Januar 1777.
A.
Januar 1777
Der König in Potsdam, sendet an den Polizei-Präsidenten Philippi in Berlin, wie alljährlich, eine große Summe Geldes für die Armen, und befiehlt durch eine Kabinetsordre demselben die zweckmäßige Vertheilung derselben an wahre Dürftige und Kranke.
7. Januar 1777
Der König langt in Berlin an und besucht die Prinzessin Amalie in ihrem Palais in der Wilhelmsstraße. Mittags<158> beim König große Cour und Tafel. Der Prinz und die Prinzessin von Preußen aber speisten bei der Königin. Dem König war auch der Fürst-Bischof von Krasicky von Potsdam nach Berlin gefolgt.
18. Januar 1777
Feier des Geburtsfestes des Prinzen Heinrich. Beim König große Cour, alsdann Tafel bei der Königin, wo der König und der ganze Hof vom goldenen Service speisen.
19. Januar 1777
Der König nach Potsdam. Während seines Aufenthalts in Berlin hatte er, wie gewöhnlich, die Wachtparaden an den sogenannten Geldtagen und auch oft außerdem besucht.
25. Januar 1777
Das Geburtsfest des Königs wird in Berlin bei der Königin gefeiert.
25. Januar 1777
Der König an d'Alembert:
- etc. - "Alles, was Voltaire begegnet 158-+, bringt mich auf eine Bemerkung, die leider ziemlich wahr ist; nämlich : daß man oft einen sehr unbedachtsamen Wunsch thut, wenn man seinen Freunden ein langes Leben wünscht. Wäre Pompejus in Tarent gestorben, wo er von einem hitzigen Fieber überfallen ward, so wäre er mit seinem ganzen Ruhm begraben worden, und hätte nicht den Untergang seiner Republik gesehen. Wäre der berühmte Swift zur rechten Zeit gestorben; so hätten ihn seine Bedienten nicht für Geld gezeigt, als er blödsinnig ward. Wäre Voltaire im vergangenen Jahre gestorben; so hatte er nicht alle die Kränkungen erfahren, über die er sich so bitter beklagt. Wir wollen also das Ungewisse Schicksal schalten lassen, und, ohne uns um die Dauer unsers Lebens zu bekümmern, uns mit dem Wunsche begnügen, daß es glücklich sein möge. etc."
In diesem Monat war auch der Abt Bastiani beim König in Potsdam, ging mit ihm nach Berlin und wieder nach Potsdam zurück.
<159>Februar.
A.
Februar 1777
Der König in Potsdam.
10. Februar 1777
Der König an Voltaire:
- etc. - "Ich bin unwillig und aufgebracht über die Elenden, die das Ende Ihres Lebens verbittern etc. - welcher Franzose wird in der Folge seine Talente dem Ruhm eines Volks widmen wollen, das seine großen Männer verkennt und sie bestraft, anstatt sie zu belohnen. Ich nehme Verfolgung des Verdienstes zu Herzen, und eile ihm zu Hülfe, selbst wenn es sich am andern Ende der Erde befände. etc.
So wie es nun einmal in der Welt geht, werden die Abergläubischen immer über die Philosophen siegen; denn der Kopf des großen Haufens ist nicht kultivirt und denkt nicht richtig oder mathematisch. Das Volk weiß, daß Jemand, den man beleidigt hat, sich durch Geschenke wieder versöhnen läßt, nun glaubt es, mit der Gottheit sei es eben so. etc."
20. Februar 1777
Der König befiehlt mittelst Kabinetsordre, daß alle Bauern, und Kossäthengüter auf den Königlichen Acmtern erbliche und eigenthümliche Besitzungen sein solle".
März.
A.
März 1777
Der König in Potsdam.
7. März 1777
Der König an d'Alembert: "Die Arzeneien der Seele, mein lieber Anaxagoras, wirken langsam, im Verhältnis) zu der Heftigkeit der Krankheit, deren Anfall Sie empfunden haben. Ihre Genesung kann noch nicht schneller fortgerückt sein, als sie es ist. Sie müssen fortfahren, Sich des Heilmittels der Geometrie zu bedienen; und damit wollen wir die Bewegung der Reise und die Zerstreuung verbinden, welche die neuen und abwechselnden Gegenstände Ihnen verschaffen werden, und so wird<160> nach und nach die Ruhe in Ihrer Seele wieder hergestellt werden, nicht zwar in dem Grade, daß das theure Andenken desjenigen, was Ihnen so lieb war, ausgelöscht würde, aber wohl bis dahin, Ihnen das Leben erträglich zu machen. Wenn man noch in der Blüthe der Jahre ist, so ersetzt man den Verlust seiner Freunde durch neue Bekanntschaften; wer aber, gleich uns, sich von der Last der Jahre gebeugt fühlt, der schließt nicht mehr leicht ueue Freundschaften, weil das Band derselben nur in sofern innig fest geknüpft wird, als man von gleichem Alter ist, und als Gesinnungen, Neigungen und Geschmack zusammtreffen. Die neue Generation hat ganz andere Schattirungen, als die unsrige; und überdies stimmen die Neigungen einer muntern Jugend nicht zu dem Phlegma, welches den Alten mehr oder weniger anhängt. Wir müssen uns also darauf einschränken, Bekanntschaften zu machen, und auf das Band neuer Freundschaften Verzicht thun. etc. - Man muß sich nichts zu sehr zu Herzen nehmen, was man nicht ändern kann; unsere Anfälle reden unserer Unbeständigkeit das Wort; man muß den Gedanken au dieselben schwächen, und sie, wo möglich, ganz vergessen. etc."
26. März 1777
Der König schreibt an Voltaire. Der größte Theil des Briefes enthält Bemerkungen über Frankreichs schlechte Finanzverwaltung. "Anstatt, daß man sagen sollte : Ich habe so und so viel Einkünfte und kann so und so viel davon ausgeben, sagt man : ich brauche so und so viel, macht Quellen ausfindig!" - große Schuldenlast, bevorstehender Staatsbankerott, der nur in sofern zu billigen, als er das einzige Rettungsmittel sei, und als man von zwei Nebeln das kleinste wählen müsse. etc.
Der Prinz Friedrich von Braunschweig, der General von Buddenbrock und der Landschafts-Director von Arnim an verschiedenen Tagen beim König in Potsdam.
