<192>Die schrankenlose Macht, die mir gewährt,
Erstickte nicht die Freundschaft im Gemüt.
War schon ein schlichter Bürger heiß erglüht
Fürs Vaterland und gab sein Leben hin.
Bewies ein Decius solchen Opfersinn —
Was heischt dann Rom von einem Kaiser gar?
Er muß sein Haupt dem Staat zum Opfer bringen,
Um Sturm und Ungewitter zu bezwingen.
Mein Leben schuld' ich Rom, das mich gebar;
Euch schuld' ich's, ist mein Herz nicht undankbar!
Die Seelenstärke glänzt in der Gefahr;
Dem harten Schicksal setzt ein Ziel der Held,
Denn seine Laufbahn mißt sich nicht nach Tagen,
Die er in Muße zwecklos hingetragen.
Ich lebte lang genug, erfährt die Welt,
Weshalb ich dieses Ende mir erkoren!
Sie sage: Otho sah den Staat verloren;
Um ihn zu retten, wählt' er frei den Tod.
Kein Zaudern, Freunde, in der höchsten Not!
Zum Sieger eilt: mein letzter Wille sei's.
Ich sprecht euch los von Treueschwur und Eid.
Flieht! Nutzt den Augenblick, 's ist höchste Zeit!
Zum letztenmal folgt eures Herrn Geheiß!
Mein Ende naht, schon bin ich fast nicht mehr.
Wenn ich des Leibes Hülle nun zerstöre,
Ins Herz euch schließend, bleibt nur ein Begehr:
O daß der Himmel mein Gebet erhöre!
Die Götter mögen euch nach meinem Scheiden
Für eure Lieb' und Treue reich bedenken
Und euch vor Kummer schirmen und vor Leiden:
Was Otho nicht vermocht, sie können's schenken!
Einst preist ihr noch mein Los! Ist's denn so schwer,
Den Zoll zu zahlen, dem uns nichts entrückt?
Wohl jedem, der die Welt verläßt, wenn er
Der Tugend Siegel auf sein Scheiden drückt!
Erlischt der Geist, sobald mein Leib verblich,
Gibt's nicht mehr Sorge, Schmerz und Not für mich;