<243> die Fürsten diese falschen Ideen ab und gingen auf den Ursprung ihres Amtes zurück, sie sähen, daß ihre Würde, auf die sie so eifersüchtig sind, daß ihre Erhebung nur das Werk der Völker ist, daß die Abertausende, die ihnen anvertraut sind, sich nicht einem Einzigen sklavisch unterwarfen, um ihn mächtiger und furchtgebietender zu machen, daß sie sich vor einem Mitbürger nicht beugten, um Märtyrer seiner Launen und Spielball seiner Einfälle zu sein, sondern daß sie Den unter sich erwählten, den sie für den Gerechtesten hielten, um sie zu regleren, den Besten, um ihnen ein Vater zu sein, den Menschlichsten, um Mitleid mit ihrem Mißgeschick zu haben und es zu lindern, den Tapfersten, um sie gegen ihre Feinde zu beschirmen, den Weisesten, um sie nicht zur Unzeit in verderbliche, zerstörerische Kriege zu verwickeln, kurz, den rechten Mann, um den Staat zu repräsentieren, den, dessen souveräne Macht eine Stütze für Recht und Gesetz ist und nicht ein Mittel, um ungestraft Verbrechen zu begehen und Tyrannei auszuüben.
Steht dies Prinzip einmal fest, so würden die Fürsten stets die beiden Klippen vermeiden, die zu allen Zeiten den Sturz der Reiche und die Umwälzung der Welt verschuldet haben: nämlich maßlosen Ehrgeiz und schlaffe Nachlässigkeit in den Geschäften. Dann würden diese irdischen Götter, statt immerfort auf Eroberungen zu sinnen, nur für das Glück ihrer Völker wirken. Sie würden mit allem Fleiß danach trachten, das Elend zu lindern und ihre Herrschaft mild und heilbringend zu machen. Ihre Wohltaten müßten den Wunsch erregen, unter ihrem Zepter geboren zu sein. Edler Wettstreit müßte unter ihnen herrschen, einander an Güte und Milde zu übertreffen. Sie würden inne werden, daß der wahre Herrscherruhm nicht in der Unterdrückung ihrer Nachbaren, nicht in der Vermehrung ihrer Sklaven liegt, sondern in der Erfüllung ihrer Amtspflichten und in der Vollstreckung der Wünsche derer, die sie mit der höchsten Macht ausgestattet haben und denen sie ihre Herrschermacht danken. Solche Fürsten würden sich erinnern, daß Ehrgeiz und eitler Ruhm Laster sind, die sich bei Bürgern schwer bestrafen und die man bei einem Herrscher stets verabscheut.
Stände den Fürsten ihre Pflicht stets vor Augen, dann würden sie auch nicht die Geschäfte vernachlässigen, als wären es Dinge, die unter ihrer Würde sind. Sie würden die Wohlfahrt ihres Volkes nicht blindlings der Sorge eines Ministers anvertrauen, der vielleicht pflichtwidrig handelt und talentlos ist, und dem das Allgemeinwohl fast stets weniger am Herzen liegt als seinem Herrn. Die Fürsten würden selbst über die Schritte ihrer Nachbaren wachen, würden mit äußerster Anstrengung deren Pläne zu ergründen, deren Unternehmungen zuvorzukommen suchen, würden sich durch feste Bündnisse gegen die Umtriebe jener unruhigen Geister sichern, die unablässig auf Eroberungen sinnen und wie ein Krebsgeschwür alles annagen und zerfressen, was sie berühren. Ihre Klugheit würde die Bande der Freundschaft enger knüpfen und Bündnisse mit gleichgesinnten Herrschern schließen. Ihre Weisheit beriete sie in allem und machte die Anschläge ihrer Feinde zunichte. Sie