<161>April.
A.
April 1777
Der König in Potsdam und in Sanssouci.
7. April 1777
In Berlin, besucht die Prinzessin Amalie, und den von einer Krankheit (die ihn, als er zu einem Besuch in Braunschweig war, befallen hatte) genesenen Prinzen Heinrich, dann giebt er dem Englischen Gesandten Elliot Antrittsund dem Sächsischen Gesandten von Stutterheim Abschiede-Audienz.
8. April 1777
Nach Potsdam.
B.
3. April 1777
Stirbt in Friedeberg i. d. Neumark der Gen.-Major Achatz Heinrich von Alvensleben, 62 Jahr alt.
26. April 1777
Stirbt in Tangermünde der General-Major L. S. von Manstein, 60 Jahr alt.
Mai.
A.
Mai 1777
Der König in Potsdam (Sanssouci).
9. Mai 1777
Ueber Charlottenburg nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie und den Prinzen Heinrich, besieht den Bau der Bibliothek und geht nach Charlottenburg.
10. Mai 1777
11. Mai 1777
Von Charlottenburg nach dem Berliner Thiergarten, wo er über die daselbst aufmarschirten Regimenter Specialrevue hält und am letztern Tage nach Potsdam geht.
19. Mai 1777
In Spandau und Charlottenburg.
20. Mai 1777 bis 23. Mai 1777
In Berlin große Revue. Nach deren Beendigung schenkt der König dem General von Ramin 7000 Thlr., jedem Commandeur der Berliner Regimenter 1000 Thlr., und den Commandeurs der zweiten Bataillone jedem 500 Thlr.
23. Mai 1777
Nach Potsdam.
26. Mai 1777
Nach Cörbelitz bei Magdeburg zur Revue.
28. Mai 1777
Durch Magdeburg nach Potsdam.
<162>29. Mai 1777
In Potsdam.
?? Mai 1777
Der Erbprinz von Braunschweig und der Prinz von Holstein-Beck in Potsdam beim König.
Juni.
A.
1. Juni 1777
Der König in Potsdam (Sanssouci), an d'Alembert :
"Es thut mir leid zu erfahren, in welcher Zerrüttung Ihre Gesundheit ist; für mich kommt dies sehr zur unrechten Zeit, da ich mich schon auf das Vergnügen gefreut hatte, Sie wiederzusehen. etc. Vor einigen Tagen las ich ein Werk von einem gewissen de l'Isle: "die Philosophie der Natur." Ich fand gute Sachen darin, neben einigen leeren Ideen; aber nicht so viel Methode, als man wohl in einem philosophischen Werke wünschen sollte. Ihre Priester, sagt man, sind wider den Verfasser ganz wüthend, und er sei aus Frankreich verwiesen worden; eine Strenge, die wahrlich sein Buch nicht verdiente. etc."
2. Juni 1777
Der König nach der Neumark, Pommern und Westpreußen zu den gewöhnlichen alljährlichen Musterungen.
In seiner Begleitung befand sich auch der in Französischen Diensten stehende General, Marquis von Jaucourt.
3. Juni 1777
In Stargard, von da nach einigen Tagen weiter nach Westpreußen, Mockerau etc.
15. Juni 1777
In Potsdam. Der König bestätigt das Kur- und Neumärkische Ritterschaftliche Credit-Reglement.
16. Juni 1777
Die sämmtlichen Minister aus Berlin zum König nach Potsdam.
23. Juni 1777
Der König an d'Alembert:
- etc. - "Herr von Jaucourt, ein Verwandter des Encyclopädisten, ist nach Magdeburg gekommen, um die Kriegsübungen zu sehen; seit langer Zeit habe ich keinen liebenswürdigern Franzosen gesehen, er besitzt Kenntnisse etc. Eine seiner Verwandtinnen hat meine Schwester in Schweden und<163> noch eine meiner Schwestern, die todt ist, erzogen. Er hat mich bis nach Pommern begleitet. etc."
In diesem Briefe spricht der König auch vom Kaiser Jo seph, der um diese Zeit eine Reise nach Frankreich machte, und zwar unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein. Unter andern sagt er: "Daß er (der Kaiser) in Paris so vielen Beifall gefunden, wundert mich gar nicht. Er besitzt Verstand, ist leutselig und wünscht sich zu belehren; und befand sich in einem Lande, wo unendlich viele Dinge zu bewundern sind. Sein Beifall war die Wirkung seiner Veurtheilungskraft, nicht aber einer Unwissenheit, die beim Anblick neuer Gegenstände in Erstaunen geräth. etc. Wenn sich seine Frau Mutter in das Land begiebt, aus welchem man nie zurückkehrt, so wird er nicht säumen, Aufsehen zu machen.
Noch eins. Grimm geht bald hier durch, um sich nach Frankreich zu begeben, von wo er wieder nach Rußland zu rückkehren wird. Wenn er die Welt nicht kennen lernt; so lernt es Niemand. Nur Schweden und Grönland muß er noch sehen, dann ist er überall gewesen. Ich belehre mich lieber in meinem Kabinet, statt so viel in der Welt herumzustreifen. Die Menschen gleichen sich überall in den verschiedenen Ländern; sie haben immer die nämlichen Leidenschaften, freilich einige mehr, die andern weniger. Aber das läuft ungefähr auf Eins hinaus, und die Verschiedenheit der Sitten und Gebräuche kann man eben so gut durch Lesen als durch Sehen kennen lernen, bloß die Anaxagorasse sind der Mühe werth, sie aufzusuchen. etc."
?? Juni 1777
Die Generale von Buddenbrock, von Krockow, von Prittwitz und der Minister von Finkenstein an verschiedenen Tagen beim König, desgleichen der zum Staats-Minister und Ober-Kammerherrn ernannte Graf von Osten, genannt Sacken.
<164>Juli.
A.
Juli 1777
Der König in Potsdam (Sanssouci).
