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Während man sich derart demonstrativ Beweise gegenseitiger Freundschaft zu geben suchte, intrigierte König August an allen Höfen Europas, um Friedrich WilHelm die bergische Erbschaft zu entreißen und sie an das Haus Sachsen zu bringen. Das Lager bei Radewitz, die ganze Prachtentfaltung, die falschen Beweise von Wertschätzung waren lauter Kunstgriffe, durch die der König von Polen Friedrich Wilhelm einzuschläfern glaubte. Der aber durchschaute die Beweggründe und empfand nur um so mehr Abscheu vor soviel Falschheit. In der Politik scheint eine solche Handlungsweise ja erlaubt, nicht aber in der Moral. Und genau genommen, ist der Ruf eines Schurken ebenso entehrend für den Fürsten selbst, wie nachteilig für seine Interessen.

Man glaubte, ähnliche Erwägungen hätten dem König Viktor Amadeus II. von Sardinien seine Herrschaft verleidet. In der Tat aber war an seiner Abdankung1 nur die Liebe zu Frau von San Sebastian schuld, die er nachher zu Chambery heiratete. Man behauptet, er habe immer das selbstherrliche Wesen beibehalten, das er als König besaß, und als er einmal gegen den Herzog von Ormea und andere Minister verstimmt war, habe er seinen Sohn zwingen wollen, sie zu entlassen. Ormea, der von Viktor Amadeus' Absichten erfuhr, hielt seinen Sturz für unvermeidlich, wenn er ihm nicht zuvorkam. Er ging zum regierenden König und redete ihm ein, sein Vater konspiriere und wolle wieder den Thron besteigen. Und wirklich setzte er dem König derart zu, daß der Vater festgenommen und in das Schloß von Chambéry gebracht wurde, wo er starb. Ein Herrscher ist sehr zu beklagen, wenn er sich seinem Vater gegenüber in so peinvoller Lage befindet, daß er gegen die Natur, gegen Interesse und Ruhm kämpfen muß.

In Rußland starb im selben Jahr der junge Zar Peter II. Er war mit einer Fürstin Dolgoruki verlobt. Das Haus Dolgoruki hegte die Absicht, die fürstliche Verlobte auf den Thron zu erheben. Aber die Nation wollte einmütig, daß das Zepter im Hause Peters I. bliebe. Es wurde der Herzogin-Witwe Anna von Kurland2 angeboten, und sie nahm es an. Anfangs schränkten die Russen ihre Machtbefugnis ein. Aber die Familie Dolgoruki ward gestürzt, und die Kaiserin erlangte despotische Macht. Wie ihre Vorgänger hielt sie die Verbindung aufrecht, die seit langem zwischen Rußland und dem Haus Österreich bestand.

Der Kaiser vergaß bald die Dienste, die der König von Preußen ihm erwiesen hatte, als er das Bündnis mit Hannover aufgab. Er einigte sich mit dem König von England und belehnte ihn mit dem Herzogtum Bremen und der Landschaft Hadeln, ohne sich um Preußens Interessen zu kümmern. Der Undank ist eine entwertete Münze, die aber trotzdem überall Kurs hat.

Der Tod so vieler Herrscher, der Wechsel so vieler Minister, die Wiederanknüpfung und Abänderung so vieler Bündnisse brachten in Europa ganz neue Gruppierungen


1 König Viktor Amadeus II. dankte 1730 zugunsten seines Sohnes Karl Emanuel III. (1730 bis 1773) ab; er starb 1732.

2 Anna Iwanowna (1730 — 1740). Vgl. S. 113.