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Der politische Zustand Brandenburgs einst und jetzt

I
Innere Verfassung

Als Brandenburg heidnisch war, wurde es von Druiden regiert, wie ganz Deutschland in alter Zeit. Die Herrscher der Vandalen, Teutonen und Sueben waren eigentlich die Feldherren ihrer Völker; man nannte sie „Fürsten“, was „Führer“ bedeutet. Die Kaiser, die diese Barbaren unterwarfen, setzten an den Grenzen Statthalter ein, „Markgrafen“ genannt, um das kriegerische und auf seine Freiheit stolze Volk im Zaum zu halten. Aus jenen fernen Zeiten sind so wenige Überlieferungen auf uns gekommen, daß wir, um nicht Sage und Geschichte zu vermengen, uns hier nur mit der Verfassung der Kurmark unter den Hohenzollern beschäftigen wollen. Als die Burggrafen von Nürnberg in die Mark kamen (1412), verweigerten ihnen die unter den früheren Herrschern zügellos gewordenen Edelleute die Huldigung. Von dem Adel, dessen Unabhängigkeit die pommerschen Herzöge unterstützten, drohte dem Kurfürsten Gefahr. Die großen Geschlechter waren mächtig. Sie bewaffneten ihre Untertanen, bekriegten einander und beraubten die Reisenden auf den Landstraßen. Starke, mit Gräben umzogene Burgen dienten ihnen als Schlupfwinkel. Diese kleinen Tyrannen teilten sich in die Herrschermacht und bedrückten ungestraft die Bauern. Da es niemanden gab, dessen Autorität fest genug gestanden hätte, um den Gesetzen Geltung zu verschaffen, herrschte allgemeine Anarchie und größtes Elend im Lande. Die Hauptaufsässigen waren die Familien Quitzow, Putlitz, Bredow, Holtzendorff, Uchtenhagen, Torgow, Arnim, Rochow und Hohenstein. Mit ihnen hatte es Kurfürst Friedrich I. zu tun.

Obgleich Friedrich sich die Stände unterwarf, blieben sie doch stets Herren der Regierung. Sie bewilligten Gelder, setzten die Abgaben fest, bestimmten die Zahl der Truppen, die nur im Notfalle ausgehoben wurden, und besoldeten sie. Sie wurden bei allen Maßnahmen zur Landesverteidigung zu Rate gezogen, und unter ihrem Einfluß stand die Übung der Gesetze und die innere Verwaltung.

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Die Geschichte liefert uns mehr als ein Beispiel von der Macht Her Stände. Kurfürst Albrecht Achilles brauchte 100 000 Dukaten. Er ersuchte die Stände, diese Summe aufzubringen. Zu dem Zweck belegten sie das Bier mit einer Steuer, die sie jedoch nur auf sieben Jahre bewilligten165-1. Später wurde sie erhöht. Sie wurde der Anfang dessen, was wir die „Landschaft“ oder „Allgemeine Bank“ nennen165-2.

Zur Zeit des Kurfürsten Joachim I. erhoben die Stände eine Steuer von den Mühlen, Meierhöfen und Schäfereien zur Ausrüstung von 200 Reitern, die der Kurfürst dem Kaiser für den Türkenkrieg stellte.

Unter Joachim II. war die Macht der Stände so groß, daß sie einige Ämter, auf die der Kurfürst Anleihen aufgenommen hatte, unter der Bedingung einlösten, daß weder er noch seine Nachfolger sie künftig beleihen oder veräußern dürften. Der Kurfürst holte in allen Fragen ihren Rat ein und versprach ihnen sogar, ohne ihre Zustimmung nichts zu unternehmen. Die Stände setzten sich mit Karl V. in Verbindung und erklärten es für unangebracht, daß der Kurfürst sich zum Reichstag begäbe, und Joachim II. verzichtete auf die Reise.

Johann Sigismund und Georg Wilhelm verhandelten mit ihnen über die Frage der Erbfolge in Jülich und Berg165-3. Die Stände ernannten vier Abgeordnete, die den Hof begleiteten, um ihm beratend zur Seite zu stehen und an den Unterhandlungen teilzunehmen, wie auch zur Unterstützung der Kurfürsten, wenn es die Umstände verlangten.

Georg Wilhelm berief die Stände zum letztenmal, um sie zu befragen, ob sie es für gut hielten, daß er sich mit den Schweden verbündete und ihnen die festen Plätze auslieferte, oder ob er sich der Partei des Kaisers anschließen sollte165-4. Seitdem riß Schwarzenberg, der allmächtige Minister eines schwachen Fürsten, alle Autorität des Herrschers und der Stände an sich. Er legte aus eigener Machtvollkommenheit Steuern auf. Den Ständen blieb von ihrem Einfluß, den sie niemals mißbraucht hatten, nichts als das Verdienst einer blinden Unterordnung unter die Befehle des Hofes.

Bis zur Regierung Joachim Friedrichs hatten die Kurfürsten keine andern Berater gehabt als die Stände. Joachim Friedrich schuf einen Geheimen Rat165-5 aus den bisherigen Verwesern der Justiz und der Finanzen, der Reichsgeschäfte und dem Hofmarschall; den Vorsitz führte ein Statthalter. Dieser Geheime Rat war die oberste Instanz für die Gerichtsbarkeit, für Zivil- und Militärangelegenheiten wie für Polizeiverordnungen. Er setzte die Instruktionen für die Gesandten an den auswärtigen Höfen auf. Zwang eine Reise oder ein Krieg den Kurfürsten zum Verlassen seines Landes, so versah der Geheime Rat alle Obliegenheiten des Herrschers. Er<166> erteilte fremden Ministern Audienzen. Mit einem Wort, er besaß die gleiche Macht wie eine Vormundschaftsregierung während der Minderjährigkeit eines Fürsten.

Die Macht des Premierministers und des Geheimen Rates war fast unumschränkt. Unter Georg Wilhelm hatte Graf Schwarzenberg seine Autorität derart gesteigert, daß sie derjenigen der Hausmeier unter den merovingischen Königen gleichkam. Aber er trieb so ungeheuerlichen Mißbrauch damit, daß Kurfürst Friedrich Wilhelm von keinem Premierminister mehr wissen wollte. In der Instruktion von 1651 teilte er jedem Minister seinen besonderen Wirkungskreis zu und stellte zwei Räte in jeder Provinz an, die diese zu verwalten und Rechenschaft zu legen hatten.

Friedrich Wilhelm residierte während der ersten Jahre seiner Regierung in Königsberg in Preußen. Er versah den Geheimen Rat, der in Berlin blieb, mit weitgehenden Instruktionen, der Zeit und den Umständen gemäß. Die Truppen erhielten ihre Befehle von den rangältesten Generalen der Provinz. Die Festungskommandanten unterstanden unmittelbar dem Herrscher.

Beim Tode des Kanzlers Götze166-1 wurde diese Würde abgeschafft, und Otto von Schwerin wurde Oberpräsident des Geheimen Rats (1658)166-2. Die Staatsgeschäfte waren derart verteilt, daß alles, was die Gesetze betraf, vor den Justiz-Staatsrat kam, an dessen Spitze ein Präsident stand. Die Rechtsprechung über die Hofbeamten lag dem Schloßhauptmann ob. Die Finanzen des Kurfürsten wurden von der Domänenkammer verwaltet, die in verschiedene Abteilungen zerfiel; ihre Oberleitung hatte Baron Meinders166-3 und nach ihm Jena166-4.

Ein Konsistorium, das zur Hälfte aus Geistlichen, zur Hälfte aus Laien bestand, verwaltete die kirchlichen Angelegenheiten. Außer den genannten Körperschaften gab es noch eine Lehnskanzlei, die über alle Lehnssachen entschied.

Unter Friedrich I.166-5 blieb so ziemlich alles beim alten, nur mit dem Unterschied, daß er sich stets von seinen Ministem beherrschen ließ. Danckelman, sein früherer Erzieher, wurde Herr des Staates. Nach seinem Sturze folgte ihm Graf Wartenberg in Gunst und Macht166-6. Und ihn hätte Kameke166-7 als Oberkammerherr abgelöst, hätte der Tod des Königs seinem Aufstieg nicht ein Ende gemacht.

Friedrich Wilhelm I. änderte die Form des Staates und der Regierung vollständig. Er beschränkte die Macht der Minister. Nachdem sie zu Lebzeiten seines Vaters die Rolle des Herrn gespielt hatten, wurden sie seine Untergebenen. Die auswärtigen Angelegenheiten wurden Jlgen166-8 und Knyphausen166-9 übertragen. Sie unterhielten den Verkehr mit den fremden Gesandten und korrespondierten mit den preußischen Vertretern an den verschiedenen europäischen Höfen. Sie hatten vor allem die Reichsangelegenheiten, die Grenzfragen zu erledigen und die Rechtsansprüche des Herrscher<167>Hauses zu vertreten. Der Minister von Coccej167-1 stand als Großkanzler ander Spitze der Justiz. Unter ihm leitete Arnim167-2 das Appellationsgericht und die Zivilgerichtsbarkeit in Preußen und Ravensberg, Ratsch167-3 die Kriminaljusiiz.