9. Juli 1777
Der König an Voltaire :
- etc. - "Für das schöne politische Project, das Sie mir mitgetheilt haben, danke ich Ihnen; es ließe sich ausführen, wenn ich zwanzig Jahre alt wäre. Der Papst und die Mönche werden ohne Zweifel ein Ende nehmen, aber die Vernunft wird ihren Fall nicht bewirken. Vielmehr werden sie in dem Verhältnisse zu Grunde gehen, wie die Finanzen der großen Fürsten in Unordnung kommen. In Frankreich wird man, wenn alle Mittel, Geld zu bekommen, erschöpft sind, genöthigt sein, Abteien und Klöster zu secularisiren, dies Beispiel wird Nachahmer finden, und die Menge von Cuculatis wird auf eine sehr kleine Anzahl eingeschränkt werden. In Oestreich wird man durch eben dieses Geldbedürfniß auf den Gedanken gerathen, seine Zuflucht zu der leichten Eroberung der Staaten des heiligen Stuhls zu nehmen. Man wird dem heiligen Vater eine große Pension aussetzen. Aber wie wird es dann weiter gehen? Frankreich, Spanien, Portugal, mit einem Wort alle katholischen Mächte, werden keinen Statthalter Jesu Christi anerkennen wollen, der unter dem Kaiserlichen Hofe steht; jede wird einen Patriarchen in ihrem eigenen Lande ernennen, man wird National-Concilien zusammenberufen, und nach und nach wird sich jeder von der Einen Kirche trennen. etc. Da ich keinen Termin für die Erfüllung dieser Prophezeiung bestimme; so kann mir Niemand Verweise darüber geben, indeß ist es sehr wahrscheinlich, daß es mit der Zeit so gehen wird, wie ich es schildere. etc."
Dann spricht der König noch (in einem Gedicht) über die Abnahme seiner geistigen und physischen Kräfte etc., und sagt dann: "Alle diese Abwechselungen treffen den gewöhnlichen<165> Haufen der Menschengattung, doch nicht den göttlichen Voltaire. Er ist wie Sara, die noch in einem Alter von 160 Jahren den Arabischen Königen den Kopf verdrehte. Sein Geist verjüngt sich, anstatt zu veraltern. etc." Auch hatte der König noch ein Gedicht: "der Traum," beigelegt, welches noch nicht aufgefunden worden. In Villaume's Besitz befand sich eine Schrift unter dem Titel : Rêve.
29. Juli 1777
Der König ertheilt dem Prinzen Friedrich (nachher König Friedrich Wilhelm III) das Patent als Fähnrich.
?? Juli 1777
Der König ernennt den bisherigen Feldwebel beim ersten Bataillon Garde, Premier-Lieutenant von der Armee, Herrn Adriani 165-+ zum Oberkastellan zu Berlin.
?? Juli 1777
Der Minister von Finkenstein, die Generale von Prittwitz und von Krockow, desgleichen der Sächsische Gesandte von Sinzendorf etc. bei dem König in Potsdam.
August.
A.
August 1777
Der König in Potsdam (Sanssouci).
13. August 1777
An Voltaire :
"Ich erhalte Ihre beiden allerliebsten Briefe den Tag vor meiner Abreise nach Schlesien und eile Ihnen darauf zu antworten. Da die Orakel Anfangs in Versen ertheilt worden sind, so glaubte ich, Apoll inspirire alle Dichter, aber das ist nur bei Leuten wie Voltaire und Virgil der Fall, und die Obotritischen Poeten prophezeihen, wie es mir öfters<166> gegangen ist, nicht richtig 166-+. Nun desto schlimmer für den Kaiser, wenn er Sie nicht besucht hat. Seehäfen, Schiffe, Arsenale etc. findet man allenthalben, aber unser Jahrhundert hat nur einen Voltaire hervorgebracht. Wer ihn nun hören konnte und es nicht that, der wird es ewig zu bedauern haben. Doch - ich weiß von guter Hand aus Wien, daß die Kaiserin ihrem Sohne verboten hat, den alten Patriarchen der Toleranz zu besuchen. Die Schweizer handeln weislich, daß sie ihre Gesetze verbessern, wenn sie zu streng sind. Bei uns ist es schon geschehen. Auch ich habe zu meiner eigenen Belehrung über diesen Gegenstand nachgedacht, und sogar eine Kleinigkeit über die Regierung hingeworfen 166-++, die ich Ihnen bei meiner Zurückkunft unter dem Siegel der Verschwiegenheit schicken werde. Wenn es darauf ankommt, etwas zum öffentlichen Besten und zu den Fortschritten der Vernunft beizutragen, werde ich immer mit Vergnügen bereit sein. Die Bank wird Ihnen über Neuchatel das Geld schikken, das zu dem von den Herren Schweizern ausgesetzten Preise nöthig ist. Jedermann muß sich für das Wohl der Menschheit interessiren. etc.
Ich reise nach Schlesien und werde mich da mit der Justiz beschäftigen, über die man ohne Unterlaß wachen muß. Auch habe ich dort Finanzeinrichtungen zu treffen, Urbarmachungen zu untersuchen, Handelsangelegenheiten zu entscheiden, Truppen zu besehen, und Unglückliche zu trösten. etc."
13. August 1777
Der König an d'Alembert :
"Ich fange meinen Brief mit Versen von Chaulieu an, die für Greise von unserm Alter lehrreich sind:
"So streu' ich, frei von Gram und Düsterheit -
Dem Todesgift, das langsam mir den Rest
<167>Des Lebens tobtet - manche Blume denn
Noch auf den kurzen Pfad, der übrig ist."
Wenn man so denkt, so zertheilen sich die Gewölke des Geistes, und eine sanfte Stille folgt auf die Bewegungen, die uns erschüttern.
