In der Gunst des Kurfürsten folgte auf Danckelman ein junger Höfling, dessen ganzes Verdienst sich darauf beschränkte, daß er mit den Neigungen seines Herrn vollkommen vertraut war. Das war Baron Kolbe, der nachmalige Graf Wartenberg1. Ohne die glänzenden Eigenschaften zu besitzen, die alle Welt bestechen, beherrschte er die Kunst des Hofes, die aus Beflissenheit, Schmeichelei, mit einem Wort: aus Kriecherei besteht. Blindlings ging er auf jeden Plan seines Herrn ein, in der Überzeugung, daß er sein Glück mache, wenn er sich zum Diener der fürstlichen Passionen hergäbe. Kolbe war nicht einfältig genug, um zu verkennen, daß er in seiner neuen Laufbahn eines geschickten Führers bedurfte. Jlgen2, Sekretär im Departement der Auswärtigen Angelegenheiten, gewann sein Vertrauen und leitete ihn mit so viel Klugheit, daß Kolbe zum Premierminister ernannt wurde und er selbst an die Spitze jenes Departements trat.
Dem Kurfürsten Friedrich III. schmeichelten in der Tat nur die Äußerlichkeiten des Königtums, das Gepränge der Repräsentation und eine gewisse Wunderlichkeit der Eigenliebe, die sich darin gefällt, andere ihren geringeren Stand fühlen zu lassen. Was aber in seinem Ursprung das Werk der Eitelkeit war, erwies sich in der Folge als ein Meisterwerk der Staatskunst. Durch die Königswürde entzog sich das Haus Brandenburg dem Joch der Knechtschaft, unter dem der Wiener Hof damals alle deutschen Fürsten hielt. Friedrich III. warf damit seiner ganzen Nachkommenschaft eine Lockspeise hin, die zu sagen schien: „Ich habe euch einen Titel erworben; zeigt euch seiner wert! Ich habe die Fundamente eurer Größe geschaffen; nun ist es an euch, das Werk zu vollenden3!“ Er wendete alle Hilfsmittel der Intrige an, setzte alle Triebfedern der Politik in Bewegung, um seinen Entwurf zur Reife zu bringen.
Vorbedingung bei diesem Unternehmen war, sich den Kaiser geneigt zu machen: sein Jawort zog die Stimmen des ganzen Deutschen Reiches nach sich. Um den Kaiser von vornherein günstig zu stimmen, gab der Kurfürst ihm den Kreis Schwiebus zurück4 und begnügte sich mit der Anwartschaft auf das Fürstentum Ostfriesland5 und das Reichslehen Limpurg6, Gebiete, auf die das kurfürstliche Haus übrigens unbestreitbares Anrecht hatte. Aus demselben Grunde fochten die brandenburgischen Truppen in den kaiserlichen Heeren in Flandern, am Rhein und in Ungarn. Im Interesse des Kurfürsten, der weder unmittelbar noch mittelbar von diesen Kriegen mitbetroffen war, hätte es vielmehr gelegen, strenge Neutralität zu wahren. Wiewohl Friedrich III. nun alle Mittel benutzt hatte, die seinem Haus die königliche Würde verschaffen sollten, konnte er seinen Plan doch nicht mit Gewalt durchsetzen, sondern mußte günstige Zeitumstände abwarten. Wir werden im folgen-
1 Johann Kasimir von Kolbe, seit 1699 Reichsgraf von Wartenberg.
2 Heinrich Rüdiger von Jlgen.
3 Vgl. Bd. II, S. 58 f.
4 Die Rückgabe des Kreises Schwiebus (vgl. S. 87) erfolgte 1694 auf Grund eines Reverses, den Friedrich III. als Kurprinz vor Abschluß der Allianz vom 22. März 1686 (vgl. S. 87) dem Wiener Hofe ausgestellt hatte.
5 Vgl. S. 85, Anm. 2.
6 Die Anwartschaft auf die Grafschaft Limpurg war dem Kurfürsten 1693 verliehen worden.