Oberhofmarschall Printzen167-4 wurde Präsident des Oberkonsistoriums und führte die Aufsicht über Universitäten, fromme Stiftungen, Domkapitel und die Angelegenheiten der Juden.

Von allen Verwaltungszweigen war das Finanzwesen am meisten vernachlässigt. Der König schuf hier eine ganz neue Ordnung. Im Jahre 1723 errichtete er das Generaldirektorium. Diese Behörde zerfällt in vier Abteilungen, deren jeder ein Staatsminisier vorsteht. Ostpreußen, Pommern und die Neumark bildeten nebst dem Postwesen die erste Abteilung unter Grumbkow167-5. Die Kurmark, das Herzogtum Magdeburg, die Grafschaft Ruppin und das Kriegskommissariat bildeten die zweite Abteilung unter Kraut167-6. Die dritte unter Görne167-7 bestand aus den Rhein- und Weserlanden nebst den Salinen. Die vierte endlich, unter Viereck167-8 umfaßte das Fürstentum Halberstadt, die Grafschaft Mansfeld, die Manufakturen, das Stempel-und Münzwesen.

Der König vereinigte das Kommissariat mit dem Finanzdepartement167-9. Früher hatten diese Behörden vierzig Advokaten beschäftigt, um die Prozesse in Gang zu halten, die sie miteinander führten. Dabei wurden die Geschäfte selbst vernachlässigt. Seit ihrer Vereinigung arbeiteten sie gemeinschaftlich zum Wohle des Staates.

Unter diesen Hauptdepartements errichtete der König in jeder Provinz ein Justiz-und ein Finanzkollegium167-10, die den Ministem unterstellt waren. Die Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der Justiz und der Finanzen erstatteten täglich Bericht an den König, der als oberste Instanz in allen Fragen entschied. Während seiner ganzen Regierung wurde nicht das kleinste Edikt ohne seine Unterschrift veröffentlicht; auch die kleinste Instruktion verfaßte er selbst.

Er verwandelte alle Lehen in freien Besitz, wofür die Inhaber eine jährliche Abgabe an den Staat zu zahlen hatten167-11.

Friedrich Wilhelm verwandte 4 500 000 Thaler auf die Wiederherstellung Litauens, 6 Millionen auf den Wiederaufbau der Städte seines Landes, auf die Vergrößerung Berlins und die Gründung Potsdams. Er kaufte für 5 Millionen Landgüter, die er zu seinen Domänen schlug.

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Wie Du aus diesem Auszug ersehen kannst168-1, bedarf es der Zeit, um zu etwas Gescheitem zu kommen. Wie viele Jahrhunderte mußten verfließen, bis das preußische Staatsgebiet günstige Gestalt gewann und Ordnung und Gerechtigkeit herrschten! Prüfen wir nun den Ursprung von Preußens Wachstum und die Ursachen, die am meisten dazu beitrugen. Um zu einem sicheren Urteil zu gelangen, will ich im folgen, den die Entwicklung des Finanzwesens von Zeitalter zu Zeitalter, von Regierung zu Regierung ausführlich darlegen. Das soll im nächsten Abschnitt geschehen.

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II
Allmähliche Gebietserweiterung Brandenburgs
Zunahme und Fortschritte der Finanzen

Ursprünglich bestand die Kurmark nur aus der Alt-, Mittel- und Uckermark und der Priegnitz. Außer Betracht bleiben die fränkischen Besitztümer, die bald dazu gehörten, bald abgetrennt wurden zugunsten einer Seitenlinie, die sie noch heute besitzt169-1.

Nach dem Tode des Grafen Wichmann von Lindow, seines Lehnsmannes, zog Joachim I. die Grafschaft Ruppin ein169-2. Sein Sohn, Joachim II., trat zum Protestantismus über und säkularisierte die Bistümer Brandenburg, Havelberg und Lebus169-3. Er ermaß wohl nicht ganz, wie vorteilhaft die Reformation für seine Nachfolger sein würde. Und doch trug sie viel zu der späteren Vergrößerung des Hauses Brandenburg bei. Johann Georg erbte die Neumark von seinem Oheim, Markgraf Johann, der kinderlos starb169-4. Johann Sigismund oder vielmehr Georg Wilhelm erbte Preußen, das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg von seiner Mutter, der Tochter Maria Eleonores von Kleve, die ihrerseits durch den Tod des letzten Herzogs von Kleve, der ohne männliche Erben starb, in den Besitz jener Länder gelangt war169-5. Preußen erbte er durch den Tod Albrecht Friedrichs von Brandenburg, genannt der Einfältige, des letzten Herzogs169-6.

Bisher sehen wir nur Erwerbungen durch Erbschaften oder günstige Eheschließungen. Der Große Kurfürst dehnte seine Macht durch Waffengewalt und Unterhandlungen aus. Im Westfälischen Frieden erwarb er Hinterpommern und wurde für Vorpommern durch die Säkularisation der Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Minden entschädigt169-7. Er erntete die Früchte der Reformation. Durch Waffenglück machte er sich zum souveränen Herrscher von Preußen, das bisher unter polnischer Lehnshoheit gestanden hatte169-8. Die Republik Polen erkaufte seine Freundschaft durch Abtretung der Ämter Lauenburg und Bütow169-9. Später verpfändeten die Polen ihm auch das Gebiet von Elbing169-10 und die Herrschaft Draheim für eine ihnen vorgeschossene Summe. Ferner gewann er das Fürstentum Halberstadt und dessen Afterlehen, die Grafschaft Regenstein. Er legte eine Besatzung nach Greetsyhl und faßte dadurch Fuß in Ostftresland, auf das er Anwartschaft hatte169-11.

Ohne Zweifel verdankt das Haus Brandenburg dem Großen Kurfürsten die Macht, zu der es gelangt ist. Aus diesen Beispielen ersiehst Du, daß es die Menschen sind, die<170> die Staaten machen, und daß alle Schöpfer neuer Monarchien große Geister waren, die die Natur nur von Zeit zu Zeit und gleichsam mit Anstrengung hervorbringt.

Friedrich I. kaufte von König August von Polen die Grafschaft Hohenstein und die Ämter Quedlinburg und Petersberg170-1. Auf gleiche Weise erwarb er die Herrschaften Serrey und Tauroggen in Polen. Nach dem Tode König Wilhelms erbte er die Grafschaft Lingen und das Fürstentum Mörs, Herstal und einige andere Besitzungen in Holland170-2. Er kaufte die Grafschaft Tecklenburg; Neuchâtel schloß sich aus freien Stücken an Preußen an170-3. Schließlich brachte Friedrich I. die Königswürde an sein Haus. Das war ein Same des Ehrgeizes, der in der Folge aufgehen sollte.

Friedrich Wilhelm I. erwarb das Herzogtum Geldern im Frieden von Utrecht170-4, Vorpommern mit Stettin nebst den Inseln Usedom und Wollin im Frieden zu Stockholm, der 1720 unterzeichnet ward170-5.

Du übersiehst nun mit einem Blick alle Erwerbungen des Hauses Brandenburg, siehst, wie es mit Riesenschritten seiner Größe entgegenging. Es ist eine ununterbrochene Kette von Glücksfällen. Alle Herrscher scheinen von Geschlecht zu Geschlecht stets das gleiche Ziel vor Augen gehabt zu haben, obwohl sie zu seiner Erreichung verschiedene Wege einschlugen. Staatsklughelt allein leitet Johann Sigismund. Er gründet seine Hoffnung auf eine reiche Heirat, deren Früchte sein Sohn Georg Wilhelm erntet. Friedrich Wilhelm, groß in seinen Ideen und kühn in seinen Unternehmungen, findet Hilfsmittel in einem Lande, das sein Vorgänger für verloren hielt. Er schafft sich einen gesicherten Ruf — die Hauptsache für alle Herrscher —, macht Eroberungen, gibt sie großmütig wieder heraus und verdankt alle seine ErWerbungen offenbar nur seiner Tüchtigkeit und der Achtung ganz Europas. Sein großer Machtzuwachs begann Neid zu erregen. Das Schicksal mußte ihm einen friedliebenden Nachfolger bescheren, damit die Nachbarn sich beruhigten und sich allmählich daran gewöhnten, Preußen unter die Großmächte zu rechnen. Friedrich I. machte zwar einige Erwerbungen, sie waren aber zu unbedeutend, um die Blicke Europas auf sich zu lenken. Selbst seine Schwächen schlugen zum Vorteil seines Hauses aus. Seine Eitelkeit brachte ihm die Königswürde ein, die anfangs ganz chimärisch erschien, in der Folge jedoch die ihr fehlende feste Grundlage erhielt. Friedrich Wilhelm I. eroberte Stettin, ließ es aber bei dieser Erwerbung nicht bewenden, sondern widmete sich den inneren Reformen und vergrößerte seine Macht durch emsigen Fleiß fast ebensosehr, wie irgend einer seiner Vorfahren durch andere Mittel.

