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Die französische Geschichte liefert uns ein Beispiel, bei dem man sich unwillkürlich des eben genannten Zuges aus der alten Geschichte erinnert. Man merkt schon, ich will auf die Erwerbung des Elsaß und Straßburgs hinaus. Diese von Deutschland abgerissenen Länder waren einst wie die Thermopylen oder die Grenzsperre, und Lothringen, das Frankreich neuerdings erworben hat, entspricht der Lage nach Phokis. Eine Eroberungsweise, die der Philipps so ähnlich sieht, läßt nach meiner Ansicht mit ziemlicher Sicherheit auf völlig gleiche Pläne schließen.

Philipp blieb nicht an den Thermopylen stehen, er ging weiter. Bei dieser Gelegenheit fällt mir die Frage ein, die ein Weiser an König Pyrrhus von Epirus richtete, als er dessen gewaltige Kriegsrüstungen sah. „Warum“, fragte er, „häufst Du all diese Waffen und diesen Troß an?“ — „Um Italien zu erobern“, antwortete ihm Pyrrhus. — „Ist aber Italien erobert, Herr, wohin gehen wir dann?“ — „Dann, lieber Kineas, erobern wir Sizilien. Von da brauchen wir nur günstigen Wind, und Karthago fällt uns zu. Wir ziehen durch die Libysche Wüste; Arabien und Ägypten können uns keinen Widerstand leisten; Persien und Griechenland werden gleiche falls unterjocht1.“ Pyrrhus hatte nichts Geringeres im Sinn, als die ganze Welt zu erobern. So sprach der Ehrgeiz, und da er stets in derselben Weise denkt und handelt, spare ich mir weitere Worte.

Die Griechen sahen Philipps Fortschritten recht gedankenlos zu. Sie wähnten in ihrer Torheit, sein Tod würde sie von einem gefährlichen Feinde befreien, von dem sie alles zu befürchten hatten. Genau dieselbe Sprache führt man jetzt in Europa2. Man wiegt sich in der Hoffnung, der Tod des geschickten Staatsmannes werde der französischen Staatskunst ein Ende machen. Ein anderer Minister werde ihm folgen, aber ohne die gleichen Absichten und Pläne. Kurz, man tröstet sich mit kleinen Hoffnungen — dem gewöhnlichen Trostmittel schwacher und kleiner Geister. Man gestatte mir hier, den Vorwurf des Demosthenes zu wiederholen, den er in seiner ersten Philippika gegen die Athener erhob. Hier seine Worte: „»Philipp ist tot« , sagt dieser. »Nein« , entgegnet jener, »aber er ist krank.« — Nun, er mag leben oder sterben, was liegt daran? Wenn Ihr ihn nicht mehr habt, Athener, werdet Ihr Euch einen anderen Philipp schaffen, wenn Ihr Euer Benehmen nicht ändert. Denn zu dem, was er ist, ward er nicht sowohl durch eigne Kraft als durch Eure Nachlässigkeit.“

Zum Schluß noch einige Betrachtungen über das Benehmen der Römer, insoweit es sich mit dem unserer modernen Römer, ich meine die Franzosen, deckt. Man beachte, wie geflissentlich sich die Römer in alle Welthändel mischten. Sie spielten sich sogar als Schiedsrichter über die Zwistigkeiten aller Fürsten auf. Rom war der Richterstuhl der Welt, und Könige wie Fürsten erkannten, ich weiß nicht warum, diese höchste Instanz an. Sie übertrugen dem römischen Volke, dem stärksten und stolzesten auf der Welt, ihren Streit zu schlichten. Der Senat war es gewöhnt, das letzte


1 Plutarch, „Leben des Pyrrhus“.

2 Anspielung auf Holland.