Juli.
A.
Juli 1775
Der König in Potsdam und in Sanssouci.
10. Juli 1775
Die Prinzessin Amalie und die Gemalin des Prinzen Ferdinand zum König nach Potsdam (Sanssouci), wohin sich auch der König begeben hatte.
11. Juli 1775
Der Prinz Friedrich von Braunschweig mit Gemalin, der Prinz Ferdinand, Bruder des Königs, die regierende Landgräfin von Hessen-Kassel, der Prinz Friedrich Ludwig von Würtemberg, die Gemalin des Herzogs Eugen von Nürtemberg (Tochter des Markgrafen Friedrich Wilhelm<120> von Brandenburg-Schwedt) zum König nach Sanssouci. Hier wurden große Feste veranstaltet, und zu den zu gebenden Opern war der berühmte Schauspieler Le Kain aus Paris angelangt. Zu gleicher Zeit befanden sich auch in Potsdam die Generale von Prittwitz, von Lentulus etc., der Abt Bastiani, der Herzog Hamilton mit dem Dr. Moore aus England etc., welche alle an den Festen Theil nahmen, so wie der Prinz und die Prinzessin von Preußen, welche bekanntlich stets in Potsdam wohnten. Die Königin, die verwittwete Prinzessin von Preußen und die Gemalin des Prinzen Heinrich blieben in Berlin.
12. Juli 1775
Der König an Voltaire: "Sie glauben also, mein lieber Patriarch, ich habe immer den Degen gezogen? und doch fand mich Ihr Brief mit der Feder in der Hand, weil ich damit beschäftigt bin, gewisse alte historische Nachrichten 120-+ zu verbessern, die Sie ehemals, wie Sie Sich vielleicht noch erinnern, sehr incorrect gesehen haben. Ich lecke meine Jungen, um ihre Gestalt zu vollenden. Dreißig Jahre später ist es noch schwerer, sich zu befriedigen. Obgleich dies Werk dazu bestimmt ist, auf immer in irgend einem staubichten Archiv begraben zu bleiben, so wollte ich denn doch nicht gern, daß es schlecht geschrieben wäre. etc.
Wie mich dünkt, macht die Vernunft in Deutschland weit schnellere Fortschritte, als in Frankreich. Der Grund hiervon scheint mir darin zu liegen, daß die vielen einzelnen katholischen Geistlichen und Bischöfe in Deutschland sich nach und nach ihrer abergläubischen Gebräuche schämen. In Frankreich hingegen macht die Geistlichkeit ein besonderes Corps im Staate aus, und jede große Gesellschaft bleibt ja bei den alten Gebräuchen, selbst wenn sie einsieht, wie schädlich sie sind. etc.
<121>Ich habe das ganze Haus voll Nichten und Neffen, und muß ihnen Schauspiele geben, damit ich sie für die Langeweile entschädige, die ihnen die Gesellschaft eines alten Mannes vielleicht verursacht. Man muß sich Gerechtigkeit widerfahren lassen, und sich der Jugend erträglich zu machen suchen. etc."
15. Juli 1775
Im neuen Schloß in Sanssouci Trauerspiel : Oedip (v. Voltaire).
16. Juli 1775
Trauerspiel: Mahomet (von Voltaire).
18. Juli 1775
Oper: Parthenope.
19. Juli 1775
Trauerspiel: Zaire von Voltaire.
20. Juli 1775
Oper : Parthenope.
21. Juli 1775
Oedip.
22. Juli 1775
Große Tafel in Sanssouci und Abreise der fremden Herrschaften.
24. Juli 1775
Der König an Voltaire:
- etc. - "Le Kain 121-+ hat den Oedip, den Mahomet und den Orosman gespielt. Dieser Schauspieler ist sehr geschickt etc., aber soll ich Ihnen aufrichtig sagen, was für Eindruck er auf mich gemacht hat? Ich wünschte, er übertriebe etwas weniger, dann, dünkt mich, würde er vollkommen sein. etc. Ich sehe bei diesem Urtheil auf die Natur, und nicht auf das, was vielleicht in Frankreich gebräuchlich sein mag, indeß habe ich mich weder im Oedip, noch in der Zaire der Thränen enthalten können, etc. O, wie nützlich sind doch die schönen Wissenschaften für die Menschheit! sie geben Erholung nach den Arbeiten des Tages, zerstreuen auf eine angenehme Art die politischen Dünste, die den Kopf einnehmen, machen den Geist milder, geben sogar dem weiblichen Geschlechte Vergnügen, trösten die Betrübten und sind endlich die einzigen<122> noch übrigen Freunde für den der sich schon unter der Last des Alters krümmt, und sich dann glücklich schätzt, daß er ihnen in seiner Jugend Geschmack abgewonne hat.