Ich höre, daß der Graf von Falkenstein (der Kaiser) Häfen, Zeughäuser etc., aber Voltaire'n nicht gesehen hat etc. Zufolge gewisser Anekdoten, die mir bekannt geworden sind, glaube ich, daß eine gewisse sehr unphilosophische Dame Theresia ihrem Sohne verboten hat, den Patriarchen der Toleranz zu sehen. - Was der Kaiser Gutes an sich hat, das hat er von sich selbst; seine eigene Anlage und sein eigenthümlicher Charakter haben seine Erziehung vollkommen gemacht. Der Feldmarschall Bathiani, der ihn gebildet hat, und den ich sehr genau gekannt habe, war ein würdiger Mann und fähig, einem jungen Prinzen gute Grundsätze beizubringen. Ich sage es noch einmal: Helvetius hat Unrecht in seinem Werke: "über den Geist," wenn er behauptet, die Menschen würden ungefähr alle mit den nämlichen Talenten geboren. Dem widerspricht die Erfahrung. Die Menschen haben bei ihrer Geburt einen unauslöschlichen Charakter an sich; die Erziehung kann Kenntnisse verschaffen und dem Zögling Scham über seine Fehler einflößen; aber niemals wird sie die Natur der Dinge ändern. Die Grundlage bleibt, und jedes Individuum trägt den Urstoff seiner Handlungen in sich. Und das muß auch so sein, weil wir ewige Gesetze entdecken; wäre es denn wohl wahrscheinlich, sobald irgend etwas in dem Weltall genau bestimmt ist, daß nicht alles es sein sollte? Ich weiß, daß ich eine große Frage auswerfe ; aber ich wende mich auch damit an den weisesten Philosophen der Gallier, ihm kommt es zu, sie aufzulösen.
Sie wollen wissen, wie ich von dem Betragen der Engländer denke? Gerade wie das Publikum. Daß sie nämlich wider die Redlichkeit gesündigt haben, indem sie ihren Ko<168>lonien den Vertrag nicht so hielten, wie sie ihn mit denselben geschlossen hatten. etc."
Dann äußert der König noch seine Meinung dahin, daß es zwischen England und Frankreich zum Krieg kommen, Letzteres vielleicht sich wieder in den Besitz von Canada setzen werde, und die Kolonien sich wahrscheinlich unabhängig machen werden. etc.
14. August 1777
Der König nach Schlesien; in seinem Gefolge befanden sich unter andern auch der Graf von Hord, Gouverneur der Festung Spandau, die Prinzen von Würtemberg und von Holstein-Beck.
26. August 1777
Der König kommt von Neisse in Breslau an.
29. August 1777
Nach dem Hauptquartier Poln. Neudorf.
?? August 1777
In Potsdam beim König waren in diesem Monat: der Russische Gesandte am Englischen Hofe Graf Muschin Puschin, der Minister von Finkenstein und die Generale von Buddenbrock und von Prittwitz.
B.
13. August 1777
Stirbt zu Busow der General-Lieutenant Otto von Schwerin, 76 Jahr alt.
14. August 1777
Stirbt in Berlin der General Karl Wilhelm von Dieskau von der Artillerie.
September.
A.
1. September 1777
2. September 1777
Der König bei den Kriegsübungen im Hauptquartier Poln. Neudorf bei Breslau.
2. September 1777
Rückreise nach Potsdam. Ankunft in Sagan. Hier schenkt er dein Papiermüller Altmann zum Wiederaufbau seiner abgebrannten Mühle 1816 Thlr.
3. September 1777
Ueber Christianstadt und Forste, wohin ihn eine Abtheilung des Sächs. Chevauxlegers-Regiments und die Gräfl. Brühlsche Jägerei begleitete.
<169>4. September 1777
Ankunft in Potsdam (Sanssouci).
5. September 1777
Der König an Voltaire :
- etc. - "Ich komme aus Schlesien zurück, wo ich sehr zufrieden gewesen bin. Der Ackerbau macht dort gute Fortschritte, und die Manufakturen gedeihen. Wir haben für fünf Millionen Leinwand und für eine Million zwei Mal hundert tausend Thaler Tuch an Ausländer verkauft. Man hat in den Gebirgen eine Kobaltmine entdeckt 169-+, durch die ganz Schlesien mit diesem Material versehen wird, wir machen Vitriol 169-++, der so gut ist, als der fremde, und ein Mann von sehr vieler Industrie verfertigt Indigo 169-+++, der dem Indischen nichts nachgiebt. Man verwandelt mit Vortheil Eisen in Stahl, und zwar auf eine viel einfachere Art, als Reaumur vorschlagt. Unsere Bevölkerung hat sich seit dem Jahre 1756, worin der Krieg ausbrach, um 180,000 Seelen vermehrt. Kurz, alle Plagen, welche dieses arme Land zu Grunde gerichtet hatten, sind nun so gut als gar nicht dagewesen, und ich empfinde, offenherzig gestanden, ein süßes Vergnügen darüber, daß ich eine so tief heruntergebrachte Provinz wieder emporgebracht habe. Durch meine Beschäftigungen bin ich indeß nicht abgehalten worden, Papier mit meinen Ideen zu verderben. Um die Mühe des Abschreibens zu ersparen, habe ich sechs Exemplare von diesen Träumereien drucken lassen 169-† und schicke Ihnen eins davon. Aus<170> Mangel an Zeit konnte ich nur eine Skizze entwerfen, sie hätte weitere Ausführung nöthig, wahre Gelehrte müssen nun die letzte Hand daran legen. Die Herren Encyclopädisten werden vielleicht nicht immer meiner Meinung sein. Nun, Jedermann kann die seinige haben; wenn indeß die Erfahrung die sicherste Führerin ist; so sage ich ganz dreist, daß meine Behauptungen wahr sind, da sie sich bloß auf das, was ich gesehen liabe, und auf meine Reflectionen gründen. etc."
8. September 1777
8 Die Minister von Schulenburg, von Gaudi und von Heinitz beim König in Potsdam. Letzterer war aus Sächsischen in Preußische Diensie getreten und Tags vorher zum Minister ernannt worden.
27. September 1777 bis 29. September 1777
Kriegsübungen bei Potsdam.
?? September 1777
Der König überschickt auch an d'Alembert durch den Oberst Grimm, der in Potsdam war, ein Exemplar seiner Schrift über Regierungsformen. Der Brief ist bloß "September" überschrieben. H. W. XI. 238.
Dem Obersten von Holzendorf von der Artillerie schenkt der König ein schönes Pferd mit Sattel nnd Zeug.
Um diese Zeit war, außer Grimm, auch de Rulhiere, Sekretair des Französischen Ministers Breteuil, beim König.
B.
10. September 1777
Stirbt der Graf Wilhelm Friedrich Ernst von Schaumburg-Lippe-Bückeburg, 53 Jahr alt. Während des siebenjärigen Krieges kommandirte er als Englischer General-Feldzeugmeister bei der alliirten Armee. S. oben III. Abtheilung S. 305.