Um die Fortschritte in den Finanzen Friedrich Wilhelms recht zu beurteilen, muß ich für einen Augenblick weiter zurückgreifen, um dann schrittweise bis zu seiner weisen Verwaltung zu kommen. Die vergleichende Methode verbreitet das meiste Licht über die Tatsachen, erweitert unsere Kenntnisse und führt zur Gewißheit. Bei diesem<171> kurzen Vergleich wirst Du mit Überraschung sehen, wie sich die Verhältnisse erst allmählich, doch schließlich rasch ändern.

In alter Zeit hatten die Kurfürsten nur einige Domänen, die ihnen auch nur sehr mäßige Einkünfte brachten. Hin und wieder bewilligten ihnen die Stände außerordentliche Gelder nach ihren jeweiligen Bedürfnissen. Dadurch entstanden große Schwankungen in den Jahreseinkünften und ungeheure Verschiedenheiten in den einzelnen Erträgnissen.

Die in der Hofstaatsrentei171-1 erhaltenen Dokumente sind lückenhaft. Bisweilen sind nur Gesamtziffern von zehn und mehr Jahren vorhanden. Zur Bestimmung des durchschnittlichen Jahreseinkommens mußte ich daher die Zahlen durch zehn teilen.

Aus dieser Berechnung ergibt sich, daß in den Jahren 1608 bis 1618 die Einkünfte des Kurfürsten Johann Sigismund sich auf jährlich 248 775 Taler beliefen. Die Mark Feinsilber betrug damals 9 Taler, während sie jetzt einen Wert von 12 Talern hat. Auf unseren Münzfuß umgerechnet, ergäben sich also 331 701 Taler. Wie schon gesagt, erhöhten die Stände diese Summe bisweilen. Ich benutze die gleiche Methode für die folgenden Herrscher. Nehme ich den Durchschnitt der Einkünfte Georg Wilhelms in den Jahren 1619 bis 1640, d. h. 21 Jahre lang, so ergeben sich pro Jahr 119 825 Taler oder nach heutigem Werte 159 767 Taler. Der Rückgang hat seine Ursache in den Verheerungen durch die Kaiserlichen, die Schweden und die ersten besten Kriegsvölker, die während des Dreißigjährigen Krieges die Kurmark überschwemmten. Das Elend des Krieges machte sich noch in den ersten Regierungsjahren des Großen Kurfürsten geltend. Infolgedessen besteht zwischen den Einnahmen dieser Zeit und den späteren ein großer Unterschied. Von 1640 bis 1652, also in einem Zeitraum von 12 Jahren, betrugen die Einkünfte nach unserem Werte nur 191 922 Taler, zehn Jahre später aber schon 341 970. Im Jahre 1673 waren es 402 323 Taler, 1676 bereits 630 462, im Jahre 1678: 1 706 724, im Jahre 1683: 2 183 622 und im Todesjahr Friedrich Wilhelms, 1688: 2 256 876 Taler.

Dieser allmähliche Zuwachs ist teils den Refomen im Finanzwesen zu danken, die der Kurfürst einführte, teils aber auch der Neuerwerbung wohlhabender und ertragreicher Provinzen. Friedrich Wilhelm entschuldete die Domänen und führte die Post ein, deren Einnahmen bei der weiten Strecke von Wesel bis Memel und von Halberstadt bis Hamburg sehr erheblich waren.

Die 1670 in den Städten eingeführte Akzise171-2 wurde zum Unterhalt der Truppen bestimmt. Das führte zur Begründung der Generalfeldkriegskasse, die erst 1676 entstand. Die Kontributionen171-3 wurden 1678 neu geregelt, das Stempelpapiergeld 1683, die Marinekasse 1686 eingeführt. In sie floß ein Viertel vom Gehalt jeder unbesetzten Stelle. Sie wurde zur Bestreitung der kleinen Flotte benutzt, die der Kurfürst unterhielt.

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Früher galt die Mark Feinsilbers in Brandenburg wie im ganzen Reiche stets 9 Taler. Im Jahre 1651 zwangen die schlechten Zeiten den Großen Kurfürsten zu allerlei Notbehelfen, um die dringendsten Ausgaben zu bestreiten. Durch ein Edikt jenes Jahres setzte er einen Zwangskurs für alle im Umlauf befindlichen Münzen fest und ließ für beträchtliche Summen Groschen und Pfennige prägen, deren tatsächlicher Wert ungefähr einem Drittel des Nennwertes entsprach. Da der Kurswert rein imaginär war, wurde er sofort entwertet und sank bis auf die Hälfte herab. Die alten gediegenen Taler stiegen auf 28, ja 30 Groschen172-1, daher unsere Bezeichnung Banktaler.

Im Jahre 1667 besprachen sich die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen172-2 in Zinna und kamen überein, den Münzwert auf neuer Grundlage festzusetzen. Danach sollte die Mark Feinsilbers mit dem sogenannten Remedlum172-3 in allen Geldsorten vom Taler bis zum Pfennig insgemein 10 Taler 16 Groschen gelten. Es wurden Gulden und halbe Gulden geprägt, und die Mark Feinsilbers behielt den Wert von 10 Talern.

Im Jahre 1690 beratschlagte Friedrich I. mit dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Hannover172-4 über Mittel zur Aufrechterhaltung der Übereinkunft von Zinna. Als sie aber die Unmöglichkeit einsahen, setzten sie den Kurswert der Gulden und Achtgroschenstücke auf 12 Taler für die Mark Feinsilbers fest. Dieser Münzfuß, der Leipziger genannt, ist noch heutigen Tages in Geltung.

Im Jahre 1700 betrugen die Einkünfte Friedrichs I. 3 600 004 Taler. Im Jahre 1713, seinem Todesjahr, waren sie bis auf 4 109 565 Taler gestiegen.

Friedrich Wilhelm I. vermehrte sie beträchtlich, indem er Litauen wieder aufhalf, die Sümpfe bei Nauen und in Pommern austrocknete, alle möglichen Manufakturen in den Städten errichtete und Kolonisten ansiedelte, denen er beträchtliche Unterstützungen gewährte. Die Wiederherstellung Litauens kostete ihm 4 500 000 Taler. Er vermehrte seine Domänen durch Ankauf von Landgütern im Betrage von 5 Millionen Talern und verausgabte 6 Millionen Taler zum Wiederaufbau der Städte, zur Vergrößerung Berlins und zur Gründung von Potsdam. Seine Mühe war nicht umsonst. Forscht man in den alten Urkunden nach, so ergibt sich zwar, daß vor dem Dreißigjährigen Kriege 2 847 Bauern mehr als jetzt existierten. Dafür aber zählt man heute 94 Dörfer mehr, ganz abgesehen davon, daß viele elende Nester von damals heute zu blühenden Städten geworden sind. Rechnet man die ganze Ackerbau treibende Bevölkerung zusammen, so hat Preußen jetzt 15 792 Seelen mehr als zur Zeit des Kurfürsten Johann Sigismund.

Als Friedrich Wilhelm starb, betrugen die Staatseinkünfte 7 Millionen Taler.

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III
Das Heerwesen
von seinen Anfangen bis zum Ende der Regierung Friedrich Wilhelms I.

Die ersten Kurfürsten aus dem Hause Brandenburg unterhielten kein stehendes Heer. Sie hatten nur eine berittene Leibwache von hundert Mann und ein paar Fähnlein Landsknechte, die auf die Burgen und festen Plätze verteilt waren, und deren Zahl sie je nach Bedarf erhöhten oder verminderten. Stand ein Krieg zu befürchten, so boten sie und die Stände den Heerbann auf, d. h. sie bewaffneten sozusagen das ganze Land. Der Adel stellte die Reiterei, seine Lehnsleute das Fußvolk, in Schlachthaufen geordnet.

Diese Art der Aushebung und Zusammensetzung der Heere war damals in Europa allgemein üblich. Die Gallier, die Germanen und die Briten hatten es stets so gehalten, und noch heute ist es Brauch bei den Polen. Sie nennen dies allgemeine Volksaufgebot „Pospolite ruszenie“. Auch die Türken haben die alte Gepflogenheit beibehalten. Neben einem stehenden Heer von 30 000 Janitscharen bewaffnen sie im Kriegsfalle stets die Bewohner Kleinasiens, Ägyptens, Arabiens und Griechenlands, die unter ihrer Herrschaft stehen.

