauchen es nun ohne weitere Umstände in ihrer Prosa. Ich gestehe Ihnen aber, daß ich eben so gern gegen das viertägige Fieber deklamiren hörte, als gegen den Krieg. Es ist verlorne Mühe. Die Regierungen lassen die Cyniker schreien, so viel sie wollen, und gehen ihren Gang fort, wie das Fieber. Am Ende kommt nichts dabei heraus, als schöne Verse. etc."
7. Januar 1774
Der König schreibt an d'Alembert, und sucht ihm seine in Betracht der Jesuiten geäußerten Besorgnisse zu benehmen, indem er sagt, daß der Pabst ihnen "die Klauen abgeschnitten habe" etc., daß sie also nicht mehr kratzen, "wohl aber die Jugend unterrichten können, wozu sie fähiger sind, als der ganze übrige Haufe der Mönchskappen." Dann sagt er weiter: "Lassen Sie uns auf mein Wort mehr die Philosophie<92> in der That zeigen und weniger metaphysiren. Gute Handlungen sind dem Publikum vortheilhafter, als die feinsten und scharfsinnigsten Systeme von Entdeckungen, in welchen sich größtentheils doch unser Geist verwirrt, ohne die Wahrheit zu fassen. Ich bin nicht der einzige Erhalter der Jesuiten; die Engländer und die Russen haben gerade das Nämliche gethan. etc.
Bei Gelegenheit von neuen Werken kann ich Ihnen sagen, daß ich das von Helvetius gelesen habe 92-+; aber aus Liebe zu ihm that mirs leid, daß es gedruckt worden. Es ist keine gesunde Logik in diesem Buche; nichts als Paralogismen, Zirkel von fehlerhaften Schlüssen, Paradorien und vollkommene Thorheiten, an deren Spitze man den Französischen Freistaat stellen muß. Helvetius war ein ehrlicher Mann, er sollte sich aber nicht in Dinge gemischt haben, die er nicht verstand.
Diderot ist in Petersburg, wo ihn die Kaiserin mit Güte überhäuft. Doch soll man an ihm einen langweiligen Schwätzer finden. etc. So viel weiß ich wohl, daß ich beim Lesen seiner Bücher nicht ausdauern kann, so ein unerschrockener Leser ich auch bin; es herrscht darin ein Ton von Selbstgenügsamkeit und von Anmaßung, der den Instinkt meiner Freiheit empört. So schrieben Aristoteles Cicero, Lukrez, Locke, Gassendi, Bayle und Newton nicht. Die Bescheidenheit kleidet Jedermann, sie ist das erste Verdienst des Weisen; mit Nachdruck muß man seine Gründe vortragen, doch nicht gebieterisch entscheiden. Aber man will wirken, man will tief einldringen; und man glaubt, um zu überreden, sei es genug, einen entscheidenden Ton anzunehmen. Dieser Ton kann wohl beim Deklamiren Dienste leisten, allein beim Lesen halt er sich nicht. Wenn man das Buch in der Hand hat,<93> so beurtheilt man die Gründe, und lacht über den emphatischen Ton. Der Verfasser prunke und brüste sich noch so sehr, man schätzt ihn, und bestimmt seine Gründe nach ihrem wahren Werthe. etc."
Der König läßt mehrere Tausend Thaler für die Armen auszahlen.
12. Januar 1774
Der König besucht die Prinzessin Amalie.
22. Januar 1774
Bei dem Prinzen Heinrich zur Tafel.
23. Januar 1774
Nach Potsdam.
24. Januar 1774
Das Geburtsfest des Königs wird in Berlin bei dem Prinzen Heinrich gefeiert.
28. Januar 1774
Der Minister von Schulenburg nach Potsdam und zurück.
Der König beschenkt den Prinzen Heinrich mit einer aus Schlesischem Chrysopas verfertigten und reich mit Brillanten besetzten Dose, den General von Ramin mit Porzellan, und den General von Lossow ebenfalls mit Porzellan und mit einer Tabatiere mit Brillanten.
91-+ In Voltaire's Satyre: die Taktik, kommt folgende Stelle vor :
Die Helden all' haß' ich, vom großen Cyrus an,
Zum großen König hin, der Lentulus erzog.
Man rühme mir denn auch, was sie Erhab'nes thun.
Sie alle flieh' ich weit; zum Teufel wünsch' ich sie."
92-+ De l'homme, de ce facultés et de son éducation.