<220> Venezianer und die Genuesen waren die ersten, die sich dem Handel zuwandten. Nach der Erfindung des Kompasses ging er zu den Portugiesen und Spaniern über und verbreitete sich dann in England und Holland. Die Franzosen widmeten sich ihm zuletzt und holten durch Schnelligkeit ein, was sie durch Unkenntnis versäumt hatten. Wenn die Bewohner von Danzig, Hamburg und Lübeck, die Dänen und Schweden sich durch ihre Schiffahrt täglich bereichern, warum sollten es die Preußen nicht ebenso machen? Die Menschen werden alle zu Adlern, wenn man ihnen die Wege zu ihrem Glücke bahnt. Sie müssen nur durch Beispiele ermuntert, durch Wetteifer angeregt und vom Herrscher unterstützt werden. Die Franzosen sind spät gekommen, wir zaudern noch. Vielleicht, daß unsere Stunde noch nicht geschlagen hat.
Man war damals weniger auf die Ausdehnung des Handels als auf Einschränkung der unnötigen Ausgaben bedacht. Todesfälle waren früher etwas sehr Kostspieliges. Man gab Feste bei Beerdigungen, und das Leichenbegängnis selbst war teuer. Alle diese Gebräuche wurden abgeschafft. Man hörte auf, Häuser und Kutschen mit Flor zu behängen, und verzichtete auf schwarze Livreen. Nun konnte man billig sterben.
Das rein militärische Regiment des Königs beeinflußte die Sitten und sogar die Moden. Man gefiel sich darin, sauertöpfische Mienen aufzusetzen. Jedermann in Preußen trug höchstens drei Ellen Tuch am Leibe und einen Degen an der Seite, der nicht weniger als zwei Ellen lang war. Die Frauen flohen die Gesellschaft der Männer, und diese entschädigten sich dafür durch Wein, Tabak und Hanswürste. Kurz, unsere Sitten waren denen unserer Vorfahren ebenso unähnlich wie denen unserer Nachbarn; wir waren ganz original und genossen die Ehre, von einigen kleinen deutschen Fürsten schlecht kopiert zu werden.
In den letzten Jahren der Regierung des Königs führte der Zufall eine dunkle Persönlichkeit nach Berlin, einen Mann von verschlagenem und bösartigem Charakter, namens Eckhar1, eine Art Alchimisten, der für den Herrscher Geld machte — auf Kosten des Beutels der Untertanen. Seine Kniffe glückten ihm eine Zeitlang. Aber wie alle Bosheit früher oder später offenbar wird, so schwand sein Ansehen, und seine unglückselige Wissenschaft versank in der Finsternis, aus der sie hervorgegangen war.
Solcher Art waren die Sitten Brandenburgs unter all den verschiedenen Regierungen. Der Genius des Volkes ward in jahrhundertelanger Barbarei erstickt, erhob sich von Zeit zu Zeit, verfiel aber bald wieder in Unwissenheit und Ungeschmack. Und als glücklichere Umstände seinen Aufschwung zu begünstigen schienen, brach ein Krieg aus, dessen verderbliche Folgen die Kräfte des Staates von Grund auf zerstörten. Wir sahen den Staat aus seiner Asche wieder auferstehen, sahen, mit wel-
1 Der Geheime Finanzrat Johann Gottlob von Eckhart, ein zugewanderter Projektenmacher, von König Friedrich nach seinem Regierungsantritt abgesetzt und ausgewiesen.