24. September 1777
Wurde der neue Kirchhof der Katholiken in Berlin vor dem Oranienburger Thor eingeweiht.
25. September 1777
Stirbt in Berlin der berühmte Philosoph und Mathematiker Johann Heinrich Lambert, welchen der König 1764 aus Leipzig, als Oberhofbaurath und Mitglied der Akademie, nach Berlin berufen hatte.
<171>Oktober.
A.
Oktober 1777
Der König in Potsdam (Sanssouci).
5. Oktober 1777
Der König an d'Alembert :
- etc. - "Der Oberst Grimm ist hier durchgegangen, und ich habe ihm ein anderes Gekritzel 171-+ mitgegeben, das ernsthafter als mein Traum ist, und das ich dem Urtheil der Philosophie unterwerfe, welche allein berechtigt ist zu unterscheiden, ob die Menschen richtig oder falsch schließen. Vielleicht halten Sie mich für einen entsetzlichen Papierverderber. Sie werden Sich aber weniger darüber wundern, wenn Sie bedenken wollen, daß ich gewohnt bin, schriftlich zu meditiren, um mich selbst zu corrigiren. Ich befinde mich wohl dabei, weil man seine Betrachtungen vergessen kann, das aber wies derfindet, was man zu Papier gebracht hat.
Frohe Laune, lieber Freund! das ist das beste Erleichterungsmittel, die Bürde des Lebens zu ertragen. Ich sage nicht, daß mau stets Herr darüber sei, sich diese Gemüthsstimmling zu verschaffen; doch wenn man über das Ungemach leicht wegschlüpft, und dem Democrit nachahmt, so kann man über Manches sich lustig machen, was einem Misanthropen schmacklos scheinen würde. etc.
Sie erwähnen einer Aufgabe, die ich der Akademie vorlegen soll. Ach, wir haben nur noch neulich den guten Lambert, eins unserer besten Mitglieder, verloren. Ich weift nicht, wer die Frage: ist es erlaubt, den Menschen zu täuschen? ausarbeiten könnte. Beguelin, glaube ich, wäre allein im Stande, die Frage philosophisch zu behandeln. Ich werde sehen, wie sich das einrichten läßt. Befragen wir<172> die Sekte der Akataleptiker, so müssen wir zugeben, daß der größte Theil der Wahrheiten den. Blick der Menschen undurchdringlich ist, daß wir uns gleichsam in einem dicken Nebel von Irrthümern befinden, der uns das Licht ans immer entzieht. Wie kann denn ein Mensch - außer einigen mathematischen Wahrheiten - versichert sein, seines Gleichen nicht zu betrügen, da er selbst betrogen worden ist? Jeder Mensch, der mit Vorsatz das Publikum, um eigenes Vortheils willen, oder aus einer ihn selbst betreffenden Absicht, hintergehen will, ist unstreitig strafbar; aber ist es nicht erlaubt, die Menschen zu täuschen, wenn man es zu ihrem Besten thut? Z. B. eine Arzenei, die dem Kranken zuwider ist, zu verkleiden, damit er sie einnehme, weil sie das einzige Mittel ist, ihn gesund zu machen? oder den Verlust einer großen Schlacht geringer vorstellen, um nicht eine ganze Nation muthlos zu machen? oder endlich ein Unglück, eine Gefahr zu verhehlen, die Jemanden zu sehr rühren könnte, wenn man sie ihm geradezu ankündigte, um Zeit zu gewinnen, ihn darauf vorzubereiten? Ist die Rede von der Religion, so geben alle Nachrichten, die vom Alterthum auf uns gekommen sind, zu erkennen, daß sich der Ehrgeiz derselben bedient hat, um sich empor zu schwingen. Muhamed und so viele andere Secten bestätigen diese Wahrheit. Ohne Zweifel waren sie strafbar. Bedenken Sie aber auf der andern Seite, daß es wenige Menschen giebt, die nicht furchtsam und leichtgläubig sind, und die sich selbst eine Religion würden gemacht haben, wenn man ihnen keine gepredigt hätte. Daher fand und sah man beinahe auf der ganzen Erdkugel eingeführte positive Religionen. etc."
8. September 1777
Der König nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie, ertheilt dem Oestreichischen Gesandten von Switen die Abschieds- und dem von Cobenzl die Antrittsaudienz. Dem erstern schenkt er eine Tabatiere von hohem Werth.
<173>9. Oktober 1777
Besucht der König wieder die Prinzessin Amalie und geht dann nach Potsdam.
11. Oktober 1777
Der König an Voltaire :
- etc. - "In dem Verhältnisse, wie die Völker civilisirter werden, muß man auch ihre Gesetze mildern. Wir haben es gethan und befinden uns wohl dabei. Der Denkart der weisesten Gesetzgeber zufolge, glaubte ich, es sei besser, Verbrechen zu verhüten und zu verhindern, als sie zu bestrafen. Dies ist mir gelungen. Um Ihnen einen deutlichen Begriff hiervon zu geben, muß ich Sie mit unserer Bevölkerung bekannt machen. Diese beläuft sich nur auf 5,200,000 Seelen. Seitdem nun unsere Gesetze gemildert worden sind, werden bei uns im Durchschnitt jährlich nur 14, höchstens 13 Todesurtheile gefällt. Das kann ich Ihnen um so zuverlässiger sagen, da ohne meine Unterschrift Niemand zur Festungsstrafe, und eben so Niemand hingerichtet werden darf, wenn ich die Sentenz nicht bestätigt habe. Die meisten Delinquenten sind Kindesmörderinnen. Andere Mordthaten giebt es wenig, und noch seltener ist Straßenraub. Aber von den Geschöpfen, die so grausam gegen ihre Leibesfrucht verfahren, werden nur die hingerichtet, denen man die Mordthat beweisen kann. Ich habe alles gethan, was ich konnte, um diese unglücklichen Personen zu verhindern, ihre Kinder über die Seite zu bringen. Die Herrschaften müssen es gerichtlich anzeigen, wenn ihre Mägde schwanger sind. Ehemals nöthigte man diese armen Personen, öffentliche Kirchenbuße zu thun, aber das habe ich abgeschafft. In jeder Provinz giebt es Entbindungshäuser für sie, und man sorgt auch für die Erziehung ihrer Kinder. Allein, ungeachtet aller dieser Erleichterungsmittel, habe ich doch noch nicht dahin kommen können, ihnen das natürliche Vorurtheil, dessentwegen sie ihre Kinder tödten, aus dem Kopf zu bringen. Ehmals sah man es als eine Schande an, Personen zu heirathen, die Mütter waren, ohne einen Mann gehabt<174> zu haben; ich beschäftige mich indeß jetzt mit der Idee, wie ich diese Denkart ausrotten will. Vielleicht gelingt es mir. Die Tortur haben wir ganz abgeschafft, und sie findet schon seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr Statt. Aber in republikanischen Staaten muß man vielleicht bei Hochverrat!) eine Ausnahme machen, z. B. wenn es in Genf Bürger gäbe, die schlecht genug dächten, sich mit dem Könige von Sardinien in eine Verschwörung einzulassen, um ihm ihr Vaterland in die Hände zu spielen. Gesetzt, man entdeckte einen von den Strafbaren und müßte nothwendig seine Mitschuldigen wissen, um die Verschwörung ganz ausrotten zu können; so würde es, dünkt mich, das allgemeine Wohl erfodern, dem Delinquenten die Tortur zu geben.
