<229>So mag auch unter Gekrönten einmal
Ein Geist sich erheben,
Der nicht so wie die andern all
Törichtem Unfug ist ergeben:
Dann aber muß duftiger Weihrauchschwall
Gleich himmelan schweben!
Dann gerät die Welt außer Rand und Band:
Ein Fürst mit gesundem Menschenverstand!
Und ganz Europa erhebt ein Geschrei:
Wer glaubt's wohl, daß sowas möglich sei?
Doch Neid und Mißgunst sind auch nicht faul,
Die Dummen, Beschränkten, Mann für Mann,
Hängen ihm schleunigst etwas an.
Schleunigst reißen sie auf das Maul:
Ein Störenfried ist's, den der Ehrgeiz reitet,
Ein Auftuhrgeist, der gern hadert und streitet;
In den ewigen Flammen soll er schmoren!
Andre, die raunen sich in die Ohren:
Wahr ist's, er leistet, er regelt alles!
Doch wartet das Ende ab, ob er nicht purzelt,
Wir werden noch Zeugen seines Falles! —
So tief sitzt das Vorurteil eingewurzelt,
Daß bei der richtigen Majestät
Sich der Einfaltspinsel von selbst versteht!
Demnach müßten so vieler Nationen
Rater und Führer im Tollhause wohnen!
Doch nein, der Gedanke liegt mir fern,
Ihr Fürsien, euch borten einzusperrn:
Nein, nein, ich ehre die Meinung der Welt,
Die große Stücke auf euch hält,
Und weiß, was ich euch schuldig bin!
Ja einst, da durfte ein Aretin
Es wagen, euch durch die Zähne zu ziehn.
Die schönen Zeiten sind längst vergangen,
Man schont euch heute, ihr dürft es verlangen;
Heut kennt ihr nur die Ergebenheit
Des Hofes, der euch seinen Götzendienst weiht,
Und es gefällt euch über die Maßen,
Euch von der Welt bewundern zu lassen —