<238>

Prüfen wir nun, wie Philipp von Mazedonien gegen Griechenland verfuhr, und sehen wir zu, ob sich nicht einige Züge davon in der französischen Politik wiederfinden. Gehen wir sodann einige Begebenheiten der römischen Geschichte durch, und der Leser wird sehen, ob nicht zwischen den letzten Geschehnissen in Europa und zwischen denen, deren Entstehung wir dargelegt haben, nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit, nein, völlige Übereinstimmung besteht.

Griechenland behauptete seine Freiheit nur durch den engen Zusammenschluß der verschiedenen kleinen Republiken. Immerhin taten sich Athen und Sparta vor den anderen besonders hervor. Sie gaben den Anstoß zu den Beratungen und zu den großen Dingen, die zur Ausführung kamen, während die kleineren Republiken in ihrem Gefolge blieben. Hätte Philipp den ganzen Bund angegriffen, er hätte furchtbare Feinde gefunden, die ihm nicht allein widerstanden, sondern vielleicht gar den Krieg in sein eigenes Land getragen hätten. Was tat der staatskluge König zur Bezwingung Griechenlands? Er säte Zwietracht und Eifersucht unter die verbündeten Kleinstaaten, förderte ihre Uneinigkeit, bestach die Redner, ergriff die Partei der Schwächeren gegen die Mächtigeren und wurde, nachdem diese besiegt waren, mit den anderen leicht fertig.

Was tut Frankreich, um zur Weltmonarchie zu gelangen? Sieht man nicht, wie schlau es Zwietracht zwischen den Reichsfürsten stiftet, wie geschickt es die Freundschaft der Herrscher gewinnt, deren es am meisten bedarf, wie arglistig es die Sache der kleinen Fürsten gegenüber den mächtigeren vertritt? Man bewundere die Kunst, mit der es den Einfluß der Seemächte untergräbt, die Geschicklichkeit, mit der es sie rechtzeitig einschüchtert, die Schlauheit, mit der es sie durch Kleinigkeiten hinhält, während es seine großen Schläge führt. Man sehe auch, daß die meisten europäischen Herrscher fast ebenso unsinnig sind wie die Griechen, die sich in lethargischer Sicherheit wiegten und es unterließen, sich mit ihren Nachbarn zusammenzutun, um sicheres Unheil und ihren gewissen Untergang abzuwenden.

Nun werfe man noch einen Blick auf den Kunstgriff der Franzosen, die nordischen Mächte durch Subsidien zu fesseln, damit die Mächte, die nicht in ihrem Solde stehen, auf ihre eigenen kargen Mittel beschränkt bleiben. Sind das alles nicht Konsequenzen der gleichen Politik, wie Philipp von Mazedonien sie trieb? Man gestatte mir, den Vergleich noch weiter zu ziehen, und man wird sehen, daß die Geschichte Philipps mehr als ein Ereignis bietet, das sich mit heutigen Begebenheiten deckt und der Politik von Versailles würdig ist.

Der König von Mazedonien hatte bereits die Thebaner, Olynthier und Messenier gewonnen. Danach zwang er die Athener, die schon geschwächt und wenig widerstandsfähig waren, ihm die Städte Amphipolis und Potidäa abzutreten, die ihm als Grenzschranke dienten. Da er auch Phokis und die Thermopylen besaß, hatte er gleichsam den Schlüssel Griechenlands in der Hand und konnte es leicht angreifen, so oft es seinem Interesse entsprach.