In Civilsachen muß man den Grundsatz befolgen : es ist besser, einen Strafbaren am Leben zu lassen, als einen Unschuldigen hinzurichten. Wenn man über die Unschuld eines Mannes nicht gewiß werden kann, ist es dann nicht besser, ihn in ein Gefängniß zu setzen, als ihm das Leben zu nehmen? Die Wahrheit liegt im Grunde eines Brunnens, es kostet Zeit, ehe man sie herausziehen kann, und oft kommt sie erst sehr spät zum Vorschein. Wenn man sein Urtheil so lange aufschiebt, bis man ganz davon unterrichtet ist, so verliert man nichts und behält seine Gewissensruhe, und darauf muß jeder rechtschaffene Mann denken. etc. Dergleichen Gegenstände sind meine tägliche Beschäftigung. Ich habe mir Grundsätze gemacht, nach denen ich handle, und entwickle sie Ihnen. etc."
November.
A.
November 1777
Der König in Potsdam und in Sanssouci.
9. November 1777
Der König an Voltaire :
- etc. - "Bitaubé hat Ihnen, die Wahrheit gesagt;<175> ich habe in Berlin eine öffentliche Bibliothek bauen lassen. Voltaire's Werke logirten vorher zu unanständig, überdies war im untern Stock ein Laboratorium, und das drohete uns einmal unsere ganze Büchersammlung in Brand zu stecken 175-+. Alexander der Große legte Homers Werke in das sehr kostbare Kästchen, das er unter andern von dem Darius erbeutet hatte. Und ich? - nun ich bin weder Alexander, noch groß, habe auch von keinem Menschen Beute gemacht, und daher nur nach meinen geringen Kräften das bestmögliche Behältniß für die Werke des Homer's unseres Jahrhunderts erbauen lassen. Wenn Sie, um diese Bibliothek zu bereichern, gütigst Ihre Schrift über die Gesetze hineingeben wollen, so werden Sie mir um so mehr ein Vergnügen machen, da ich das Porto dafür nicht scheue. etc."
11. November 1777
Der König an d'Alembert :
- etc. - "Uebrigens muß ich Ihnen sagen, daß es mich sehr gewundert hat, Briefe, die ich Ihnen geschrieben, gedruckt zu sehen, und zu hören, daß andere in Paris in Manuscript herumgehen. Ich weiß nicht, ob, wie Einige behaupten, Pythagoras wirklich zu den Zeiten des Numa gelebt hat, aber das ist zuverlässig, daß kein Brief auf uns gekommen ist, den Numa ihm geschrieben hätte. Eben so sehen wir nicht, daß Plato, der sich am Hofe des Dionys befand, den Briefwechsel bekannt gemacht hätte, den er mit diesem Tyrannen unterhielt. etc. Die Philosophen unserer Zeit betragen, sich also nach anderen Grundsätzen, als die alten, welches in unsern neuen Zeiten die Fürsten zum Stillschweigen bringen muß. Und hiermit etc. 175-++."
<176>18. November 1777
Der König an Voltaire :
"Ich erwarte Ihr belehrendes Werk über die Mißbrauche der Gesetzgebung mit Ungeduld, weil ich überzeugt bin, daß es nützlich und angenehm sein wird. etc.
Ihre Welschen (Franzosen), über die Sie Glossen machen, sind, sollte ich meinen, im Ganzen genommen so ziemlich den übrigen Bewohnern des Erdballs gleich. Vielleicht ist ihre<177> Lebhaftigkeit etwas zu heftig und artet sogar in Wildheit aus.
Uebrigens ist der Mensch ein boshaftes Geschöpf, und hat allenthalben Einschränkungsmittel nöthig, wenn die in ihm liegende Bosheit nicht alle Grenzen der Rechtschaffenheit und selbst des Anstandes überschreiten soll. Ihre Landsleute gehen von dem Schafot in das Theater; indeß erinnern Sie Sich, daß Cicero, Attikus, Varro und Katull bei den barbarischen Gefechten der Gladiatoren zusahen, und dann in Terenzens Comödien oder Ennius Trauerspiele gingen. Die Menschen lassen sich von der Gewohnheit beherrschen. Neugierde lockt sie zu der Hinrichtung eines Strafbaren, und Langeweile führt sie in die Oper, weil sie ihre Zeit nicht anders zu tödten wissen. etc."
24. November 1777
Der in diesem Monat auf Empfehlung des Ministers von Herzberg im Departement der auswärtigen Angelegenheiten als Kriegsrath und Archivar angestellte Gelehrte Christian Wilhelm Dohm hat Audienz beim König.
Dezember.
A.
Dezember 1777
Der König in Potsdam.
17. Dezember 1777
Der König an Voltaire: "Es ist angenehm, ein Monument von allen Gedanken der Menschen zu haben, die man hat auffinden können; in den Werken der Imagination aber werden wir uns, wie ich voraussehe, an Homer, Virgil, Tasso, Voltaire und Ariost halten müssen.