Doch kehren wir zur brandenburgischen Geschichte zurück. Als Johann Sigismund auf den baldigen Eintritt des Erbfalles in Jülich und Berg173-1 rechnete, sah er die Notwendigkeit voraus, seine Rechte mit Waffengewalt durchzusetzen. Daher ordnete er ein allgemeines Aufgebot von 787 Reitern an, die sich am Sammelplatze einfanden, und wählte aus ihnen 400 der Gewandtesten aus. Ferner stellte der Adel 1 000 Mann Fußvolk, ungerechnet die Pikeniere unter dem Kommando des Obersten Kracht173-2. Auch die Städte schickten 2 600 Mann ins Feld. Diese Truppen wurden auf Kosten der Stände verpflegt; ihren Sold erhielten sie gewöhnlich nur auf drei Monate, nach deren Verlauf jeder in seine Heimat zurückkehrte. Der Kurfürst ernannte die Offiziere. Sobald die Notwendigkeit der Kriegsbereitschaft aufhörte, wurden die Truppen sogleich entlassen.

Die stürmische Regierungszeit Georg Wilhelms bietet mehrere Beispiele dieser Art von Rüstungen.

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Im Jahre 1620174-1, während des Dreißigjährigen Krieges, warben die Stände Truppen an und ermächtigten sie, sich die Mittel zu ihrem Unterhalt im ganzen Lande beizutreiben. Die Bauern wurden angewiesen, ihnen je einen Pfennig zu geben, so oft sie betteln kamen, und sie durchzuprügeln, wenn sie sich damit nicht begnügten. Was war der Erfolg dieses lächerlichen Verfahrens? Der Herrscher züchtete sich statt Soldaten eine Horde von Bettlern.

Im Jahre 1623 befahl der Hof durch ein Edikt allen Untertanen mit Ausnahme der Priester und Schöffen, sich mit Waffen und Gepäck an einem näher bezeichneten Ort einzufinden, wo sie von Kommissaren einer Musterung unterzogen werden sollten. Aus ihnen wurden 3 900 Mann ausgewählt, die man in 25 Kompagnien Infanterie und 10 Schwadronen einteilte.

Nach dem Frieden von Prag (1635) bewog Graf Schwarzenberg Georg Wilhelm, seine Truppen zu verstärken. Die Mittel zu ihrem Unterhalt sollten Subsidien liefern, die Spanien und der Kaiser zahlten. Nach dem Plan des Ministers sollte das Heer auf 25 000 Mann gebracht werden. Die Aushebungen fanden statt, und die Truppen leisteten dem Kaiser und dem Kurfürsten den Treueid. Bei ihrer Musterung in Neustadt-Eberswalde (1638) wurde eine Zählung vorgenommen, die folgendes Ergebnis hatte:

Infanterie
Rang der FührerNamen der RegimenterAnzahl der Fußsoldaten
GeneralKlitzing174-2850
OberstenKracht174-3960
Burgsdorff174-41 300
Dargitz174-5700
Volckmann174-6700
Dietrich Kracht660
Rochow174-7980
OberstleutnantsMengzeis550
Waldow174-81 300
Kehrberg174-9
 Gesamtzahl der Fußsoldaten8 000
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Kavallerie
FührerNamen der RegimenterAnzahl der Reiter
OberstenHans Rochow500
Ehrentreich Burgsdorff175-1500
OberstleutnantsPotthausen175-2500
Schapelow175-3350
Goldacker175-4160
Erichson175-5350
Vorhauer175-6190
 Dragoner350
 Gesamtzahl der Reiter2 900

Klitzing, der diese Armee befehligte, ist der erste General, den die Geschichte Brandenburgs nennt. Die Truppen wurden je nach den Zeitläuften, Mitteln und Gelegenheiten vermehrt oder vermindert, doch überstieg ihre Fahl niemals 11 000 Mann. Bei seinem Tode hinterließ Georg Wilhelm seinem Sohne folgende Armee:

InfanterieKavallerie
Namen der RegimenterAnzahl der SoldatenNamen der RegimenterAnzahl der Soldaten
Burgsdorff175-7800Goldacker175-11900
Kracht175-8600Lütkke175-12600
Volckmann800Rochow175-131 000
Trott175-91 200
Goldacker175-10200
Gesamtzahl d. Fußsoldaten3 600Gesamtzahl der Reiter2 500

Friedrich Wilhelm kam unter den traurigsten Verhältnissen zur Regierung. Um seinen von Geld und Menschen entblößten Provinzen wieder aufzuhelfen, nahm er Truppenentlassungen vor. Die Kavallerie, die sich weigerte, den ordnungsmäßigen<176> Eid zu leisten, wurde verabschiedet. Um sich dem Kaiser gefällig zu erweisen, trat ihm der Kurfürst 2 000 Reiter ab. Er behielt nur 200 Reiter und 2 000 Mann Fußvolk, die das Leibregiment, sowie die Regimenter Burgsdorff, Trott und Ribbeck176-1 bildeten.

Friedrich Wilhelm war der erste Kurfürst, der ein stehendes Heer unterhielt. Die Infanteriebataillone setzten sich aus 4 Kompagnien zu je 150 Mann zusammen. Ein Drittel der Bataillone war mit Piken, der Rest mit Musketen bewaffnet. Die Infanterie trug Uniformen und Mäntel. Die Reiter versahen sich selbst mit Waffen und Pferden. Sie trugen halbe Rüstung176-2, rückten schwadronsweise ins Feld und führten vielfach Kanonen mit.

Im Jahre 1651 entstand ein Streit zwischen dem Kurfürsten und dem Pfalzgrafen von Neuburg wegen der klevischen Erbschaft176-3. Aus diesem Anlaß vermehrte der Kurfürst seine Truppen. Er hob 52 Kompagnien Kavallerie und 82 Kompagnien Infanterie aus. Auch trat Graf Wittgenstein176-4 in seine Dienste mit den Kavallerieregimentern Wittgenstein, Storckow und Osten, und den Infanterieregimenten Pissart, Hanau und Maillard. Nach Beilegung der Zwistigkeiten mit dem Pfalzgrafen entließ der Kurfürst die Mehrzahl seiner Truppen.

Kurz darauf (1655) brach ein Krieg zwischen Karl Gustav und der Republik Polen aus176-5, der zu neuen Aushebungen führte. Mit Hilfe schwedischer Subsidien gab sich der Kurfürst alle Mühe, eine Armee auf die Beine zu bringen. Nach den Archiven belief sich damals die Kavallerie auf 14 400 Pferde. Diese Zahl scheint stark übertrieben. Was sie dennoch glaublich machen könnte, sind die Namen der Führer und der Truppenteile, die uns erhalten geblieben sind. Es waren dies die Garden, die Generale Waldeck, Kannenberg176-6, Derfflinger176-7, die Obersten Lottum, Spaen, Siegen, Manteuffel, Schenck, Wallenrodt, Strantz, Reinau, Halle, Eller, Quast, und die Dragonerregimenter Waldeck, Kanitz, Kalckstein, Lesgewang, Lehndorff, Sack und Schlieben. Da der Kurfürst die Absicht hatte, die Polen anzugreifen, deren Hauptsiärke in der Kavallerie lag, ist es wohl möglich, daß er sie mit gleichen Waffen bekämpfen und ihnen ein Korps entgegenstellen wollte, das imstande war, ihnen Respekt einzuflößen. Seine Infanterie belief sich auf 10 600 Mann. Sie bestand aus der Leibgarde, dem Regiment des Feldzeugmeisiers Sparre176-8, sowie den Regimentern Waldeck, Trott, Graf Waldeck, Kalckstein, Klingsporn, Dobeneck, Götze, Hugt und Eulenburg. Während des ganzen Krieges, den der Kurfürst mit den Schweden gegen Polen führte, hatte Waldeck als Generalleutnant den Oberbefehl über die branden<177>burgischen Truppen177-1. Ein Teil der Armee folgte dem Kurfürsten nach Polen; der Rest wurde in den Provinzen verteilt.

Nachdem Friedrich Wilhelm mit Polen Frieden geschlossen, eilte er dem König von Dänemark zu Hilfe, den Karl Gustav in Kopenhagen belagerte. Er marschierte selbst nach Holstein mit 4 000 Mann Infanterie und 12 000 Reitern, die zur Hälfte kaiserliche Kürassiere waren177-2.

Nach dem Frieden von Oliva nahm der Kurfürst wieder eine Verminderung seiner Truppen vor, doch nicht in erheblichem Maße. Die zahlreichen Generale, die er seitdem hatte, beweisen, daß eine entsprechende Anzahl Soldaten vorhanden gewesen sein muß. Feldmarschall Sparr ist der Erste seines Ranges in Brandenburg. Die Generale der damaligen Zeit sind folgende: Feldzeugmeister Derfflinger, die Generalleutnants Fürst Johann Georg von Anhalt177-3, Graf Dohna177-4, Baron Kannenberg und von der Goltz177-5, die Generalmajore von Pfuel177-6, von Bawyr177-7, von Görtzke177-8, von Quast177-9, von Eller177-10, von Spaen177-11 und von Trott.

