<107> eroberten Kaiserswerch am Rhein; im Gefecht bei Höchstädt1, als Styrum2 von Villars überrumpelt und geschlagen wurbe, führte der Fürst von Anhalt3 mit seinen 8 000 Preußen einen trefflichen Rückzug aus. Als er die Verwirrung und Flucht der Österreicher wahrnahm — so hörte ich ihn sagen —, ließ er seine Truppen Karree bilden und durchquerte so in guter Ordnung eine große Ebene, bis er bei Einbruch der Nacht einen Wald erreichte, ohne daß die französische Kavallerie einen Angriff gewagt hätte.

Der Erfolg der preußischen Truppen am Rhein und ihre gute Haltung in Schwaben setzten den König nicht über die Besorgnisse hinweg, die ihm die Nachbarschaft der Schweden einflößte. Nichts hielt ihnen damals stand. Das Genie Peters I., die Pracht Augusts des Starken waren ohnmächtig gegenüber dem Glück Karls XII. Der Held war zugleich kühner als der Zar und umsichtiger als der König von Polen. Peter war mehr für List als für Kühnheit, August mehr für Vergnügen als für Arbeit; Karl liebte den Ruhm mehr als den Besitz der ganzen Welt.

Die Sachsen wurden oft überfallen und geschlagen. Auf ihre Kosten hatten die Moskowiter die Kunst gelernt, sich rechtzeitig zurückzuziehen; ihre Kriegführung beschränkte sich auf Streifzüge. Einzig die schwedischen Heere waren bis dahin entschlossene Angreifer und Sieger. Aber Karls XII. unbeugsame Halsstarrigkeit ließ nimmer nach. Er wußte seine Pläne nur auf dem Weg der Gewalt zu verwirklichen; die Ereignisse wollte er ebenso bezwingen, wie er seine Feinde überwältigte. Der Zar und der König von Polen ersetzten diesen Enthusiasmus der Kühnheit durch Kabinettsintrigen. Sie riefen die Eifersucht Europas wach, erregten Neid gegen das Glück des jungen, ehrgeizigen Fürsten, der im Haß unversöhnlich war und gegen feindliche Könige nur eine Art der Rache kannte: Entthronung.

Friedrich I., der keine Truppen zur Verfügung hatte, ließ sich durch die Intrigen nicht abhalten, mit Karl XII., der ein siegreiches Heer in der Nähe hatte, ein Schutzbündnis zu schließen4. Friedrich I. und Stanislaus erkannten einander gegenseitig als Könige an. Der Vertrag mit Karl XII. blieb nur so lange in Kraft, als sein Glück ihn nicht im Stich ließ.

Wiewohl dies Bündnis König Friedrich Sicherheit schaffen sollte, versah er doch alle festen Plätze Preußens mit hinreichender Besatzung und sandte auch weitere Verstärkungen zum Heer der Alliierten nach Schwaben. Dort hatten die Preußen erheblichen Anteil am Gewinn der berühmten Schlacht bei Höchstädt5. Sie standen auf dem rechten Flügel unter dem Befehl des Fürsten von Anhalt und in dem Korps, das Prinz Eugen befehligte. Beim ersten Ansturm der Franzosen und Bayern wankten


1 20. September 1703.

2 Der österreichische Feldmarschall Graf Otto Hermann von Limburg-Styrum.

3 Fürst Leopold von Anhalt-Dessau.

4 Erst lm Dezember 1706 kam ein Vertrag zwischen Preußen und Schweden zustande, durch den sich Friedrich I. zur Anerkennung von Stanislaus I. Leszczyski als König von Polen verpflichtete. Stanislaus war 1704 nach der Absetzung Augusts II. auf den polnischen Thron erhoben worden, den er aber nur bis 1709 inne hatte.

5 13. August 1704 (vgl. Bd. VII, S. 106).