<90> für seinesgleichen, der Stolz seines Volkes. Mit einem Wort: sein Leben bedeutet seinen Ruhm.

Im siebzehnten Jahrhundert zogen drei Männer die Aufmerksamkeit ganz Europas auf sich: Cromwell, der sich die Herrschaft über England anmaßte und den Mord an seinem König1 zu verschleiern suchte, indem er sich den Schein des Maßvollen gab und eine großzügige Politik führte; Ludwig XIV., der Europa vor seiner Macht erzittern ließ, alle Talente unter seinen Schutz nahm und seiner Nation die Achtung der ganzen Welt erzwang, und Friedrich Wilhelm, der mit geringen Mitteln Großes vollbrachte, sein eigener Minister und Feldherr war und einen unter Trümmern begrabenen Staat zu blühendem Dasein erweckte. Der Name des Großen gebührt nur heldenhaften und fleckenlosen Charakteren. Cromwell hat aus Ehrsucht seine tief angelegte Politik durch Verbrechen entehrt. Es hieße daher das Andenken Ludwigs XIV. und Friedrich Wilhelms erniedrigen, wollte man ihr Leben dem eines erfolgreichen Tyrannen gegenüberstellen2.

Beide Fürsten galten, jeder in seiner Sphäre, als die größten Männer ihres Jahrhunderts. In ihrem Leben gibt es Erscheinungen von verblüffender Ähnlichkeit und wiederum andere, bei denen die begleitenden Umstände keine Übereinstimmung aufkommen lassen. Vergliche man beide Fürsten miteinander im Hinblick auf die Machtfülle, so wäre das nicht anders, als wenn man Jupiters Blitze und die Pfeile des Philoktet einander gegenüberstellen wollte. Prüft man aber ihre persönlichen Eigenschaften und läßt die politische Macht aus dem Spiel, so tritt es klar zutage, daß die Seele des Kurfürsten und seine Taten dem Geist des Königs und seinen Leistungen nicht nachstanden.

Beide hatten eine einnehmende, glückliche Gesichtsbildung, ausdrucksvolle Züge, eine Adlernase und Augen, in denen sich ihre seelischen Regungen spiegelten. Leutseliges Wesen vereinigte sich bei ihnen mit majestätischer Miene und Haltung. Ludwig XIV. war von höherem Wuchs, in seinem Gebaren lag mehr Anmut, sein Aus druck war bündiger und kraftvoller. Friedrich Wilhelm hatte während seiner Lehrjahre in Holland eine kühlere Miene, eine weiter ausholende Beredsamkeit angenommen. Beide waren von gleich alter Abkunft. Doch zählten die Bourbonen unter ihren


1 Karl I. († 1649).

2 In der ersten Fassung lautet dieser Absatz und das Urteil des Königs über Cromwell: „Drei Machthabern, die fast gleichzeitig regierten, hat Europa den Namen des Großen verliehen: Cromwell, Ludwig XIV. und Friedrich Wilhelm: Cromwell, well er alle Bürgerpflichten dem Ruhme opferte, über England zu herrschen, weil er seine Talente in eine falsche Bahn drängte, da sie, statt seinem Vaterlande zu nützen, nur seinem Ehrgeiz dienten weil er seinen Trug unter der Maske des Fanatismus verbarg und sein Volk knechtete, während er für seine Freiheit focht; well er zum Henker seines Königs ward, den er seiner Herrschsucht zum Opfer brachte. Cromwell war kühn, ränkesüchtig, leidenschaftlich, aber auch ungerecht, gewalttätig und ohne Tugend. Er besaß große, aber keine guten Eigenschaften. Er verdient also den Namen des Großen nicht, der allein der Tugend gebührt. Es hieße Ludwig XIV. und Friedrich Wilhelm unrecht tun, wollte man ihnen einen solchen Nebenbuhler entgegenstellen.“