Bei Beginn des Krieges von 1672 besaß der Kurfürst eine Armee von 23 562 Mann. Die Zahl der Soldaten, mit der er dem Kaiser ins Elsaß zu Hilfe kam, betrug 18 000. In der Folge vermehrte er seine Truppen bis auf 26 000 Mann. Mit ihnen führte er die ruhmreichen Feldzüge in Pommern, das er eroberte, und in Preußen, aus dem er die Schweden vertrieb.

Als Friedrich Wilhelm die Regierung antrat, ließ die Besoldung und Verpflegung der Truppen sehr viel zu wünschen übrig. Dieser Zustand dauerte bis zum Jahre 1667, wo der Finanzminister Grumbkow die Akzise in den Städten einführte177-12. Das daraus gewonnene feste Einkommen floß der Kriegskasse zu. Die Löhnung des gemeinen Soldaten betrug bis anderthalb Taler monatlich; auch die Besoldung der Offiziere war recht gering. Während des polnischen Krieges und des Krieges von 1672 unterhielt Friedrich Wilhelm seine Truppen zum Teil mit Hilfe schwedischer, österreichischer, spanischer und französischer Subsidiengelder. Seit 1676 aber steigerten sich seine Einkünfte durch die Akzise, die Erwerbung des Herzogtums Magdeburg und die Besserung der Verhältnisse in den Provinzen, die sich allmählich von den Schlägen des Dreißigjährigen Krieges erholten. Alle diese Hilfsquellen, deren Erträgnisse gut verwaltet wurden, setzten ihn in den Stand, aus eigenen Mitteln ein recht ansehnliches Heer zu unterhalten.<178> Beim Tode des Großen Kurfürsten war der Bestand der Armee folgender:

Infanterie
Namen der RegimenterBatailloneNamen der RegimenterBataillone
Leibgarde6Übertrag22
Kurfürstin2Barfus2
Kurprinz2Zieten2
Markgraf Philipp2Kurland2
Anhalt2Belling2
Derfflinger2Varenne2
Holstein2Pöllnitz2
Spaen2Cournuaud2
Dönhoff2Briquemault2
Summe22Gesamtzahl der Infanterie35
Kavallerie
Namen der RegimenterSchwadronenNamen der RegimenterSchwadronen
Kürassiere Übertrag23
Garde du Corps2Lüttwitz3
Grand Mousquetaires178-12Du Hamel3
Grenadiere zu Pferd1Prinz Heinrich v. Sachsen3
Leibregiment3Gesamtzahl der Kürassiere32
Kurprinz3  
Anhalt3  
Derfflinger3Dragoner 
Spaen3Leibregiment4
Briquemault3Derfflinger4
Summe23Gesamtzahl der Kavallerie40
<179>

Außerdem standen in den Festungen noch folgende Truppen:

in Memel3 Kompagnien,
„ Kolberg4 „
„ Küstrin4 „
„ Spandau2 „
„ Peitz3 „
„ Friedrichsburg1 „
„ Frankfurt1 „
Zusammen18 Kompagnien.

Während der Regierung des Großen Kurfürsten bestand ein Bataillon aus 4 Kompagnien, eine Kompagnie aus 150 Mann. Nach dieser Berechnung zählte also ein Bataillon 600 Köpfe. Die Feldtruppen betrugen demnach 21 000 Mann Fußvolk, die Besatzungtruppen 2 700 und die Kavallerie, die Schwadron zu 120 Pferden gerechnet, 4 800 Mann. Der Gesamtbestand der Armee belief sich also auf 28 500 Soldaten.

Die Infanterie focht damals fünf bis sechs Glieder tief. Die Pikeniere bildeten den dritten Teil eines Bataillons; die übrigen Soldaten waren mit deutschen Musketen bewaffnet. Die Infanterie, die übrigens recht schlecht bekleidet war, trug außer der Uniform lange Mäntel, auf den Schultern gerollt und zusammengefaltet, ähnlich wie die römischen Konsulare auf antiken Büsten. Bei Beginn des berühmten Winterfeldzugs in Preußen ließ der Große Kurfürst an das ganze Fußvolk Stiefel verteilen.

Die Kavallerie trug noch die alte Rüstung, die natürlich ganz ungleichmäßig war, da jeder Reiter sich Pferd, Waffen und Kleidung selbst beschaffen mußte. So hatte sie denn ein recht seltsames, buntscheckiges Aussehen. Friedrich Wilhelm scheint seine Reiterei dem Fußvolk vorgezogen zu haben. An ihrer Spitze kämpfte er in den Schlachten bei Warschau und Fehrbellin. Sein Vertrauen auf diese Waffe war so groß, daß die Kavallerie nach den Berichten häufig Kanonen mit sich führte. Es leuchtet ein, daß solche Bevorzugung ihre Gründe hatte. Der Kurfürst kannte die Bodenbeschaffenheit seiner Lande, die meist eben sind, und wußte, daß das Militär der Nachbarvölker, besonders der Polen, vorwiegend aus Kavallerie besieht. Darum legte er auf die Reiterei größeren Wert, da sie allgemeinere Verwendungsmöglichkeiten bot.

Zur Zeit Friedrich Wilhelms legte man keine Magazine an. Das Land, in dem Krieg geführt wurde, mußte den Unterhalt des Heeres, Sold wie Lebensmittel, liefern. Lager wurde nur dann bezogen, wenn der Feind anrückte und eine Schlacht stattfinden sollte oder konnte. Verließ man ein Land, so war es ausgeplündert. Die hin und her ziehenden Armeen brandschatzten eine Provinz nach der anderen. Und<180> die Kriege zogen sich um so länger hin, je kleiner die Armeen waren, je weniger kostspielig ihr Unterhalt, und je mehr die Generale Gelegenheit fanden, sich dadurch zu bereichern.

Unter den Generalen des Großen Kurfürsten genossen der alte Derfflinger und Fürst Johann Georg von Anhalt das größte Ansehen. Wäre im Jahre 1673 der Rat des Fürsten von Anhalt befolgt worden, so hätte der Kurfürst Turenne angegriffen und ihn vielleicht geschlagen180-1. Der Fürst von Anhalt galt als klug und Derfflinger als unternehmend. Der letztere leistete seinem Gebieter besonders wertvolle Dienste bei dem Überfall von Rathenow, bei der Verfolgung der Schweden nach der Schlacht von Fehrbellin und beim Winterfeldzug in Preußen, wo er rastlos die Truppen zu größerer Eile anspornte. Nächst Derfflinger waren die angesehensten Generale Görtzke, der die Schweden bei Splitter überraschte, und Tressenfeld, der sie völlig aus Preußen vertrieb180-2.

Die Kunst regelrechter Anlage von Festungen, ihrer Belagerung und Verteidigung war gänzlich unbekannt. Der Kurfürst hatte nicht einmal einen mäßigen Ingenieur in seinen Diensten. Er lag sechs Monate vor Stettin, obschon die Stadt recht schlecht befestigt war180-3. Die Einnahme von Stralsund gelang nur dadurch, daß er die Stadt mit Bomben in Brand setzte180-4. Die Festungswerke, mit denen er Berlin umgab, waren schlecht gebaut. Sie hatten lange Wallinien und Bastione mit flachen Winkeln, sodaß kein Werk flankiert wurde.

Es geht mit der Kriegskunst wie mit anderen Künsten: sie wird nicht mit einem Schlage vollkommen. Genug, daß der Große Kurfürst strategische Leistungen vollbracht hat, die für alle Zeiten den geschicktesten Heerführern zum Muster dienen werden.

Während der Regierung Friedrichs, des ersten Königs von Preußen, wurde die Armee häufig vermehrt und vermindert. Die fremden Subsidien waren das Thermometer, nach dem ihre Zahl stieg und sank. Nach dem Tode des Großen Kurfürsten fand zunächst eine Vermehrung der Truppen statt. Die Kompagnien jedes Bataillons wurden auf 5 erhöht und 7 neue Bataillone ausgehoben, und zwar je zwei Bataillone Lottum, Schomberg und Dohna, und ein Bataillon Sydow. Auch die Kavallerie erhielt 20 neue Schwadronen, und zwar die Garde du Corps 2, die Regimenter Bayreuth und Schöning je 3, die Regimenter Ansbach, Sonsfeld und Brandt je 4.

Ein Jahr darauf (1689) traten 10 brandenburgische Bataillone und 6 Schwadronen in holländische Dienste über. Nach dem Frieden von Ryswik (1697) wurden die Bataillone auf je 4 Kompagnien, die Stärke einer Kompagnie auf 80 Mann herabgesetzt, sodaß im ganzen 80 Kompagnien Infanterie und Kavallerie entlassen wurden. 1699 erhielt jedes Bataillon wieder 5 Kompagnien. 1702 traten die Regi<181>menter Alrecht Friedrich, Varenne, Schlabrendorff, Anhalt-Zerbst und Sydow mit je 12 Kompagnien in holländische Dienste und blieben dort während des ganzen Spanischen Erbfolgekrieges. 1704 und 1705 brachte der König alle Kürassierregmenter auf 3, alle Dragonerregimenter auf 4 Schwadronen.

