Dezember.

A.

Dezember 1779

Der König in Potsdam.

3. Dezember 1779

Der König an d'Alembert: "Sie fällen über diese unvollkommenen Produkte (den Commentar etc. und die Briefe über die Vaterlandsliebe) ein zu<214> günstiges Urtheil. Was kann Gutes aus dem Gehirn eines alten Mannes kommen, der kein Gelehrter ist etc., dessen Sinne und Gedächtniß täglich abnehmen, und der in Kurzem zu Mylord Marshall, Voltaire und Algarotti sich begeben wird. etc. Mit Vergnügen nehme ich die Hoffnung an, den Anaxagoras noch vor meinem Tode wieder zu sehen, allein ich sage ihnen, es ist keine Zeit zu verlieren. Mein Gedächtniß fängt an zu schwinden, mein Haar färbt sich weiß, mein Feuer erlischt, und bald wird nichts mehr von dem sogenannten Philosophen von Sanssouci übrig sein. Darum aber sollen Sie nicht mit geringerer Herzlichkeit aufgenommen werden."

7. Dezember 1779

Ankunft des Königs in Berlin. Gleich nachher ertheilt er dem Kaiserl. Gesandten Freiherrn von Reviczky-Rewitznie Audienz, stattet nachher der Prinzessin Amalie einen Besuch ab und speist bei ihr.

8. Dezember 1779

Große Tafel bei dem König.

9. Dezember 1779

Der König ernennt den Geh.-Finanz-Rath Michaelis zum wirklichen Geh.-Etats-Minister.

11. September 1779

Nachdem der König das Urtheil des Kammergerichts in der allgemein bekannten Müller Arnoldschen Prozeßsache am 10ten zugeschickt erhalten und daraus ersehen hatte, daß es gegen den Arnold ausgefallen war, befahl er sogleich, daß der Großkanzler von Fürst mit den drei Kammergerichts-Räthen, welche das Urthei! in der Sache des Müllers Arnold minutirt hätten, Nachmittags 2 Uhr (Sonnabend, den 11ten) zum König komnnen sollten. Obgleich das Urtheil von mehreren Räthen gesprochen worden war, so wurden davon nur drei ausgewählt; es waren Graun, Friedel und Ransleben. Diese begaben sich nun zur bestimmten Stunde mit den, Großkanzler von Fürst nach dem Schlosse zum König. Sie fanden ihn, vom Chiragra viel Schmerzen leidend, auf dem Sopha liegend, im heftigsten Zorn, und den Kabintsrath Stelter schon zum Schreiben bereit sitzend. Der König fragte die drei Räthe beim Eintreten : "Seid Ihr die<215>jenigen, welche die Arnoldsche Sentenz gemacht haben?" und nachdem sie dies bejahet, fing er sogleich an, das nachhergedruckt erschienene Protocoll 215-+ zu dictiren, und legte den Räthen folgende Fragen vor, indem er ihnen zugleich befahl, sie Mit Ja oder Nein zu beantworten.

1) Wenn man eine Sentenz gegen einen Bauer sprechen will, dem man seinen Wagen und Pflug und Alles genommen hat, wovon er sich nähren und seine Abgaben bezahlen soll; kann man das thun? Wurde von den drei Räthen mit Nein beantwortet.

