<126> und nach dem Wunsche der ganzen Nation auf den Thron erhoben. Ihn sahen wir England regieren, indem er die Freiheit äußerlich respektierte und die Gelder, die das Parlament ihm bewilligte, zu dessen Bestechung benutzte. Er war ein König ohne Prunk, ein Staatsmann ohne Falschheit und erwarb sich durch sein Benehmen das Vertrauen ganz Europas.

Nachdem wir von der politischen Lage des Südens gesprochen, ist es Zeit, zum Norden zurückzukehren, wo die Ereignisse sich immer mehr verwickelten und die Verwirrung höher stieg als je zuvor. Karl XII. war endlich seines beispiellosen Eigensinns müde, durch den er sich zu Demotika auf dem Krankenlager festhalten ließ, um die Pforte wider den Zaren aufzureizen, während seine Feinde sich seine Abwesenheit zunutze machten, seine Heere vernichteten und ihm die reichsten Provinzen nahmen. Jetzt ging Karl XII. ganz unvermittelt aus feiner Tatenlosigkeit zur angespanntesten Tätigkeit über. Er verließ Demotika, reiste mit staunenswerter Schnelligkeit, ritt durch die Erblande des Kaisers, durch Franken, Mecklenburg und kam am elften Tag in Stralsund an1, als man ihn dort am wenigsten erwartete.

Sein erster Schritt war, gegen die Beschlagnahme von Stettin Einspruch zu erheben und zu erklären: da er kein Abkommen unterzeichnet habe, sei er keineswegs zur Anerkennung dessen verpflichtet, was seine Generale in seiner Abwesenheit getan hätten. Bei einem Charakter, wie dem seinen, gab es keine anderen Argumente als Gewalt. Friedrich Wilhelm ließ Karl XII. mitteilen, er werde nicht dulden, daß die Schweden in Sachsen eindrängen, und ließ gleichzeitig eine ansehnliche Truppenmacht nach Stettin vorrücken. Die Schweden schenkten den Vorstellungen des Königs von Preußen so wenig Beachtung, daß dieser sich genötigt sah, dem Bündnis der Russen, Sachsen und Hannoveraner beizutreten, um seine Abmachungen gegen die Hartnäckigkeit Karls XII. zu behaupten2. Der schwedische König bemächtigte sich Anklams, Wolgasis und Greifswalds, wo eine preußische Besatzung lag. Mit einem Rest von Mäßigung schickte er sie heim, ohne eine Gewalttätigkeit gegen sie zu begehen. Aber die Mäßigung war bei seiner heftigen Natur nur vorübergehend. Zu Beginn des folgenden Feldzugs (1715) vertrieben die Schweden die Preußen von der Insel Usedom und nahmen ein Detachement von 500 Mann kriegsgefangen. Durch diese Feindseligkeit brachen sie die Neutralität Preußens und wurden die Angreifer. Der König, der eifersüchtig über seine Ehre wachte, war empört über das Vorgehen der Schweden. Doch obwohl er im ersten Augenblick den Schimpf, der ihm angetan ward, kaum zu erwägen vermochte, konnte er sich nicht enthalten, zu rufen: „Oh, daß ein König, den ich schätze, mich zwingen muß, sein Feind zu werden!“ Damals befand sich Flemming in Berlin, derselbe, der durch seine Intrigen August von Sachsen,


1 22. November 1714.

2 Schon am 12. Juni 1714 war der geheime Garantievertrag mit Rußland abgeschlossen, durch den sich Friedrich Wilhelm den Gegnern Schwedens anschloß und sich die Erwerbung von Stettin und des Landes bis zur Peene sicherte. Im November 1714 folgte die Verständigung mit Hannover, im Februar 1715 mit Sachsen und im April mit Dänemark.