Beim Tode des Königs bestand die Armee aus folgenden Regimentern:

InfanterieKavallerie
Namen der RegimenterBatailloneNamen der RegimenterSchwadronen
Weiße Grenadier-Garde181-12Kürassiere
Füsilier-Garde3Garde du Corps429
Königs-Regiment4Gensdarmes1
Markgraf Albrecht Friedrich2Leibregiment3
Markgraf Christian Ludwig2Kronprinz3
Anhalt-Dessau2Markgraf Friedrich3
Holstein2Wartensleben3
Lottum2Heiden3
Alt-Dohna2Schlippenbach3
Prinz von Hessen1Bayreuth3
Jung-Dohna2Katte3
Arnim2
Dönhoff2Dragoner
Finckenstein2Leibregiment424
Varenne1Markgraf Albrecht4
Du Troussel1Ansbach4
Grumbkow1Derfflinger4
Truchseß1Pannewitz4
Heiden1von der Albe4
Markgraf Heinrich1
Anhalt-Zerbst1Gesamtzahl der Kavallerie 53
Gesamtzahl der Infanterie38Garnisonkompagnien18

Im ganzen betrug die Armee 30 000 Mann. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Piken abgeschafft und durch spanische Reiter ersetzt. Die Piken nützten allein bei der Verteidigung von Infanterie gegen Kavallerie. Bei Belagerungen, in Verschanzungen und bei hundert anderen Gelegenheiten waren die Pikeniere<182> nicht zu gebrauchen. Die alten Offiziere, die seit langem an die Piken gewöhnt waren, mochten die liebgewonnene Waffe nicht aufgeben. Aber der Krieg vervollkommnet sich nun einmal, und so trennte man sich sogar von den Musketen, da die Lunten oft im Regen verlöschten. Sie wurden durch Flinten182-1 ersetzt.

Unter der Regierung Friedrichs I. befestigte sich auch die Disziplin derTruppen. In Flandern und in Italien gewöhnten sie sich an den Krieg. Die Offiziere, die in Flandern fochten, lernten ihr Handwerk von den Holländern, die damals unsere Lehrmeister waren. Auch die große Sauberkeit, die die englischen Truppen auszeichnete, fand Nachahmung.

Der Generalfeldzeugmeister Markgraf Philipp Wilhelm war der erste, der auf den Körperwuchs der Leute Wert legte. Die Grenadierkompagnien seines Regiments übertrafen an Größe das gewöhnliche Maß. Der Fürst von Anhalt folgte seinem Beispiel, ebenso der Kronprinz. Seitdem fingen die Offiziere an, sich ihre Leute auszusuchen, und man nahm nur noch große, gesunde und kräftige Menschen.

Alle Truppen trugen Uniform. Wer bei der Kavallerie dienen wollte, bezahlte zwar eine Summe für die Annahme, aber Waffen und Kleidung erhielt er auf Kosten der Krone.

Die Infanteristen waren im Felde außerordentlich schwer bepackt. Außer Waffen und Mantel trugen sie ihr Zelt, Tornister und spanische Reiter. Sie fochten noch in vier Gliedern.

Der Fürst von Anhalt, der unter Prinz Eugen gekämpft hatte, im Reich wie in Italien und Flandern, hatte das Waffenhandwerk gründlich studiert. Wie aus der Geschichte hervorgeht, befehligte er häufig die preußischen Hilfstruppen. Er hielt auf straffe Zucht und strenge Beobachtung der Subordination, die die Hauptstärke jeder Armee ausmacht. Doch beschränkte sich seine Fürsorge auf die Infanterie, die Kavallerie wurde sehr vernachlässigt.

Die zahlreichen Offiziere, die in festungsreichen Ländern gekämpft hatten, wo es sich nur um Angriff und Verteidigung von Städten handelt, lehrten uns endlich die Befestigungskunst. Viele erwarben hinreichende Kenntnisse, um den Angriff und die Anlage von Laufgräben leiten und eine belagerte Festung verteidigen zu können. Friedrich I. ließ Magdeburg und Wesel nach dem System von Vauban182-2 und Coehoorn182-3 befestigen. In seinem Dienste standen General Schöning182-4, Kommandant von Magdeburg, der dies Gebiet des Kriegswesens ausgezeichnet beherrschte, und Bodt182-5, dem man allerdings vorwarf, er sei mehr ein geschickter Maurer als ein kluger Ingenieur.

Die Kriege in Flandern, am Rhein und in Italien haben viele bedeutende Offiziere bei den Preußen hervorgebracht. Markgraf Karl, der in Italien starb182-6 bedeckte sich in der Schlacht von Neerwinden (1693) mit Ruhm. Sehr angesehen war<183> General Lottum. Er führte Detachements der flandrischen Armee und fiel in der Schlacht bei Malplaquet (1709)183-1. In der gleichen Schlacht tat sich Graf Finck183-2 hervor. Er nahm die Verschanzung der Franzosen und hielt sich darin, obwohl die kaiserliche Kavallerie dreimal zurückgetrieben wurde. In der Schlacht von Oudenaarde (1708) durchbrach General Natzmer183-3 mit den Gensdarmes drei Treffen der französischen Kavallerie und vollbrachte Wunder der Tapferkeit.

Aber alle überragte der Fürst von Anhalt. Er verrichtete die glänzendsten Taten und besaß das Vertrauen der gesamten Armee. Er rettete bei Höchstädt (1703) die Armee Styrums durch einen geschickten Rückzug, von dem wir an seiner Stelle gesprochen haben183-4 und trug viel zum Gewinn der zweiten Schlacht von Höchstädt bei (1704), die den Franzosen so verderblich wurde. Schließlich erkannte ihm Prinz Eugen das Hauptverdienst am Siege von Turin (1706) zu183-5. In ihm paarte sich große Klugheit mit seltener Tapferkeit. Er besaß viele hervorragende Fähigkeiten, aber keine guten Eigenschaften.

Derart etwa war die Armee und die Generale, die sie führten, als Friedrich Wilhelm, der zweite König von Preußen, den Thron bestieg. Er erhöhte die Löhnung der Soldaten auf zwei Taler monatlich, außerdem erhielten sie sechs Groschen für Hemden, Gamaschen, Schuhe und dergleichen.

Im Jahre 1714 wurden die Infanteriekompanien auf je 120 Mann gebracht. 1715 errichtete der König das Regiment Prinz Leopold183-6 aus den Gefangenen des Krieges gegen Karl XII. 1718 verstärkte er sämtliche Kavallerieregimenter auf 5 Schwadronen. Eine Schwadron bestand aus zwei Kompagnien, eine Kompagnie aus 60 Reitern. 1717 hob er das Dragonerregiment Schulenburg aus, das 5 Schwadronen stark war, und tauschte zwölf japanische Vasen gegen ein Dragonerregiment ein, das der König von Polen entlassen wollte. Sein Kommandeur wurde General Wuthenow183-7; es hieß seitdem das Porzellanregiment. Im Jahre 1725 wurden die Grenadierregimenter zu Pferde Schulenburg, Wuthenow und Platen verdoppelt, sodaß sie fortan je 10 Schwadronen zählten.

Von 1723 bis 1734 vermehrte der König die Infanterie um einen Offizier für jede Kompagnie. Neu ausgehoben wurden die Regimenter Dossow, Thiele, Mosell, Bardeleben, und die Bataillone Beaufort und Kröcher. Ferner wurde jedem Bataillon eine Kompagnie Grenadiere zu 100 Mann beigefügt. Die Artillerie wurde in 2 Bataillone eingeteilt, deren eines für den Felddienst, das andere für die Festungen bestimmt wurde. Ferner schuf der König eine Miliz von 5 000 Mann183-8, deren Offiziere und Unteroffiziere halben Sold erhielten. Diese Truppen versammelten<184> sich alljährlich zu vierzehntägigen Übungen. Nach all diesen Vermehrungen zahlte die preußische Armee im ganzen 72 000 Soldaten184-1. Das war ihr Bestand am 31. Mai 1740.

