<121>Wer hätt' den Aufstieg ihr vorhergesagt?
Sie wuchs im Dunkel auf, das nichts verhieß.
Erst eine Heirat schuf ihr Paradies.1
Erfahrung hat die Augen uns geschärft,
Wir sehn, wie an den Höfen Schranzentum
Sich breitmacht und der Dirnenschaft zum Ruhm
Verhilft, die alles aussaugt und entnervt.
Wir sehn, wie Heuchler Könige besiechen
Durch hinterlistige Förderung ihrer Schwächen.
Bei solchem Werk, das oft ein ganzes Reich
Zerstört, sind Sklaven und Tyrannen gleich ...

Doch mehr als bei der höfischen Intrige
Hängt man von Schicksalslaunen ab im Kriege.
Wie ernsthaft man um den Erfolg sich müht,
Der siegt nur, dem der Schlachtengott gewogen;
Wenn einem unverdienter Lorbeer blüht,
Der andre wird um sein Verdienst betrogen.

Auf dieser edlen Laufbahn läßt der Held
Vom Zufall sich nicht schrecken. Doch sein Ringen
Und Kämpfen wird den Unstern nicht bezwingen,
Auch wenn er sein Genie entgegenstellt.
Den Ausschlag gibt der unbekannte Haufen,
Auf seinem Heer beruht des Feldherrn Heil.
Dem Führer wird Schimpf oder Preis zuteil,
Wenn Feige oder Tapfere für ihn raufen.
Niemals nach den Erfolgen sollte man
Den Feldherrn werten, sondern nach dem Ziele
Und nach dem Geist, mit dem im Zufallsspiele
Des Kampfes er auf jeden Vorteil sann.
Man schaue sich darauf die Kämpen an!

Als Prinz Eugen, der sieggewohnte Held
Vor Belgrad lag,2 dacht' er, von Mut geschwellt,
Mit Leichtigkeit das Bollwerk zu erstürmen,
Die Türken fortzuwehn von Wall und Türmen.


1 Erst ihre Vermählung mit Charles Gmllaume Le Normand d'Etioles bahnte für Ieanne Antoinette Poisson, die illegitime Tochter des Generalpächters de Normand de Tournehem und spätere Marquise de Pompadour, den Weg, der sie 1745 an die Seite Ludwigs XV. führte.

2 1717.