Meine Landsleute haben den Ehrgeiz, daß sie nun auch ihrerseits des Vortheils, den die schönen Künste gewähren, genießen wollen, und geben sich Mühe, Athen, Rom, Florenz und Paris zu erreichen. So sehr ich auch mein Vaterland liebe, so kann ich doch bis jetzt nicht sagen, daß es ihnen damit gelingt. Es fehlt ihnen an zwei Stücken: an einer guten Sprache und an Geschmack. Das Deutsche ist zu weitschweifig, und in guten Gesellschaften spricht man Französisch. Einige Magisterchen und Professoren sind nicht im Stande, der Sprache die Feinheit und die leichten Wendungen zu geben, die sie nur im Umgange der großen Welt erhalten kann. Dazu kommt noch die Verschiedenheit der Dialekte. Jede Provinz hat ihren eigenen, und es ist noch nicht ausgemacht, welcher den Vorzug verdient.
Besonders aber fehlt es den Deutschen an Geschmack. Sie können bis jetzt die Schriftsteller aus dem Jahrhumdert des Augustus noch nicht Nachahmen, und machen eine fehlerhafte Mischung von dem Römischen, Englischen, Französischen und ihrem eigenen Nationalgeschmack. Es fehlt ihnen noch an der feinen Unterscheidungskraft, die alle Schönheiten auffaßt, welche sie nur findet, um das Mittelmäßige von dem Vollkommenen, das Edle von dem Erhabenen zu unterscheiden und jedes an den schicklichsten Platz anzubringen weiß. Ob sie gleich viele R in ihrer Sprache haben, so halten sie ihre Verse doch für harmonisch; und gewöhnlich sind diese nichts als ein Galimatias von hochtrabenden Worten. In der Geschichte würden sie ja nicht den kleinsten Umstand auslassen, wenn er auch völlig unnütz wäre.
Die besten Werke haben sie noch im Fache des Staatsrechts. Mit der Philosophie giebt sich seit Leibnitzen's Genie und Wolf's dicker Monade Niemand mehr ab. Sie<123> glauben in der dramatischen Kunst Glück zu machen; aber bis jetzt ist noch kein Meisterstück zum Vorschein gekommen. Deutschland ist jetzt in diesem Fache gerade so weit, als Frankreich unter der Regierung Franz I 123-+. Der Geschmack an den Wissenschaften fängt an sich zu verbreiten, und man muß, nun erwarten, daß die Natur wahre Genies hervorbringen werde, wie unter Richelieu's und Mazarin's Ministerium 123-+. Der Boden, der einen Leibnitz hervorgebracht bat, kann auch wohl mehr seiner Art liefern. Ich werde die schönen Tage meines Vaterlandes nicht erleben; indeß sehe ich voraus, daß sie möglich sind. etc. 123-++.
?? Juli 1775
Der Englische Lord Dalrymple beim König.
29. Juli 1775
An diesem Tage erschoß sich in Sanssouci der Kammerhussar des Königs, Deesen (s. Moore's Abriß des gesellschaftlichen, Lebens etc. Seite 389, 390) und Nicolai's Anekdoten Heft, 2. Seite 218), weil ihn der König gewisser Vergehen wegen entlassen und zum Trommelschläger beim Regiment Garde machen wollte.
120-+ Geschichte meiner Zeit.
121-+ Dieser berühmte Schauspieler verdankte seine Ausbildung dem Herrn von Voltaire. Die Geschichte derselben findet man in Condorcet's Leben Voltaire's, S. 517, zugleich auch einige merkwürdige Nachrichten über Voltaire.
123-+ 1515-1547!
123-++ 1624-1660.