Sie setzte sich aus folgenden Truppen zusammen:

Infanterie
Namen der RegimenterBatailloneNamen der RegimenterBataillone
Garde3Übertrag38
Kronprinz2Alt-Borcke2
Prinz Karl2Schwerin2
Anhalt-Dessau3Derschau2
Glasenapp2Kleist2
Holstein2Markgraf Heinrich2
Bredow2Anhalt-Zerbst2
Flanß2Sydow2
Prinz Dietrich2Prinz Leopold von Anhalt-Dessau2
Röder2
Grävenitz2Dohna2
Wedell2Jeetze2
Marwitz2Kalckstein2
Lehwaldt2Jung-Borcke2
Dönhoff2Dossow2
Glaubitz2Kröcher1
Leps2Beaufort1
La Motte2Artillerie1
Summe38Gesamtzahl der Infanterie67
Kavallerie
Namen der RegimenterSchwadronenNamen der RegimenterSchwadronen
Kürassiere Übertrag10
Gensdarmes5Leibregiment5
Prinz Wilhelm5Karabiniers5
Summe10Summe20
<185>
Namen der RegimenterSchwadronenNamen der RegimenterSchwadronen
Übertrag20Übertrag 60
Buddenbrock5Dragoner
Katte5Schulenburg, Grenadiere1045
Bredow5Bayreuth10
Alt-Waldow5Platen10
Geßler5Thümen5
Markgraf Friedrich5Möllendorff5
Jung-Waldow5Sonsfeld5
Prinz Eugen von Anhalt5Husaren
Gesamtzahl der Kürassiere60Wurmb32
  Bronikowski3
  Gesamtzahl der Kavallerie 111
Garnisonregimenter
Artillerie1 Bataillon,
de l'Hôpltal in Memel1 „
Wobeser in Pillau1 „
Sack in Colberg1 „
Persode in Magdeburg1 „
Zusammen5 Bataillone.

Die ganze Armee, Infanterie wie Kavallerie, wurde in die Städte gelegt, um die Disziplin einzuführen und aufrechtzuerhalten. Der König erließ ein Reglement, das jedem Offizier seine Obliegenheiten vorschrieb. Für dessen Befolgung sorgte er selbst. An der Spitze aller Truppenteile standen durch Alter und Erfahrung angesehene Offiziere, die durch ihr Beispiel und ihre Strenge die Subordination befestigten. Alljährlich hielt der König eine Truppenschau ab und ließ sich allerhand Exerzierübungen vorführen. So war er selbst sein Armee-Inspekteur und vor Täuschung sicher.

In der ersten Zeit, als die neuen Exerzitien eingeführt wurden, war den Offizieren die einfache Lehrmethode, die man später dafür gefunden hat, noch unbekannt. Sie prügelten die Ordnung in ihre Leute hinein, und das machte die Arbeit schwer und langwierig. In allen Regimentern wurde das Offizierkorps von Elementen gesäubert, deren Herkunft oder Führung sie zu einem Handwerk von Ehrenmännern ungeeignet machte. Seitdem duldete das Ehrgefühl der Offiziere nur noch Männer ohne Tadel unter ihresgleichen.

<186>

Die Bataillone waren in vier Gliedern formiert, schossen aber in drei Gliedern. Das Bataillon bestand aus vier Divisionen zu je zwei Zügen, außerdem aus einer Grenadierkompagnie.

Der Fürst von Anhalt, der das Kriegshandwerk gründlich verstand, hatte bemerkt, daß die Gewehre nicht ausgiebig genug gebraucht wurden. Er führte eiserne Ladestöcke ein und brachte den Soldaten eine unglaubliche Feuergeschwindigkeit bei. Von 1733 ab schoß das erste Glied mit aufgepflanztem Bajonett.

Das Exerzieren spielte sich nun folgendermaßen ab. Zunächst wurden die Griffe geübt. Dann wurde zugweise und divisionsweise gefeuert. Dann wurde unter langsamem Vorrücken in gleicher Weise gefeuert, ebenso im Zurückgehen. Danach wurden zwei Karrees formiert, ein vor dem Feinde unausführbares Manöver. Den Schluß bildete ein ganz unnützes Heckenfeuer186-1. Immerhin wurden alle Übungen im Bataillon schon mit der Präzision eines tadellosen Uhrwerks ausgeführt.

Der König schaffte die Mäntel ab und verkürzte die Röcke der Infanterie. Zur Erleichterung des Marschierens erhielt jede Kompagnie zwei Packpferde zum Tragen der Zelte und der Decken für die Soldaten.

In allen Provinzen errichtete der König in weiser Voraussicht Vorratsmagazine186-2, um bei einer Teuerung das Volt zu versorgen. Dadurch hatte er auch im Kriegsfall gefüllte Magazine.

Um 1730 stieg die Leidenschaft für großgewachsene Menschen in einer Weise, die späteren Zeiten kaum glaublich erscheinen wird. Der gewöhnliche Preis eines Mannes von 5 Fuß 10 Zoll nach rheinischem Fuß betrug 700 Taler. Ein Mann von 6 Fuß wurde mit 1 000 Talern, ein größerer noch bedeutend höher bezahlt. Es gab mehrere Regimenter, die keine Leute unter 5 Fuß 8 Zoll einstellten. Der kleinste Mann der Armee maß gut 5 Fuß 6 Zoll.

Die Aushebung fand im ganzen Lande regellos statt, was zu tausend Prozessen zwischen den Regimentern führte. Um Ordnung zu schaffen, teilte der König 1733 alle Provinzen in Kantons ein. Diese wurden den Regimentern zugewiesen, die aus ihnen jährlich 30 Mann in Friedenszeiten und bis zu 100 im Kriegsfalle ennehmen durften. So wurde die Armee unsterblich, indem sie einen festen Grundstock erhielt, aus dem sie sich seither ohne Unterbrechung verjüngt hat.

Die Kavallerie bestand wie die Infanterie aus übermäßig großen Menschen, die auf riesigen Pferden saßen. Kolosse auf Elefanten, die weder zu reiten noch zu kämpfen verstanden. Es gab keine Musterung, bei der nicht der eine oder andere Reiter aus Ungeschicklichkeit aus dem Sattel fiel. Sie waren nicht Herren ihrer Pferde, und ihre Offiziere hatten keinen Begriff vom Kavalleriedienst, keine Ahnung vom Kriege, kein Verständnis für die Geländebenutzung und weder theoretische noch praktische Kenntnisse in den Manövern, wie sie die Kavallerie an einem Schlachttage<187> auszuführen hat. Diese braven Offiziere glichen Landwirten, die ihre Kompagnien wie Pachtgüter betrachteten, aus denen sie möglichst viel herauszuschlagen suchten.

Außerdem war die Armee auch durch den langen Frieden heruntergekommen. Im Anfang der Regierung Friedrich Wilhelms hatte man die Ordnung und Disziplin bei den Regimentern verbessert. Als es aber nach dieser Richtung nichts mehr zu tun gab, verlegte man sich auf Äußerlichkeiten. Der Infanterist putzte sein Gewehr und seine Ausrüstung spiegelblank, der Reiter gab seinem Zaumzeug, seinem Sattel und sogar seinen Stiefeln die glänzendste Politur. Die Mähnen der Pferde wurden mit Bändern durchflochten. Und schließlich wurde die Sauberkeit, die an sich ja sehr wichtig ist, aufs lächerlichste übertrieben. Hätte der Friede länger als bis 1740 gedauert, so wären wir wohl heute bei Schminke und Schönheitspflästerchen angelangt. Noch viel trauriger aber war es, daß darüber die höhere Kriegskunst ganz in Vergessenheit geriet und das Interesse von Tag zu Tag mehr in Kleinigkeiten unterging.

Trotz all dieser Mißstände war die Infanterie gut. Bei ihr herrschte größte Ordnung und strenge Disziplin. Aber die Kavallerie war gänzlich verwahrlost. In der Schlacht von Malplaquet hatte der König die kaiserliche Kavallerie dreimal zurückweichen sehen187-1, und bei den Belagerungen von Menin, Tournai und Stralsund gab es für die Kavallerie keine Gelegenheit, sich hervorzutun. Der Fürst von Anhalt war in ähnlichen Vorurteilen befangen. Er konnte der Kavallerie Styrums den Mißerfolg in der ersten Schlacht bei Höchstädt187-2 nicht verzeihen und hielt diese Waffe für zu unzuverlässig, als daß man auf sie rechnen könne. Solche unglückselige Voreingenommenheit wurde unserer Kavallerie höchst verderblich. Sie blieb ohne Disziplin und versagte daher völlig, als man sie dann im Felde zu gebrauchen versuchte187-3.

Die Infanterieoffiziere gingen mit großem Eifer ihrem Berufe nach. Bei der Kavallerie, die fast ganz in kleinen Städten lag, blieben die Offiziere an Intelligenz und Regsamkeit weit zurück. Bei den Generalen war mehr Tapferkeit vorhanden als Geist. Der Fürst von Anhalt war der einzige, der eine Armee zu führen verstand. Er wußte das auch und nutzte seine Überlegenheit aus. Er wollte gesucht sein und mehr gelten als die anderen.

Während der Regierung des Königs wurden die Festungswerke von Magdeburg und Wesel vollendet, und die von Stettin von Oberst Walrave187-4, aber unter Leitung des Fürsten von Anhalt begonnen.