Wie es scheint, vertrocknen in allen Ländern die Gehirne, und bringen weder Blumen noch Früchte hervor. Die historischen Werke sollte man, um sie nützlich zu machen, wo möglich von dem Partheigeist, von falschen Anekdoten und von Lügen reinigen. Bei den Methaphysikern lernt man<178> nichts, als die Unbegreiflichkeit vieler Gegenstände, welche die Natur nicht in den Fassungskreis unsers Geistes gelegt hat. Und was den theologischen Schwall betrifft - die hypochondrischen und fanatischen Verfasser, die ihn aufgehäuft haben, verdienen nicht, daß man seine Zeit mit dem Lesen der albernen Hirngespinste tödtet, die ihnen durch den Kopf gegangen sind. Von den Herren Geometern, die ewig unnütze krumme Linien berechnen, sage ich nichts; ich lasse sie mit ihren Puncten ohne Ausdehnung und mit ihren Linien ohne Breite in Ruhe; so wie auch die Herren Aerzte, die sich zu Schiedsrichtern unsers Lebens aufwerfen, und im Grunde nichts als Zuschauer unserer Leiden sind. Was soll ich Ihnen von den Chemisten 178-+ sagen? die, anstatt Gold zu machen, es durch ihre Operationen in den Rauch schicken. Für unsern Nutzen und Trost bleibt also nichts weiter übrig, als die schönen Wissenschaften, die man mit allein Rechte Humaniora genannt hat. An sie halte ich mich; die übrigen Bücher können in einer Hauptstadt nützlich sein, wo die Liebhaber der Wissenschaften, die bei der Vertheilung der Glücksgüter schlecht bedacht worden sind, die Citationen sonst nicht verificiren können, die ihnen in andern Büchern vorkommen, und von denen sie da die Originale finden. Sehen Sie, dazu ist die Bibliothek bestimmt, aber Voltaire's Werke nehmen, wie billig, den glänzendsten Platz darin ein. Die schöne Pariser Ausgabe in Quart prangt darin mit allem ihrem Pomp. etc.
Ich bin im Begriff, nach Berlin zu gehen und Andern einen Carneval zu geben und selber keinen Theil daran zu nehmen. Dort befindet sich jetzt ein Graf Montmorency-Laval, ein sehr liebenswürdiger junger Mann, den ich in Schlesien gesehen habe. Ich disputire mit ihm, er will Deutsch lernen; ich sage ihm, das verlohne sich nicht der<179> Mühe, weil es uns an guten Schriftstellern fehle, und er wolle es nur darum thun, um Krieg mit uns führen zu können. Er versteht Scherz und ist gewiß kein Feind von Preußen. etc."
18. Dezember 1777
Der Abt Bastiani aus Breslau kommt beim König in Potsdam an.
20. Dezember 1777
Der König nach Berlin, besucht die Prinzessin Amalie.
20. Dezember 1777
Der König an d'Alembert :
"Ich begnüge mich, Ihnen bloß den Empfang Ihres Briefes zu melden. Da der meinige in ganz Paris herumwandern könnte, so schränke ich mich darauf ein, Ihnen in Rücksicht des Herrn de l'Isle, von welchem Sie mir schreiben 179-+, zu antworten : daß hier keine Stelle ist, die sich für ihn schickte; und daß ich glaube, der beste Weg, der ihm offen steht, sei nach Holland zu gehen, wo das Handwerk eines Blätterschreibers eine Menge Leute seiner Art ernährt. Und hiermit etc."
21. Dezember 1777
Der König speis't bei der Königin, wie in der Carnevalszeit öfter geschieht.
31. Dezember 1777
Der König läßt die Akademiker Sulzer und Merian zu sich rufen und unterhält sich, besonders mit Ersterem, über verschiedene philosophische Materien, und als auch über die Religion gesprochen wurde, tadelte er es, daß von manchen Theologen noch dieser und jener Unsinn vorgetragen würde, worauf Sulzer erwiederte, daß die christliche Lehre, wie sie<180> jetzt von den im größten Rufe stehenden Berliner Predigern vorgetragen würde, eine ganz andere Gestalt habe, als sie zu der Zeit gehabt, da Se. Majestät Religionsunterricht erhalten, und führte Einiges aus Spalding's Schriften und Lehrweise an. etc. Der König sagte darauf: "Das ist sehr gut, und ich bin der Erste, dieses zu respectiren." Er rügte noch das Ungereimte von einem unmittelbaren göttlichen Beruf der Geistlichen, und daß die Souveraine Ebenbilder Gottes auf Erden seien, und setzte hinzu: "Sehen Sie, wenn es mir gelänge, alle meine Unterthanen vollkommen glücklich zu machen, so würde ich nur auf einem sehr kleinen Theil der Erdkugel gewirkt haben, die selbst nur ein unendlich kleiner Theil des Weltalls ist. Wie könnte ich denn mich unterstehen, mich dem Wesen zu vergleichen, welches dieses unermeßliche Weltall regiert und in Ordnung hält?" (I. G Sulzer's Lebensbeschreibung mit Anmerk. von Nicolai und Merian. Berlin, 1809, S. 61-67). Bei dieser oder einer andern Unterredung des Königs mit Sulzer über die Erziehung, sagte der Letztere, daß, es anfange, damit besser zu werden, seitdem man auf Rousseau's Grundsatz: der Mensch sei von Natur gut, fortbaue. Hierauf erwiederte der König: "Ich sehe wohl, mein lieber Sulzer, Er kennt nicht, so wie Ich, die verwünschte Race, zu der wir gehören." (Vergl. oben des Königs Brief vom 18. Novbr. 1777).
Während des Königs Aufenthalt in Berlin besucht er wie gewöhnlich die Wachtparaden.
?? Dezember 1777
Der Geheime-Rath von Brenkenhof beim König.
Den General von Ramin beschenkt der König mit einem großen Aufsatz von Porzellan.
In Berlin waren angekommen : der Abt Bastiani von Potsdam, der Minister von der Horst aus Westphalen, der Graf Lusi aus Venedig.
<181>B.
20. Dezember 1777
Stirbt in Berlin der Hofprediger Ludwig Sam. Noltenius.