2) Kann man einem Müller, der kein Wasser hat, und also nicht mahlen und auch nichts verdienen kann, die Mühle deshalb nehmen, weil er keine Pacht bezahlt hat; ist das gerecht? Wurde auch mit Nein beantwortet. Darauf dictirt der König weiter: "Hier ist nun aber ein Edelmann, der will einen Teich machen, und um mehr Wasser in dem Teich zu haben, so lasset er einen Graben machen, um das Wasser aus einem kleinen Fluß, der eine Wassermühle treibet, in seinen Teich zu leiten, der Müller verliert dadurch das Wasser, und kann nicht mahlen, und wenn das noch möglich wäre, so ist es, daß er im Frühjahr 14 Tage und im späten Herbst auch etwa 14 Tage mahlen kann. Dennoch wird prätendirt, der Müller soll seine Zinsen nach wie vor geben, die er sonst entrich<216>tet hat, da er noch das volle Wasser von seiner Mühle gehabt. Er kann aber die Zinsen nicht bezahlen, weil er die Einnahme nicht mehr hat. Was thut die Cüstrinsche Justiz? sie befiehlt, daß die Mühle verkauft werden soll, damit der Edelmann seine Pacht kriegt; und das hiesige Kammergerichts-Tribunal approbirt solches! Das ist höchst ungerecht, und dieser Ausspruch Sr. Königl. Maj. Landesväterlichcn Intention und gar entgegen; Höchstdieselben wollen vielmehr, daß Jedermann, er sei Vornehm oder geringe, reich oder arm, eine prompte Justiz administrit, und einem jeglichen Dero Unterthanen ohne Ansehn der Person und des Standes ein unparteyisches Recht widerfahren soll. Se. Königl. Maj. werden daher in Ansehung der wider den Müller Arnold abgesprochenen und hier approbirten höchst ungerechten Sentenz ein nachdrückliches Exempel statuiren, damit sämmliche Justiz-Collegia in allen Dero Provinzen sich daran spiegeln und keine dergleichen grobe Ungerechtigkeiten begehen mögen; denn sie müssen nur wissen, daß der geringste Bauer, ja was noch mehr ist, der Bettler eben sowohl ein Mensch ist, wie Se. Maj. sind, und dem alle Justiz muß widerfahren werden, indem vor der Justiz alle Leute gleich sind, es mag sein ein Prinz, der wider einen Bauer klagt oder auch umgekehrt, so ist der Prinz vor der Justiz dem Bauer gleich. Und bei solchen Gelegenheiten muß pur nach der Gerechtigkeit verfahren werden, ohne Ansehen der Person. Darnach mögen sich die Justiz Collegia in allen Provinzen nur zu richten haben, und wo sie nicht mit derr Justiz ohne alles Ansehen der Person und des Standes geradedurch gehen, sondern die nalürliche Billigkeit bei Seite setzen; so sollen sie es mir Sr. Königl. Maj. zu thun kriegen. Denn ein Justizcollegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebsbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um<217> ihre üble Passiones auszuführen vor die kann sich kein Mensch hüten, die sind ärger wie die größten Spitzbuben, die in der Welt sind, und meritiren eine doppelte Bestrafung. Uebrigens wird den Justiz-Collegiis zugleich bekannt gemacht, daß Se. Maj. einen neuen Groß-Canzler ernannt haben. Höchstdieselben werden aber demohneracht in allen Provinzen sehr scharf dahinter her seinn, und befehlen auch hiermit auf das nachdrücklichste. Erstlich: daß alle Prozesse schleunig geendigt werden. Zweitens: daß der Name der Justiz durch Ungerechtigkeiten nicht profanirt werde. Drittens: daß mit einer Egalité gegen alle Leute verfahren wird, die vor die Justiz kommen, es sei ein Prinz oder ein Bauer, denn da muß alles gleich sein. Wofern aber Se. König!. Maj. in diesen Stücken einen Fehler finden werden, so können die Justiz-Collegia sich nur im voraus vorstellen, daß sie nach Rigueur werden gestraft werden, sowohl der Präsident als die Räche, die eine so üble mit der offenbaren Gerechtigkeit streitende Sentenz ausgesprochen haben. Wornach sich also sämmtliche Justiz-Collegia in allen Dero Provinzen ganz eigentlich zu richten haben.

Berlin, den 11. Dezember 1779.
Friedrich."

Der Großkanzler von Fürst wurde noch vor Beendigung des Protocolls in höchster Ungnade entlassen und mußte sich entfernen, und die drei Räthe wurden nach dem Schloß desselben "ach dein Stadtgefängniß geschickt. Der Minister von Zedlitz erhielt den Befehl, den Prozeß gegen diese Räthe etc. instruiren zu lassen, wobei ihm der König die ganze Sache - nach seiner Ansicht - auseinander setzte 217-+.