Der König schuf ein Korps von dreißig Ingenieuren, die in ihren verschiedenen Dienstzweigen ausgebildet wurden. Er füllte sein Artilleriearsenal für künftige Feldzüge und Belagerungen. Er hatte vorzügliche Artillerieoffiziere. Und die Kadetten, diese Pfianzschule von Offizieren, füllten alle Lücken aus, die durch Todes<188>fälle in der Armee entstanden. Das gelang um so besser, als die jungen Leute aus der Militärschule mit all den Kenntnissen hervorgingen, die ein Offizier nötig hat.

Das war die Entwicklung des preußischen Heerwesens bis zum Tode des verstorbenen Königs. Man könnte auf seine Armee anwenden, was Vegetius von den Römern gesagt hat: „Durch ihre Disziplin triumphierten sie über die List der Griechen, über die Kraft der Gallier, über den hohen Wuchs der Germanen und über alle Völker der Erde.“


165-1 Die „Bierziese“ wurde erst 1488 auf sieben Jahre bewilligt und im Jahre 1513 für dauernd erklärt.

165-2 Vgl. Bd. VII, S. 130.

165-3 Vgl. S. 32 ff.

165-4 Außer der im Text erwähnten Beratung von 1630 wurden die Stände von Georg Wilhelm noch in den Jahren 1634 und 1635 berufen.

165-5 1604. Vgl. S. 31.

166-1 Sigismund von Götze starb 1650.

166-2 Vor Schwerin hatte schon Joachim Friedrich von Blumenthal diese Stellung inne gehabt.

166-3 Vgl. S. 83.

166-4 Friedrich von Jena.

166-5 Anmerkung des „Königs: Seit 1688.“

166-6 Vgl. S. 100.

166-7 Vgl. S. 115.

166-8 Vgl. S. 100.

166-9 Freiherr Friedrich Ernst von Knyphausen.

167-1 Freiherr Samuel von Cocceji.

167-10 Das Appelationsgericht (auch als „Regierung“ bezeichnet) und die Kriegs- und Domänenkammer.

167-11 Gemeint ist die „Allodification der Lehen“, mit der 1717 begonnen wurde.

167-2 Georg Dietloff von Arnim-Boytzenbug.

167-3 Christoph von Katsch.

167-4 Vgl. S. 110.

167-5 Friedrich Wilhelm von Grumbkow (vgl. S. 152).

167-6 Johann Andreas von Krautt.

167-7 Friedrich von Görne.

167-8 Adam Otto von Viereck.

167-9 Das Generaldirekkorium vereinigte in sich die beiden bisherigen Zentralbehörden, das Generalfinanzdirekktorium und das Generalkriegskommissariat.

168-1 Hier und auf den folgenden Selten wendet sich der König persönlich an den Prinzen August Wilhelm, dem die „Denkwürdigkeiten“ gewidmet sind.

169-1 Für die Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth vgl. S. 17. 22. 30.

169-10 Vgl. S. 64. 102.

169-11 Vgl. S. 85.

169-2 Vgl. S. 24.

169-3 Vgl. S. 27.

169-4 Vgl. S. 30.

169-5 Vgl. S. 32 ff.

169-6 Vgl. S. 28. 34 ff.

169-7 Vgl. S. 57.

169-8 Vgl. S. 66.

169-9 Vgl. S. 64.

170-1 Vgl. S. 102.

170-2 Vgl. S. 106.

170-3 Vgl. S. 110.

170-4 Vgl. S. 120.

170-5 Vgl. S. 140 f.

171-1 Die Hofstaatsrentei wurde erst 1673 begründet; für die ältere Zeit kommen die Hofrentei und die Kammer (Chatulle) in Betracht.

171-2 Die Akzise (vgl. S. 136) wurde bereits 1667 eingeführt.

171-3 Vgl. S. 136.

172-1 Statt 24 Groschen, die der Taler ursprünglich zahlte.

172-2 Johann Georg II. (1656—1680).

172-3 Die kleine, vom gesetzlichen Vollgewicht und Gehalt gestattete Abweichung der Münzen.

172-4 Johann Georg III. (1680 — 1691); Ernst August (1679 — 1698).

173-1 Vgl. S. 32 ff.

173-2 Hillebrandt von Kracht.

174-1 Anmerkung des Königs: „Sebaldus, Chronik“. Gemeint Ist das 1655 gedruckte „Breviarium histoncum“ des Predigers Heinrich Sebald († 1679).

174-2 Hans Kaspar von Klitzing (vorher in kursächsischen Diensten, vgl. S. 51).

174-3 Hillebrandt von Kracht.

174-4 Konrad von Burgsdorff (vgl. S. 48).

174-5 Melchior von Dargitz.

174-6 Georg von Volckmann (vgl. S. 48).

174-7 Moritz August von Rochow (vgl. S. 56).

174-8 Rüdiger von Waldow.

174-9 Karl Joachim von Kehrberg.

175-1 Vgl. S. 48.

175-10 Hermann von Goldacker.

175-11 Hartmann von Goldacker.

175-12 Markus von Lütke (Lüdicke).

175-13 Moritz August von Rochow (vgl. S. 174). Dies Regiment ist vom König irrtümlich der Reiterei zugezählt.

175-2 Kaspar von Potthausen.

175-3 Joachim Hasso von Schapelow.

175-4 Hartmann von Goldacker.

175-5 Niclas Erichson.

175-6 Hans von Vorhauer.

175-7 Konrad von Burgsdorff.

175-8 Dietrich von Kracht.

175-9 Georg Friedrich von Trott.

176-1 Oberst Hans Georg von Ribbeck erhielt nach Rochows Entlassung (vgl. S. 56) dessen Regiment.

176-2 Im Gegensatz zur vollen Rüstung, zu der der geschlossene Visierhelm und die volle ritterliche Rüstung gehörten, bestand die halbe Rüstung in offener Sturmhaube, Brust- und Rückenstück

176-3 Vgl. S. 57 f.

176-4 Der Mindische Statthalter Graf Johann von Sayn-Wittgenstein.

176-5 Vgl. S. 58 ff.

176-6 Graf Georg Friedrich zu Waldeck; Christoph von Kannenberg.

176-7 Vgl. S. 75.

176-8 Vgl. S. 57.

177-1 Graf Georg Friedrich zu Waldeck verließ im Mai 1658 den brandenburgischen Dienst.

177-10 Wolf von Eller.

177-11 Freiherr Alexander von Spaen (vgl. S. 83).

177-12 Vgl. S. 171. Joachim Ernst von Grumbkow wurde erst 1679 Generalkriegskommissar und bildete 1680 und 1684 die Akziseordnung weiter aus.

177-2 Vgl. S. 65.

177-3 Vgl. S. 65.

177-4 Graf Christian Albrecht zu Dohna.

177-5 Joachim Rüdiger von der Goltz.

177-6 Georg Adam von Pfuel.

177-7 Friedrich von Bawyr.

177-8 Vgl. S. 81.

177-9 Albrecht Christoph von Quast.

178-1 1692 in 2 Kompagnien Gensdarmes umgewandelt.

180-1 Vgl. S. 70 f.

180-2 Vgl. S. 82.

180-3 Vgl. S. 79 f.

180-4 Vgl. S. 81.

181-1 Die Bezeichnung erfolgte nach den weißen Aufschlägen im Gegensatz zu den roten, die das von Friedrich Wilhelm I. als Kronprinzen errichtete große ober rote Leib-Batallion Grenadier, die sogenannte Riesengarde, hatte.

182-1 Mit Feuersteinschloß.

182-2 Sebastien le Prestre de Vauban (1633 — 1707), französischer Marschall und Ingenieur.

182-3 Baron Menno van Coehoorn (1641 — 1704), niederländischer Festungsbaumeister.

182-4 Generalmajor Lüdeke Ernst von Schöning.

182-5 Jean de Bodt (1670 — 1745), 1700 aus Frankreich in preußische Dienste berufen, die er 1728 wieder verließ.

182-6 Karl Philipp († 1695).

183-1 Lottum (vgl. S. 113) starb erst 1719. Bei Malplaquet fiel Generalmajor Daniel von Tettau.

183-2 Vgl. S. 114.

183-3 Dubislav Gneomar von Natzmer (vgl. S. 148).

183-4 Vgl. S. 107.

183-5 Vgl. S. 109.

183-6 Vgl. S. 130.

183-7 Generalmajor Heinrich Jordan von Wuthenow.

183-8 Die sogenannten Neuen Garnisonen In Berlin, Magdeburg, Stettin und Königsberg.

184-1 Vgl. dazu S. 162.

186-1 Eine Art von kommandiertem Schützenfeuer durch Herausziehen einzelner Rotten aus der Front.

186-2 Vgl. Bd. VII, S. 139.180 f.

187-1 Vgl. S. 113 f. und 183.

187-2 Vgl. S. 107 und 183.

187-3 Vgl. die Urteile König Friedrichs in der „Geschichte meiner Zeit“ (Bd. II, S. 78 und 213).

187-4 Gerhard Cornelius von Walrave.