20. Dezember 1777
Anfang des Carnevals. Die Ordnung desselben war folgende : Sonntag : Mittags Cour bei dem König, Abends Cour bei der verwittweten Prinzessin von Preußen; Montag: Oper; Dienstag : Redoute; Mittwoch : Französische Comödie; Donnerstag : Cour bei der Königin; Freitag : Oper; Sonnabend : Ruhe.
Die beiden Opern waren : 1) Rodelinde, 2) Artemisia. Die Französischen Comödien: Phèdre, les femmes savantes, Zaire, le Joueur.
23. Dezember 1777
Alexander, Kaiser von Rußland, geboren.
30. Dezember 1777
Der Kurfürst von Baiern Maximilian Joseph stirbt ohne leibliche Erben. Sein Vetter Karl Philipp Theodor, Kurfürst von der Pfalz, tritt die Regierung von Baiern an.
158-+ Voltaire hatte bekanntlich in den letzten Jahren seines Lebens, seiner Schriften wegen, viel Verfolgung von der Geistlichkeit zu erleiden.
165-+ Adriani war aus einer sehr guten Familie in Kleve, und unter König Friedrich Wilhelm I wegen seiner ansehnlichen Größe zum Militärdienst gezwungen worden. Seit 1757 war er Feldwebel der Leibcompagnie des Königs beim ersten Bataillon Garde, und hatte 20 Jahr lang bis jetzt dem König, als seinem Hauptmann, täglich des Morgens um 5 Uhr den Rapport von der Compagnie übergeben. Er hatte alle Feldzüge mitgemacht. Sein Tod erfolgte 1781.
166-+ Der König hatte prophezeiht, daß der Kaiser Joseph auf seiner Reise nach Frankreich auch Voltaire'n besuchen würde, was aber nicht geschah.
166-++ Versuch über die Regierungsformen etc. H. W. VI. 45 - 74.
169-+ Zu Querbach, wo jetzt ein bedeutendes Blaufarbenwerk in Betrieb ist.
169-++ Zu Schreibershau in dem Prellerschen Vitriolwerk.
169-+++ Der Inspector Jacobi.
169-† Die schon oben angeführte Schrift : Versuch über die Regierungsformen etc. Johannes von Müller sagt von dieser Schrift: "Es ist auf diesen wenigen Bogen ein unglaublicher Reichthum von Gedanken zusammen gedrängt. Gleichwie der Marschall von Sachsen das Werk Onosander's bei sich zu tragen und es sein Brevier zu nennen pflegte; so sollte diese Abhandlung das tägliche Manual der Könige und Fürsten sein." (Müller's sämmtliche Werke X. 105). Sie ist so wichtig und reichhaltig, daß sie keines Auszugs fähig ist, "tot verba, tot pondera."
171-+ Dem Datum nach muß dies eine andere Schrift sein, als die über die Regierungsformen, oder der oben erwähnte Brief vom September, h. W. 238, müßte vielleicht gar nicht, und an dessen Stelle dieser, vom 5. Oktober, abgeschickt worden sein.
175-+ Die Bibliothek stand vorher in dem Seitengebäude des Schlosses im Lustgarten, über der Hofapotheke.
175-++ Unter dem 28. Novbr. entschuldigt sich d'Alembert gegen den König in folgenden Worten : "In der Betrübniß, worin mich mein im vorigen Jahre erlittener Verlust (der Mad. Geoffrin durch den Tod) stürzte, eröffnete ich Ew. Majestät mein Herz, deren Güte mir so sehr bekannt ist. Sie waren so gnädig, mir in zwei Briefen zu antworten, die so voll Einsicht, Gefühl und Weisheit waren, daß ich Erleichterung meines Schmerzes zu finden glaubte, wenn ich meinen Freunden diese Briefe mittheilte. Ich ließ sie also dieselben lesen, und dies bewirkte in ihnen, ohne Uebertreibung, Sire, die zärtlichste Verehrung gegen Ew. Majestät, so daß einige derselben bis zu Thränen gerührt wurden. Sie baten mich um Abschriften, in der gewissen Ueberzeugung, daß diese Briefe alle, die sie lesen, mit eben den Gesinnungen erfüllen würden, von denen sie sich selbst durchdrungen fühlten. Allein ich verweigerte ihnen diese Abschriften; nur Zweien oder Dreien gab ich aus diesen Briefen einen Auszug von den Stellen, die sich durch ihr Interesse, durch Moralphilosophie, durch Empfindung, und kurz durch alles das auszeichnen, was am meisten Liebe und Ehrfurcht gegen ihren erhabenen Verfasser zu erwecken vermag. Diese Auszüge wurden in einem Journale gedruckt, ohne daß ich daran Theil hatte; aber, Sire, um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, bereuen konnte ich es nicht, wegen der allgemeinen Wirkung, welche sie bei allen, die sie lasen, hervorbrachten. Bin ich strafbar, so bin ich es darum, weil ich, wenn es möglich ist, die Anzahl von Ew. Majestät Bewunderern noch vermehrt habe; aber ich kann nicht glauben, daß mich ein Fehler dieser Art in Dero Augen zum Verbrecher mache. Wenigstens muß die That in der Absicht ihre Entschuldigung finden, etc."
In Rücksicht aller andern Briefe versichert d'Alembert, daß er Niemandem Abschriften davon gegeben habe, und wenn dergleichen erxistirten, so müßten sie von den Postbedienten herrühren, welche, wie der König ihm selbst gemeldet, mehrere seiner Briefe erbrochen Hütten.
Trotz dieser treuherzigen Entschuldigung scheint der König dadurch noch nicht wieder besänftigt worden zu sein, wie sein nächstfolgender Brief vom 20. Dezbr. beweist.
178-+ Der König meint die Alchymisten.
179-+ Dies war von d'Alembert in seinem Brief vom 27. Novbr. geschehen; den vom 28sten, darin sich d'Alembert entschuldigt, hatte der König jetzt noch nicht erhalten, oder fand nicht für gut, ihn zu beantworten. Auch könnte es sein, daß dieser Brief d'Alembert's ein falsches Datum hat und später geschrieben ist, denn man sieht aus einem Briefe d'Alembert's vom 30. Januar 1773, daß der König ihm kurz vorher wieder geschrieben hatte, welcher Brief des Königs aber, so wie mehrere in dieser Zeit (bis Dezember 1778) von ihm geschriebene Briefe verloren gegangen sein müssen.