<218>

12. Dezember 1779

15ten, 19ten, 22sten, 26ten Cour und Tafel bei dem König.

21. Dezember 1779

Kabinetsordre des Königs an den Geh.-Finanzrath Tarrach, die Belebung etc. des Gewerbwesens in Westpreußen betreffend. Sie ist in doppelter Hillsicht äußerst merkwürdig, sowohl als Beweis von der tiefen Kenntniß des Königs in diesem Fache und seines eifrigen Strebens, das Wohl seines Volks zu befördern, als auch wegen des Zeitpunkts, in welchem er sie erließ, und wo ein ganz anderer Gegenstand - das Justizwesen - ihn auf das Angelegentlichste beschäftigte und sein ganzes Gemüth) erfüllt hatte, Sie befindet sich im II. Thl. unserer Beiträge, S. 303-306.

25. Dezember 1779

Beruft der König den Justiz-Minister von Carmer aus Schlesien nach Berlin, indem er ihn zum Großkanzler ernennt.

Der König schenkt dem "General von Ramin wieder eine ansehnliche Summe Geld zur Bezeigung seiner besondern Zufriedenheit.

Wie gewöhnlich besieht der König auch während seines jetzigen Aufenthalts in Berlin die Wachtparaden.

26. Dezember 1779

Der König unterhält sich mit den beiden Akademikern Formey und Merian, welche er zu sich rufen lassen, über Philosophie, Theologie und viele andere Gegenstände, (Formey Souvenir d'un Citoyen I. 123).

?? Dezember 1779

Diesen Monat befanden sich beim König, theils in Potsdam, theils in Berlin : der Geh.-Rath von Brenkenhof, der Dänische General-Lieutenant und Commandant von Lübeck Graf von Chasot (in Berlin, er war bis 1752 in Preuß. Diensten gewesen; s. I. Abthl., S. 116, 117) und der Markgraf von Schwedt (in Berlin zum Carneval).

B.

27. Dezember 1779

Justiz-Minister von Carmer kommt aus Breslau in Berlin an.<219> Anfang des Carnevals. Sonntag: Cour bei der vervittweten Prinzessin von Preußen; Montag: Oper; Dienstag: Redoute; Mittwoch: Mittags Cour bei dein König und Abends Französisches Schauspiel; Donnerstag: Cour bei der Königin; Freitag: Oper; Sonnabend: Ruhe 219-+.

Die Opern waren : 1) Rodelinde, 2) Artemisia. Die Französischen Comödien : les femmes savantes und Zaire.

<220>

215-+ In der Berliner Zeitung vom 14. Dezbr. 1779. Ueber den Prozeß selbst geben folgende Schriften Auskunst: Nicolai's Freimüthige Bemerkungen zu des etc. von Zimmermann Fragmenten über Friedrich d. G r. 2. Abthl. S. 170 etc. Schlözer' s Staatsanzeigen, 1786, Heft 36. Dohm's Denkwürdigkeiten etc., Thl. I. Sengebusch, Historisch-rechtliche Würdigung der Einmischung Friedrich's d. Gr. in die bekannte Rechtssache des Müllers Arnold, auch für Nichtjuristen. Altona, 1829. K. F. F. Sietze, Ausübung oberstrichterlicher Gewalt des Staats, und (die) Kabinet-Justiz in wesentlicher Differenz dargestellt. Potsdam, 1835.

217-+ Bei der Ansicht, welche der König nach diesem Protokoll von der Sache hatte, dürfte ihn wegen seines Verfahrens kein Vorwurf treffen, vielmehr diejenigen, welche, obschon unvorsätzlich, und auf welche Art es auch geschah, jene falsche Ansicht des Königs veranlaßt, oder versäumt halten, ihr gleich von Anfang an vorzubeugen, ober auch sie ihm nachher noch bei Zeiten zu benehmen. Wer diese Schuld trägt, mag zu beurtheilen den Lesern der oben angeführten Schriften überlassen bleiben.

219-+ Wegen eingetretener Krankheit der venvittweten Prinzessin von Preußen war an den folgenden Sonntagen, anstatt bei ihr, Cour bei dem König.